Der Schuh muss passen!
Wenn die Auftragslage schlecht ist, nehmen Freelancer auch schon mal nicht so passende Aufträge an. Besser ist es, von Anfang an das eigene Profil zu schärfen und sich treu zu sein.
Wenn die Auftragslage schlecht ist, nehmen Freelancer auch schon mal nicht so passende Aufträge an. Besser ist es, von Anfang an das eigene Profil zu schärfen und sich treu zu sein.
Ist die Auftragslage nicht so prickelnd, denken Selbstständige schnell: Ich kann es mir nicht leisten abzusagen. Bevor ich nichts mache, mache ich das. Gerade wenn man neu in die Selbstständigkeit kommt, ist man versucht,jeden Auftrag anzunehmen, der an einen herangetragen wird. Irgendwo muss man ja anfangen, oder?
Als ich als Freelancerin begann, wollte ein erfahrener Unternehmensberater mich gern unterstützen. Er versuchte mir hartnäckig einzureden, dass ich ihn als eine Art Agenten brauchte, um erfolgreich zu starten. Er glaubte an mich. Das gefiel mir. Aber seine Tipps – zum Beispiel Flyer und Firmenbriefbogen zu entwerfen – passten so gar nicht zu meinem Vorhaben. Leider kamen meine ersten Einwände nicht an, und der Tonfall wurde zunehmend herablassender: »Junge Frau, Sie werden schon noch sehen …«
Bald sah ich mich gezwungen, den Spieß umzudrehen, ihm meine eigene Strategie zu erläutern und warum ein Großteil seiner Anregungen für mich nicht verwertbar war. Die nachfolgende Funkstille erleichterte mich. Ich ärgerte mich aber auch über die vielen vergeblichen Gesprächsstunden, die ich in dem Glauben investiert hatte, es sei gut, mit jedem Menschen zusammenarbeiten zu können.
Eine der besten Seiten der Selbstständigkeit ist, dass man selbst entscheiden kann, woran und mit wem man arbeitet. Diesem Ideal sollten wir ruhig von Anfang an folgen! Unangenehme Kontakte und Aufgaben sind Zeitfresser und bremsen uns aus. Wenn wir uns direkt auf solche konzentrieren, die uns entsprechen, wirkt sich das positiv aufs eigene Profil aus, und die freiberufliche Arbeit macht gleich mehr Freude.
Ich will hier nicht befürworten, alles Unbequeme wegzuschieben. Das Problem kann ja ganz unterschiedlich aussehen: Die Chemie stimmt einfach nicht. Jemand palavert stundenlang am Telefon. In der Kommunikation werden Sie nicht abgeholt. Jemand vertritt Ansichten, die nicht mit Ihren harmonieren. Die Bezahlung steht in keinem Verhältnis zum Aufwand. Man möchte Ihnen erklären, wie Sie zu arbeiten haben.
Nein, es ist notwendig, die Sache reflektiert und kritisch zu betrachten und nicht sofort das Handtuch zu werfen. Fragen wir uns vorher: Liegt es an mir? Welche Möglichkeiten habe ich, um die Situation zu verbessern? Kann ich nachverhandeln? Gelingt es mir, über
Inhalte hinwegzusehen, die mir widerstreben? Wie kann der Austausch effizienter werden? Kann ich mangelnde Professionalität ausgleichen? Oft kann man sich so auf die andere Person einstellen, dass die Umstände doch wieder stimmen.
Aber manchmal hilft alles nichts, und dann bremst uns die Angelegenheit energetisch aus. Gerade in einem kreativen Beruf. Niemand ist frei im Kopf, wenn die Gedanken um belastende Gesprächssituationen oder Themen kreisen. Darauf sollten wir vertrauen und unserem Stil treu bleiben. Sich selbst aussuchen zu können, woran und mit wem man arbeitet, ist Luxus und Notwendigkeit zugleich.
Veronika Weiss (36) ist in Wien aufgewachsen und hat dort Germanistik und Musikwissenschaften studiert. Nach Praktikum und Elternzeitvertretung arbeitet sie in Hamburg als Lektorin in der Verlagsgruppe HarperCollins (Cora Verlag) und nebenbei frei als Texterin. Im Börsenblatt schreibt Weiss unter anderem über Trends in der Arbeitskultur, Berufseinstieg und Work-life-Balance.