Debatte um E-Lending geht weiter

"Zwangslizenzierung zerstört die wirtschaftliche Grundlage der Branche"

15. Oktober 2021
Redaktion Börsenblatt

Vertreter der Buchbranche appellieren erneut an die Politik: Die von den Bibliotheken geforderte „Zwangslizenzierung“ von E-Books gefährde die wirtschaftliche Grundlage der Buchbranche. Unterzeichner der Initiative „Fair Lesen“ sind namenhafte Autor*innen wie Benedict Wells und Charlotte Link, Verleger*innen großer Häuser wie Thomas Rathnow und Kerstin Gleba und alle Geschäftsführer*innen der großen Buchhandelsketten.

Bibliotheken möchten ihren Nutzern mehr digitale Möglichkeiten eröffnen. Motiv in der Bibliothek am Luisenbad

Die Debatte um die E-Book-Ausleihe für Bibliotheken geht weiter. 

Die Basis der Buchbranche, der literarischen Vielfalt, Meinungsfreiheit und verlegerischen Qualität, sei der faire Umgang mit Inhalten und ein Rechtsrahmen, der dafür sorgt, dass Autor*innen, Übersetzer*innen und Verlage für ihre Leistung angemessen bezahlt würden.  Diese Grundlage sei durch die Forderung der öffentlichen Bibliotheken, nach dem Recht alle E-Books bei Erscheinung lizenzieren zu dürfen, in Gefahr.

Unter der Initiative „Fair Lesen“ haben sich nun 185 Autor*innen, Verlage und Buchhandlungen zusammengeschlossen. Sie appellieren an die Politik: „Gesetzliche Regelungen, wie die derzeit bei der E-Book-Ausleihe geforderte ‚Zwangslizenzierung‘ gefährden den Buchmarkt und wichtige Erlösquellen für Autorinnen und Autoren, Verlage und den Buchhandel.“

Die Debatte im Frühjahr 2021

Über die Forderung des Deutschen Bibliotheksverbands haben wir bereits berichtet. In einem offenen Brief an den Deutschen Bundestag forderte der Verband im Januar 2021 die Gleichstellung von Büchern und E-Medien für die Lizenzierung. „Verlage verweigern die E-Book-Ausleihe“, hieß es damals.

Die Gegenstimmen aus der Branche wurden daraufhin laut. Am 26. Januar reagiert das Netzwerk Autorenrechte mit einem Offenen Brief: „Erteilen Sie dem dbv eine klare Absage“, schrieben Sie an den Deutschen Bundestag. Peter Kraus vom Cleff und Jens Klingelhöfer erklärten im Interview mit dem Börsenblatt genau, wie sich die Situation für Verlage, Distributoren und Autoren darstellt: „E-Lending macht Investitionen in Bestseller unmöglich“.

Im März 2021 schlug schließlich der Bundesrat vor, Verlage künftig gesetzlich dazu zu verpflichten, alle E-Books bereits bei Erscheinen den Bibliotheken für die digitale Ausleihe zur Verfügung zu stellen. Damit käme man einer lange bestehenden Forderung des Deutschen Bibliothekverbands nach. Im April richteten sich Autor*innen- und Übersetzer*innen schließlich erneut an die Politik, unter anderem an Kulturstaatsministerin Monika Grütters, um sich gegen die "Zwangslizenzierung" auszusprechen. 

Angesichts der Koalitionsverhandlungen ist das Thema für die Buchbranche so brennend wie nie. 

Die ersten Monate nach Erscheinen eines Buches sind die ökonomisch wichtigste Zeit für Autorinnen, Autoren und Verlage

Initiative "Fair Lesen"

Die Forderung der Initiative "Fair Lesen"

Wie die Initiative „Fair Lesen“ im Appell anmerkt, stellen Verlage den Bibliotheken bereits den Großteil ihrer E-Books zur Verfügung. Knapp 7200 Verlage lizenzieren derzeit mehr als eine halbe Million E-Book-Titel. Bisher haben Verlagen die Freiheit, ob und zu welchen Bedingungen sie lizenzieren, selbst zu verhandeln. Dabei würden einige Neuerscheinungen für einen Zeitraum von meist wenigen Monaten zunächst nur im regulären online-Buchhandel angeboten, bevor sie für die digitale Leihe in Bibliotheken freigegeben werden.

„Denn die ersten Monate nach Erscheinen eines Buches sind die ökonomisch wichtigste Zeit für Autorinnen, Autoren und Verlage“, schreibt die Initiative. Die digitale Leihe sei kein Randphänomen mehr: Aktuell finden bereits 46 Prozent aller E-Book-Nutzungen über die Bibliotheksausleihe statt – jedoch werden nur 6 Prozent des gesamten E-Book-Umsatzes mit den Erlösen aus der Bibliotheks-Onleihe erzielt.

„Sollte die Entscheidungshoheit von Autoren, Autorinnen und Verlagen, welche Titel wann zu welchen Bedingungen in die digitale Leihe überführt werden, gesetzlich eingeschränkt werden, wird dadurch die wirtschaftliche Grundlage nicht nur der Urheberinnen, Urheber und Verlage, sondern auch der Buchhandlungen zerstört“, heißt es im Appell weiter.

Das Bündnis aus Autor*innen, Verlagen und Buchhandlungen fordert die „existentiellen Rahmenbedingungen“ der Branche zu respektieren. Ein „gesetzlicher Zwang“ für die E-Book-Leihe schade der Vielfalt, Lebendigkeit und Unabhängigkeit der Buchlandschaft.

Zu den Unterzeichnenden zählen unter anderen

  • die Autor*innen: Christian Berkel, Sibylle Berg, Maxim Biller, Thea Dorn, Nina George, Judith Hermann, Elisabeth Herrmann, Thomas Hettche, Daniel Kehlmann, Navid Kermani, Ildikó von Kürthy, Charlotte Link, Paul Maar, Hanns-Josef Ortheil, Sven Regner, Frank Schätzing, Ferdinand von Schirach, Benedicts Wells, Ulrick Wickert, Juli Zeh
  • die Verleger*innen: Christian Schumacher-Gebler (Bonnier), Jonathan Beck (C.H. Beck), Nadja Kneissler (Delius Klasing), Philipp Keel (Diogenes), Doris Janhsen (Droemer Knaur), Jo Lendle (Hanser), Kerstin Gleba (Kiepenheuer & Witsch), Thomas Rathnow (Penguin Random House), Felicitas von Lovenberg (Piper), Siv Bublitz (S. Fischer Verlage), Jonathan Landgrebe (Suhrkamp)
  • die Buchhändler*innen: Andrea Ludorf (Dussmann), Nina Hugendubel (Hugendubel), Heinrich Riethmüller (Osiander) und Michael Busch (Thalia)

Weitere Informationen gibt es im Faktencheck E-Book-Leihe des Börsenvereins: