Sollte Scurati mundtot gemacht werden?
Marc Beise berichtet in der "Süddeutschen Zeitung" über einen Zensurversuch in Italien. Im Zentrum steht eine Rede des bekannten Autors und Mussolini-Biografen Antonio Scurati. Ein Lesetipp.
Marc Beise berichtet in der "Süddeutschen Zeitung" über einen Zensurversuch in Italien. Im Zentrum steht eine Rede des bekannten Autors und Mussolini-Biografen Antonio Scurati. Ein Lesetipp.
Ein kontroverser Vorfall erschüttert das politische Italien wenige Tage vor dem Nationalfeiertag zur Befreiung Italiens am 25. April. Der renommierte Schriftsteller und Experte für den Faschismus, Antonio Scurati, sollte in einer Sendung des öffentlich-rechtlichen Senders Rai 3 eine Rede halten. So weit, so normal. Doch sein Auftritt wurde kurzfristig aus dem Programm genommen. Kritiker sagen: Weil seine Rede den regierungsnahen Medienmanagern ein Dorn im Auge war. Moderatorin Serena Bortone entschied sich dennoch, Scuratis Text vorzutragen.
Scuratis Rede erinnert an Verbrechen des hausgemachten italienischen Faschismus unter Mussolini und wirft der Partei Fratelli d'Italia vor, die Geschichte zu verfälschen, die lieber die Befreiung Italiens von den (verbündeten) deutschen Faschisten in der Erinnerung verankern möchte. Der Text löst im ganzen Land Diskussionen aus und wird von Künstlern sowie Politikern aufgegriffen, darunter sogar Partei- und Regierungschef Giorgia Meloni, die sich – wie Beise herausarbeitet – normalerweise stoisch zurückhält in solchen Debatten.
Scurati hat mehr als 20 Bücher veröffentlicht und gilt als einer der meistgelesenen und einflussreichsten italienischen Autoren. Die Romanreihe "M" über Mussolini ist auch in deutschsprachiger Übersetzung erschienen (Klett-Cotta), für Herbst kündigt Cotta sein Werk "Faschismus und Populismus" als Taschenbuch-Ausgabe an.