Bei Titeleinkäufen aber bindet man die anderen mit ein, hofft auf deren Kompetenz. Zu Recht? Der Vertrieb denkt rückwärtsgewandt, blickt auf die über Jahrhunderte gesammelten Erfahrungen und vergleicht. Was früher nicht ging, so die Schlussfolgerung, geht heute auch nicht. Die Presse checkt alle medialen Formate, Schreibenden, Talkshows und Blogs und bewertet die Titel nach Platzierbarkeit und Zuordnungsfähigkeit. Häufig mit dem Ergebnis: unklares Genre, wenig zu machen. Die Kaufleute stellen fest: Der Vorschuss zu hoch, das Buch zu dick, die Ausstattung zu opulent, der geplante Ladenpreis zu gering, der Lagerbestand eh zu hoch, das Risiko kaum abschätzbar, kurz: Besser ist es, auf Programmentscheidungen in Gänze zu verzichten und stattdessen die Backlist zu reanimieren. Und alle haben irgendwie auch recht mit ihren Einschätzungen.
Warum also fragen Verleger*innen, was von ihren Ideen zu halten ist? Weshalb werden all die eingebunden, die eigentlich aus bereits vorhandenen Texten das Beste machen wollen? Ist eine solche Entscheidung, wenn sie auf breitere Basis gestellt wird, fundierter? Wurden die Programme der Verlage substanziell besser, weil nun alle mitdiskutieren dürfen? Man darf das bezweifeln. Man könnte aus verlegerischer Sicht vielleicht sogar hoffen, dass das nicht stimmt. Denn ist nicht dieses spezielle Gefühl für den Text, das intuitive Ja! nach der erstmaligen Lektüre, die wahre Lust des verlegerischen Tuns?
Schon diese eine Runde zur Programmentscheidung also zeigt vielleicht: Es könnte sinnvoll sein, das Meeting-Layout in den Verlagen zu überprüfen, um Zeit zu gewinnen für die Arbeit, das Tagesgeschäft. Die dann zur Durchsetzung der wundervollen neuen unbekannten Stimme des Erstlings dienen würde, also genau dem, was das eigentliche Ziel der Verlagsaktivitäten ist. Wie man schließlich weiß: Ein großer späterer Erfolg von Detlev Buck heißt: »Wir können auch anders …«
ich stimme Ihnen von Herzen zu. Als Agentin höre ich oft als Auswahlkriterium: die Geschichte müsse gut zu pitchen sein. Gesucht ist: same same, but different. Also ähnlich wie die Titel, die die oberen Ränge der Bestsellerlisten einnehmen. Oft lehne ich lesenswerte Manuskripte ab, weil sie vom Schema F abweichen, denn in meinem Kopf höre ich schon die abwehrende Antwort der Lektor:innen, der Vertrieb sei hierfür nicht zu begeistern. Etwas mehr Mut, bitte!
Gudrun Hebel, Literaturagentin
Würde ein/e richtiger Verleger/in eine Programmentscheidung von "Meetings" abhängig machen, um die Fehler und Flops nicht selbst zu verantworten? (Erfolge haben ja alle selbst geboren.) Sagen wir: ein Daniel Keel? Oder Madame Kunstmann?
Ein angestellter Verleger sagte mir kürzlich ironisch zu einem Projekt: "Ich lasse denken."
Die Lösung ist ganz einfach: Eine/r entscheidet. Oder delegiert die Entscheidungen für einen Programmbereich. Der/die holt sich die kompetenten Meinungen nach Bedarf - und steht für jedes Buch grade. Und für jede Ablehnung.
Dann dienen die effizienten Meetings nicht der Profilierung oder den Bedenkenträgern, die gerne gegen alles sind, was nicht von ihnen selbst stammt. Sondern der Information und der Strategie für diesen Inhalt.