Deutsch-französische Austauschprogramme

Anfang Juli öffnet der "Salon Francfort" die Tür

9. März 2023
Sabine Cronau

Lust auf einen Austausch mit französischen Kolleg:innen? Programme dafür gibt es mehr als genug – für Buchhandlungen, Verlage, Literaturübersetzer:innen. Niki Théron von der Frankfurter Buchmesse und Kristina Kramer vom Börsenverein über die Nähe zu den Nachbarn und den neuen „Salon Francfort“.  

Niki Théron

Niki Théron

Ohne den Élysée-Vertrag hätte ich wohl nie den Weg nach Deutschland gefunden.

Niki Théron, bei der Frankfurter Buchmesse Senior Manager International Projects

Mit dem Élysée-Vertrag wurde vor 60 Jahren die deutsch-französische Freundschaft besiegelt. Wie entwickelt sich das deutsch-französische Verhältnis, wenn man auf die Zusammenarbeit der Buchbranchen blickt?

Niki Théron: Ohne diesen Vertrag hätte ich wohl nie den Weg nach Deutschland gefunden. Seit Jahrzehnten ermöglicht das Programm „Arbeit beim Partner“ des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW) nämlich Nachwuchskräften aus Frankreich einen Berufseinstieg bei der Frankfurter Buchmesse. Und so hat bei mir alles angefangen.

Die Frankfurter Buchmesse organisiert zudem zwei weitere deutsch-französische Förderprogramme des DFJW und arbeitet auch seit Jahrzehnten sehr eng mit dem Bureau International de l’Édition Française (BIEF) in Paris zusammen.

Über 750 Alumni und Alumnae aus Frankreich, Deutschland und auch der Schweiz konnten bisher davon profitieren. Außerdem gehören die französischen Verlage zu den größten internationalen Ausstellergruppen der Frankfurter Buchmesse. Deutsche und französische Verlage sind aufgrund ihrer räumlichen und kulturellen Nähe sehr gut vernetzt.

Kristina Kramer

Kristina Kramer

Durch die Pandemie war in den letzten Monaten und Jahren wenig persönlicher Austausch möglich. Das muss sich wieder ändern und das wird sich ändern. Dafür wollen wir neue Orte und Möglichkeiten schaffen.

Kristina Kramer, beim Börsenverein Stellvertretende Direktorin für europäische und internationale Angelegenheiten

Kristina Kramer: In besonders schöner Erinnerung habe ich den Ehrengast-Auftritt 2017. So nah waren wir uns schon lange nicht mehr. Selbst die Buchtage standen damals im Zeichen der deutsch-französischen Freundschaft, auch dank der engen Zusammenarbeit mit der Französischen Botschaft in Berlin.

Seitdem ist so viel passiert, vor allem aufgrund der Pandemie war in den letzten Monaten und Jahren wenig persönlicher Austausch möglich. Das muss sich wieder ändern und das wird sich ändern. Dafür wollen wir neue Orte und Möglichkeiten schaffen. Dieser Bedarf wird uns auch aus der Mitgliedschaft gespiegelt.

Einbahnstraße oder Autobahn: Wie ist es um das Lizenzgeschäft zwischen den beiden Nationen bestellt?

Kristina Kramer: Der Blick in die Branchenstatistik „Buch und Buchhandel in Zahlen“ und in das Pendant in Frankreich, „Les Chiffres de l’Edition“ zeigt, dass es auf beiden Seiten des Rheins eine rückläufige Entwicklung gibt.

  • In Deutschland werden 10,6 Prozent der Übersetzungen aus dem Französischen getätigt (62 Prozent aus dem Englischen, 10,8 Prozent aus dem Japanischen). Von dem festen zweiten Platz 2, den das Französische bei den Übersetzungen jahrelang eingenommen hatte, ging es 2021 erstmalig runter auf Platz 3.
  • In Frankreich wurden 2021 nur 4 Prozent der Übersetzungen aus dem Deutschen getätigt. Da teilt sich das Deutsche den dritten Platz mit dem Italienischen, Platz zwei nimmt Spanisch ein (19 Prozent) und Englisch ist mit 60 Prozent auf Platz 1.
  • Bei den Lizenzvergaben deutscher Verlage ins Ausland stand Frankreich 2017 noch auf Platz 4, 2021 tauchen die Nachbarn gar nicht mehr in der Top-10-Liste der wichtigsten Lizenzpartner auf.

Bei der Frankfurter Buchmesse beobachten wir diese rückläufige Entwicklung bei der Lizenzvergabe mit einer gewissen Sorge.

Niki Théron

Niki Théron: Bei der Frankfurter Buchmesse beobachten wir diese rückläufige Entwicklung bei der Lizenzvergabe mit einer gewissen Sorge. Auffällig ist die Tatsache, dass der Anteil französischsprachiger Titel auf dem deutschen Markt mehr als doppelt so hoch ist wie der Anteil deutschsprachiger Titel auf dem französischen Markt!

Sicherlich spielt es dabei eine Rolle, dass immer weniger französische Lektor:innen fließend Deutsch können. Aber wir versuchen, mit unseren deutsch-französischen Projekten dieser Entwicklung entgegenzuwirken und den länderübergreifenden Austausch zu fördern.

Aktuelle Teilnehmer:innen des Goldschmidt-Programms zu Gast bei der Frankfurter Verlagsanstalt

Aktuelle Teilnehmer:innen des Goldschmidt-Programms zu Gast bei der Frankfurter Verlagsanstalt

Wie kann man die französische und die deutsche Verlagsszene denn wieder enger zusammenführen?

Niki Théron: Wir tun das, in dem wir jährlich Literaturübersetzer:innen, Buchhändler:innen und Verlagsleute aus beiden Ländern zusammenbringen, weiterbilden und miteinander vernetzen. Bis Anfang April findet das Goldschmidt-Programm statt, das jungen Literaturübersetzer:innen aus Frankreich, Deutschland und der Schweiz mit Workshops, Seminaren und Verlagsbesuchen ein großartiges Sprungbrett anbietet.

Ab Ende März können sich junge Buchhändler:innen und Verlagsmitarbeiter:innen, die den deutschen und französischen Buchmarkt entdecken wollen, für das Paris-Frankfurt Fellowship bewerben. Und zum Jubiläum des Elysée-Vertrags laden wir ausgewählte belletristische Verlage aus beiden Ländern vom 5. bis 7. Juli einmalig zum kuratierten Networking Event „Salon Francfort ein. Bewerbungsschluss ist der 6. April.

Kristina Kramer: Für Buchhändler gibt es zudem ein sehr lohnenswertes Austauschprogramm über RISE Bookselling. Hier können deutsche BuchhändlerInnen Hospitanzen (nicht nur) in Frankreich machen – und umgekehrt (ein Börsenblatt-Bericht dazu hier). Es lohnt sich aber auch, die EU-Programme wie Erasmus+ anzuschauen. Auch da ergeben sich tolle Möglichkeiten für das Arbeiten im Ausland.

Und warum ist es für beide Seiten wichtig, sich zu vernetzen?

Niki Théron: Vor 30 Jahren drehte Wim Wenders seinen Film „In weiter Ferne, so nah!“. Ich finde, dieser Titel passt perfekt zu den deutsch-französischen Beziehungen. Wir sind einander so nah, was die Grundwerte angeht, dass wir meinen, alles übereinander zu wissen.

Gleichzeitig sind die kulturellen Unterschiede manchmal so groß, dass wir meinen, das andere Land, die andere Buchbranche wäre in weiter Ferne. Fest steht: Voneinander können wir so viel lernen! Und für deutsche und französische Verlage gibt es noch viele spannende Autor:innen aus dem Nachbarland zu entdecken.

Wir gucken uns Dinge beim Partner ab: der Kulturpass, wie er hier in Deutschland aufgesetzt wird, ist stark inspiriert von der französischen Erfolgsgeschichte.

Kristina Kramer

Kristina Kramer: Auch aus buchpolitscher Sicht ist die Zusammenarbeit und die Vernetzung mit den französischen Partnern absolut wichtig. Wir sind sehr dankbar für den guten Austausch mit unseren Kolleg:innen in den französischen Branchenverbänden. Unsere Buchmärkte haben ähnliche Rahmenbedingungen: Buchpreisbindung, reduzierte Mehrwertsteuersätze, Urheberrecht etc. Hier wie dort haben Bücher eine besondere Stellung, gelten als Güter der täglichen Grundversorgung – und das nicht nur zu Corona-Zeiten. Das ist ein großes Pfund.

Wir gucken uns Dinge beim Partner ab: der Kulturpass, wie er hier in Deutschland aufgesetzt wird, ist stark inspiriert von der französischen Erfolgsgeschichte. Die Preisbindung von E-Books hat Frankreich zuerst durchgesetzt, wir haben nachgezogen. In Frankreich hat sich wiederum der Verband den Vorlesewettbewerb zum Vorbild genommen: „Petits Champions de la Lecture“ gibt es nun seit 2012. Will sagen: Wir lernen voneinander, inspirieren uns gegenseitig. Das ist eben auch für die (kultur-) politische Arbeit für das Buch extrem wichtig.

Förderprogramme

Georges-Arthur-Goldschmidt-Programm

Das Programm ermöglicht zehn Nachwuchs-Übersetzer:innen aus Frankreich, Deutschland und der Schweiz das Kennenlernen von Verlagen in allen drei Ländern. Dabei arbeiten sie unter der Anleitung erfahrener Übersetzer:innen an eigenen Projekten. Das Stipendienprogramm wird gemeinsam mit dem Bureau International de l'Edition Française (BIEF) und Pro Helvetia organisiert, mit finanzieller Unterstützung vom Deutsch-Französischen Jugendwerk (DFJW). Mehr dazu hier.

Paris-Frankfurt-Fellowship

Seit 1998 bringt die Frankfurter Buchmesse im Rahmen des Frankfurt Fellowship Programms jährlich Verleger:innen, Lektor:innen, Lizenzverantwortliche und literarische Agent:innen aus der ganzen Welt zusammen.

Analog dazu hat es sich das Paris-Frankfurt-Fellowship zur Aufgabe gemacht, das Netzwerk junger deutscher, französischer und Schweizer Branchenmitglieder zu stärken.

Das Programm umfasst Studienaufenthalte in Deutschland und Paris und wird gemeinsam mit dem Bureau International de l'Edition Française (BIEF) und Pro Helvetia umgesetzt, mit finanzieller Unterstützung vom Deutsch-Französischen Jugendwerk (DFJW). Mehr dazu hier.

Arbeit beim Partner

Programm des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW) - für junge Menschen, die zwischen 18 und 30 Jahre alt sind, ihre Ausbildung oder ihr Studium abgeschlossen haben, sich für die Arbeit von Jugendverbänden interessieren und ein Jahr lang in Frankreich arbeiten und leben möchten. Details dazu hier.

Salon Francfort

So heißt ein Treffen für ausgewählte deutsche und französische Verlage im Haus des Buches in Frankfurt am Main vom 5. bis 7. Juli 2023. Deutsche Verlage können sich mit französischen Kolleginnen und Kollegen vernetzen und zeitgenössische deutschsprachige Titel präsentieren, die noch nicht ins Französische übersetzt wurden. Bewerbungsschluss für das kuratierte Programm ist am 6. April. Mehr dazu hier.

RISE Bookselling

„RISE“ steht für „Resilience, Innovation and Sustainability for the Enhancement of Bookselling“. Das Projekt des europäischen und internationalen Buchhandelsverbands EIBF soll die Widerstands- und Innovationskraft des Buchhandels stärken – in dem es Buchhandlungen dabei hilft, mit den technologischen Entwicklungen Schritt zu halten und vor allem: nachhaltig zu arbeiten.

Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt und läuft bis Dezember 2024. Gefördert wird es aus EU-Mitteln im Rahmen des Programms „Creative Europe“.

Herzstück ist ein interessantes, grenzüberschreitendes Austauschprogramm, das Buchhändler:innen Hospitanzen und damit internationale Vernetzung ermöglicht. Details dazu hier.

Am 19. und 20. März findet außerdem die erste RISE Bookselling Conference in Prag statt - eine internationale Tagung für den Buchhandel.