"Internationaler Hermann-Hesse-Preis 2024"

Sofia Andruchowytsch und ihre Übersetzer ausgezeichnet

14. Mai 2024
von Börsenblatt

Die ukrainische Schriftstellerin Sofia Andruchowytsch und ihre Übersetzer Alexander Kratochvil und Maria Weissenböck erhalten den "Internationalen Hermann-Hesse-Preis" 2024. Sie werden für das "Amadoka-Epos" ausgezeichnet. Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert und zählt zu den renommiertesten deutschen Literaturpreisen.

Sofia Andruchowytsch

Das gab der Vorstand der Calwer Hermann-Hesse-Stiftung bekannt. Gewürdigt werde "eine schriftstellerische Leistung von internationalem Rang in Verbindung mit ihrer Übersetzung" – so heißt es im Statut. Mit dem Preis, der alle zwei Jahre von der Calwer Hermann-Hesse-Stiftung verliehen wird, soll einem literarischen Werk Anerkennung und Aufmerksamkeit verliehen werden, das dieses nach Auffassung der Jury verdient, aber noch nicht in entsprechender Weise erfahren hat. Der Preis wird am 2. Juli 2024, Hermann Hesses Geburtstag, in Calw verliehen.

Die Jury habe sich einstimmig für die Verleihung des Internationalen Hermann-Hesse-Preises an die Autorin Sofia Andruchowytsch und an ihren Übersetzer Alexander Kratochvil sowie ihre Übersetzerin Maria Weissenböck für "Die Geschichte von Romana" und "Die Geschichte von Uljana" entschieden. Beide Bände sind Teil des "Amadoka-Epos", dessen dritten Teil "Die Geschichte der Sofia" der Residenz Verlag im Oktober 2024 auf Deutsch vorlegen wird. Im ukrainischen Original ist der Roman in einem Band 2020 unter dem Titel "Amadoka" in Lwiw erschienen.

Andruchowytsch sei es gelungen, "auf formal vielfältige und beeindruckende Weise ein weitgespanntes Panorama der Ukraine des 20. Jahrhunderts zu entwerfen". Beide Bücher zeugen von der Sprachkraft, Erfindungsgabe und Ambition der 42-jährigen Autorin. Konkret geht es um "die traumatischen Phasen der Geschichte, die das kollektive Gedächtnis der Ukrainer:innen geprägt haben: den Krieg in der Ostukraine, den Holocaust und den Stalinismus."

Dem Übersetzer-Team Alexander Kratochvil und Maria Weissenböck gelinge es, das sehr differenzierte Sprachregister des "Amadoka-Epos" virtuos ins Deutsche zu übertragen. Die historischen Stimmen und Tonlagen aus 100 Jahren treffen sie ebenso wie die unterschiedlichen Erzählkonstruktionen, die lässig oder unzuverlässig sind, schlicht oder raffiniert, gebannt von den historischen Gräueln und stark in der Suche nach dem eigenen Glück. Sowohl Kratochvil als auch Weissenböck seien seit Jahren prominente Vermittler:innen ukrainischer Literatur für eine deutschsprachige Leserschaft.

Jury-Mitglieder waren Prof. Dr. Maria Ivanytska, Kateryna Mishchenko, Dr. Jörg Plath, Prof. Dr. Schamma Schahadat, Ulrike Almut Sandig,

Die deutsche Ausgabe des "Amadoka-Epos" in drei Bänden. Band 3, "Sofia", kommt im Herbst

"In umgekehrter Chronologie verfolgen wir anhand von drei Frauengenerationen, von Romana, Uljana und Sofia, die traumatischen Phasen der Geschichte, die das kollektive Gedächtnis der Ukrainer:innen geprägt haben: den Krieg in der Ostukraine, den Holocaust und den Stalinismus", heißt es in der Jury-Begründung. "Auf formal vielfältige und beindruckend komplexe Weise entwirft das 'Amadoka-Epos' ein weitgespanntes Panorama der Ukraine im 20. Jahrhundert." Die Archivarin Romana, die sich im ersten Teil des Romans zur allwissenden Erzählerin entwickelt, übernehme die Rolle der mehr oder weniger sichtbaren Erzählerin des gesamten Epos. Sofia Andruchowytsch schreibe sich auf eine hoch differenzierte Weise in den prominenten Erinnerungsdiskurs der ukrainischen Gegenwartsliteratur ein und zugleich kommen Fragen auf, die nicht nur in der ukrainischen Literatur verhandelt werden: Wie können wir über Schuld sprechen? Müssen wir uns erinnern oder sind wir glücklicher, wenn wir vergessen? Welche Versionen von Vergangenheit schaffen wir, um überleben zu können?

Das "Amadoka-Epos" sei nach "Der Papierjunge" (im ukrainischen Original "Felix Austria", 2014, dt. 2016), der Anfang des 19. Jahrhunderts in Galizien spielt, Sofia Andruchowytschs zweiter ins Deutsche übersetzter Roman. Beide Bücher zeugen von der Sprachkraft, Erfindungsgabe und Ambition der 42-jährigen Autorin. Damit knüpft Geschichte(n)erzählen an eine starke mitteleuropäische Erzähltradition an, wie man sie von meist männlichen Autoren kennt, dem Tschechen Milan Kundera etwa oder dem Slowenen Drago Jančar.