"Innovationen sind kein reines Glücksspiel"
Innovationsideen auf Herz und Nieren zu prüfen: Dabei hilft ein neues Whitepaper der IG Digital. Claudia Häusser und Okke Schlüter stellen das neue Tool vor.

Innovationsideen auf Herz und Nieren zu prüfen: Dabei hilft ein neues Whitepaper der IG Digital. Claudia Häusser und Okke Schlüter stellen das neue Tool vor.
Okke Schlüter: Wir wollen mit dem Whitepaper keine belastbaren Umsatzgrößen vorhersagen, sondern das Potenzial von Innovationsideen greifbar machen. Innovationen bleiben riskant, sind aber kein reines Glücksspiel nach dem Motto »top oder Flop«. Wir möchten Unternehmen dabei helfen, datenbasiert und differenziert zu entscheiden.
Claudia Häusser: Es geht darum, Markt- und Zielgruppenanalysen mit klaren Annahmen zu verbinden und mögliche Erlöse sowie Kosten gegenüberzustellen. Wichtig ist, dass man sich von Anfang an bewusst macht, dass die Ergebnisse keine exakten Vorhersagen sind, sondern Orientierung geben sollen. Ein klar strukturierter Ansatz hilft dabei, Unsicherheiten zu minimieren und Entscheidungen zu treffen, die auf Fakten und nicht auf Intuition basieren.
Okke Schlüter: Wie man in unserem Whitepaper gut nachvollziehen kann, sind Zielgruppengröße, Kaufkraft und Zahlungsbereitschaft auf der Erlösseite wichtig. Auf der Kostenseite geht es vor allem um Investitionen und Betriebskosten.
Claudia Häusser: Man sollte intern verfügbare Daten nutzen und diese um externe Quellen wie Studien oder Marktdaten ergänzen. Wenn keine Daten vorliegen: die Kunden fragen. Wichtig ist dabei, verschiedene Szenarien durchzuspielen: Was passiert, wenn weniger Nutzer kommen oder höhere Kosten entstehen? Man braucht eine realistische Spanne, um Entscheidungen treffen zu können.
Okke Schlüter
Okke Schlüter
ist seit 2008 Professor für Medienkonvergenz an der Stuttgarter Hochschule der Medien. Als Digital- und Innovationsexperte leitet er gemeinsam mit Ehrhardt Heinold die Peergroup Business Development der IG Digital und begleitet seit 2016 den Start-up-Wettbewerb "CONTENTshift" des Börsenvereins.
Innovationen sind kein reines Glücksspiel. Wir möchten Unternehmen dabei helfen, datenbasiert und differenziert
zu entscheiden.Okke Schlüter
Claudia Häusser: Ich habe die Vorlage zur Berechnung des Umsatzpotenzials bereits als QuickCheck in der Praxis genutzt, unter anderem für Projekte wie Ratgeberplattformen, Musikstreaming-Apps und E-Book-Abo-Angebote. Das Whitepaper bietet unter anderem eine hilfreiche Übersicht zu Referenzkosten, typischen Kostenblöcken und Kostentreibern – inklusive Tipps, wie man diese effizient reduzieren kann. Es zeigt zum Beispiel auf, was die Entwicklung einer App oder der Aufbau einer digitalen Verkaufsplattform kosten könnte. Die praxisnahen Potenzialrechnungen bieten eher Ansätze, die auch ohne teure Tools oder umfangreiche Controlling-Abteilungen umsetzbar sind. Zusätzlich liefert das Whitepaper Ideen für verschiedene Erlösmodelle, von Einzelverkauf über Abonnements bis hin zu Werbung und Datenlizenzierung, und zeigt konkret, wie und wo Umsatz generiert werden kann.
Okke Schlüter: Generell gilt: Alle Aktiven in der Peergroup Business Development bringen entsprechende Erfahrungen mit, die sie in die entstehenden Tools für die Branche einfließen lassen.
Claudia Häusser
ist E-Commerce-Spezialistin bei MediaMarktSaturn. Davor war sie digitale Produktentwicklerin bei Weltbild und Produktionerin für Print- und Onlinemedien bei Gräfe und Unzer. Beim Börsenverein engagiert sie sich in der Peergroup Business Development der IG Digital.
Die praxisnahen Potenzialrechnungen bieten Ansätze, die auch ohne teure Tools oder Controllingteams umsetzbar sind.
Claudia Häusser
Claudia Häusser
Okke Schlüter: Denken Sie nicht von dem aus, was Sie haben oder können, sondern beginnen Sie bei den Kundenbedürfnissen. Analysieren Sie, was der Wettbewerb davon schon abdeckt, und finden Sie so mögliche USPs, also Alleinstellungsmerkmale, für die es Kaufkraft und Zahlungsbereitschaft gibt – im Kern alles bekannte Tugenden. Denken Sie dabei auch an Nicht-Kunden, weil Sie dort oft stärker wachsen können als über Verdrängungswettbewerb bei Bestandskunden. Und überlegen Sie, wo Sie mit anderen Marktteilnehmern auch mal kooperieren können – der wahre Wettbewerb kommt von außerhalb der Branche.
Claudia Häusser: Ich stimme Okke voll zu: Entscheidend ist, den Fokus auf die Bedürfnisse der Kunden zu legen. Wichtig ist zudem, dass wir flexibel bleiben, alte Muster hinterfragen und offen für neue Ansätze sind. Dabei sollten wir die Zielgruppe genau analysieren, um Geschäftsmodelle zu entwickeln, die nicht nur kurzfristig, sondern auch nachhaltig erfolgreich sind. Kooperationen mit anderen Unternehmen und Branchen bringen oft frische Impulse und können helfen, schneller auf Marktchancen zu reagieren. Testen Sie Ihre Ideen schnell und pragmatisch – es muss nicht alles perfekt sein. Und vor allem: Bleiben Sie flexibel und lassen Sie sich vom Kundenfeedback leiten. Das ist der Schlüssel, um langfristig erfolgreich zu sein.