Gastspiel von Markus Klose

Erst das Meeting, und dann ...?

12. August 2021
Redaktion Börsenblatt

Wird ein Titel gemacht – oder nicht? In der sogenannten Programmrunde reden und entscheiden viele mit. Auch viele andere Meetings binden die Kapazität der Mitarbeiter*innen. Das ginge in den Verlagen auch anders, meint Markus Klose. Und wäre wahrscheinlich sogar besser.

»Erst die Arbeit und dann?« So heißt der erste Film des deutschen Regisseurs Detlev Buck aus dem Jahre 1984. In den Verlagen wird, so scheint es, nicht selten die Frage etwas anders gestellt: Erst das Meeting und dann? Denn ein Bedarf nach fortwährender Beteiligung aller an allem prägt den Arbeitsalltag vieler. Und die Antwort auf die Frage nach dem »dann« ist schnell beantwortet: Dann, nach den Meetings, folgt die eigentliche Arbeit. 

Man bekommt allerdings den Eindruck, dass die vielen Meetings, die die Stunden zwischen neun und 17 Uhr prägen, den Charakter einer cc-Mail haben. Wer einkopiert wird, scheint hinreichend eingebunden, wer beim Online-Meeting anwesend ist, scheint hinreichend beteiligt zu sein. Und dennoch hört man nicht selten Klagen über fehlende Kommunikation oder ungenügenden Informationsfluss.

Blicken wir auf eine dieser Zusammenkünfte: Die so oder so ähnlich benannte »Programmrunde«. Verlegerisch tätig zu sein, bedeutet vor allem, vorhandenes Kapital vom Verlagskonto auf das Bankkonto einer Agentur zu überweisen, in der Hoffnung, dass das eingekaufte Werk erfolgreich wird. Was, das ist die gute Nachricht, immer wieder auch so kommt. Die schlechte ist: oft aber eben auch nicht. Um das Risiko zu mindern, suchen die Programmverantwortlichen den Austausch mit den diversen Fachabteilungen, um zu klären, ob geplante Titel auf die Zustimmung der anderen stoßen. Diesen Schritt der Überprüfung eigener Aufgaben gehen in den Verlagen interessanterweise ausschließlich die Progammentscheider*innen. Es ist beileibe nicht so, dass die Vertriebsabteilung bei der Entscheidung für oder gegen einen Werbekostenzuschuss für einen Großkunden die Presseabteilung zu Rate zieht. Auch die Herstellung diskutiert nicht mit dem Vertrieb, ob das zu bedruckende Papier aus Finnland oder der Slowakei kommt. Und die Presseabteilung wiederum checkt ihre Verteiler für die Aussendung der Rezensionsexemplare nicht mit den Lizenzverkäufer*innen ab.

Warum also fragen Verleger*innen, was von ihren Ideen zu halten ist?

Markus Klose

Bei Titeleinkäufen aber bindet man die anderen mit ein, hofft auf deren Kompetenz. Zu Recht? Der Vertrieb denkt rückwärtsgewandt, blickt auf die über Jahrhunderte gesammelten Erfahrungen und vergleicht. Was früher nicht ging, so die Schlussfolgerung, geht heute auch nicht. Die Presse checkt alle medialen Formate, Schreibenden, Talkshows und Blogs und bewertet die Titel nach Platzierbarkeit und Zuordnungsfähigkeit. Häufig mit dem Ergebnis: unklares Genre, wenig zu machen. Die Kaufleute stellen fest: Der Vorschuss zu hoch, das Buch zu dick, die Ausstattung zu opulent, der geplante Ladenpreis zu gering, der Lagerbestand eh zu hoch, das Risiko kaum abschätzbar, kurz: Besser ist es, auf Programmentscheidungen in Gänze zu verzichten und stattdessen die Backlist zu reanimieren. Und alle haben irgendwie auch recht mit ihren Einschätzungen.

Warum also fragen Verleger*innen, was von ihren Ideen zu halten ist? Weshalb werden all die eingebunden, die eigentlich aus bereits vorhandenen Texten das Beste machen wollen? Ist eine solche Entscheidung, wenn sie auf breitere Basis gestellt wird, fundierter? Wurden die Programme der Verlage substanziell besser, weil nun alle mitdiskutieren dürfen? Man darf das bezweifeln. Man könnte aus verlegerischer Sicht vielleicht sogar hoffen, dass das nicht stimmt. Denn ist nicht dieses spezielle Gefühl für den Text, das intuitive Ja! nach der erstmaligen Lektüre, die wahre Lust des verlegerischen Tuns? 

Schon diese eine Runde zur Programmentscheidung also zeigt vielleicht: Es könnte sinnvoll sein, das Meeting-Layout in den Verlagen zu überprüfen, um Zeit zu gewinnen für die Arbeit, das Tagesgeschäft. Die dann zur Durchsetzung der wundervollen neuen unbekannten Stimme des Erstlings dienen würde, also genau dem, was das eigentliche Ziel der Verlagsaktivitäten ist. Wie man schließlich weiß: Ein großer späterer Erfolg von Detlev Buck heißt: »Wir können auch anders …« 

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