Börsenblatt-Webinar mit der IG Digital

Wie kann eine hybride Buchmesse aussehen?

23. Juni 2020
Redaktion Börsenblatt

Corona zwingt die Buchbranche zum Experimentieren. Das gilt seit dem ersten Lockdown-Tag im März. Am Wochenende ist nun die Erstausgabe der Buchmesse Saar in rein virtueller Form über die Bühne gegangen. Mit stolzer Resonanz.

Produzent Benjamin Kiehn konnte im Webinar "FBM 2020 – anpacken!", das von der IG Digital des Börsenvereins in Kooperation mit dem Börsenblatt angeboten wurde, beeindruckende Zahlen berichten. 180.000 Besucher auf den Digitalplattformen während der drei Messetage, 30 Live-Events, viele vorproduzierte Angebote, starke Interaktion der Besucher in Chats, in Bookstores. "Dort entsteht die eigentliche Wertschöpfung", sagt Kiehn, und diese Interaktion sei weniger flüchtig, als das bei rein physischen Messen der Fall sei. Denn Präsenzmessen sind beendet, wenn der Abbau beginnt. "Aber unsere Lesungen bleiben noch viel länger verfügbar."

Nun ist die Buchmesse Saar, verglichen mit dem Dickschiff der weltgrößten Buchmesse in Frankfurt, ein agiles kleines Schnellboot. Was lässt sich dennoch von den Saarländern mitnehmen für die Planungen des Oktober-Treffens am Main, das in diesem Jahr in einer Mischung aus Präsenz- und Digitalangeboten stattfinden wird?

Zum Beispiel die Faustregel, dass über Erfolg und Misserfolg das Engagement und die Innovationsfreude des einzelnen Verlagsauftritts mit entscheiden wird. Die Verlagsgruppe Oetinger hat diese Herausforderung bereits angenommen. Marketing-Geschäftsführer Thilo Schmid führte den Webinarteilnehmer*innen den aktuellen Stand seines digitalen Messestands vor.

Die Zukunft der Messen ist digilog

Thilo Schmid, Oetinger

Der soll so manches gleichzeitig leisten: einladen zur virtuellen Visite, zum datensicheren kollegialen Austausch, zum Schnuppern in der präsentierten Bücherware, zu einem emotional starken Messebesuch. Eine Baustelle noch, ein komplett "agiler Prozess", wie Schmid betonte, und dennoch konnte man bereits den Eindruck gewinnen, wie es im Herbst am Oetinger-Stand zugehen könnte – faszinierend. Auf die Frage nach den Standkosten lautete die Antwort so knapp wie überzeugend: "Rund zehn Prozent meiner Messekosten sonst." Schmid hat keine Zweifel: "Die Zukunft der Messen ist digilog."

Von Benjamin Kiehn gab es volle Zustimmung: "Wir müssen und werden uns an diese Hybrid-Messeformate gewöhnen. Und wir sollten schnell damit aufhören, in Kategorien von Entweder-Oder zu denken." Die Macher der Frankfurter Buchmesse (FBM) sind den Schritt hin zu einem Sowohl-als-auch ebenfalls bereits gegangen. Hendrik Hellige (siehe Foto unten), bei der FBM für Business Development mit dem Schwerpunkt Childrenbooks und Visual Art zuständig, erläuterte die bisherigen Planungen. Für die Besucher werde es „viele Übergänge und Absprungmöglichkeiten von den Plattformen der Messe in zu den Angeboten der einzelnen Aussteller geben“. Auch mit zahlreichen dezentralen, physischen Angeboten landesweit werde „die Solidarität der gesamten Buchbranche“ für die Öffentlichkeit erlebbar gemacht.

Hellige wies aber auch auf einen wichtigen Unterschied zwischen Frankfurt und der Buchmesse Saar hin: „Bei 7000 Ständen wird es der einzelne digitale Stand eines Ausstellers schwerer haben als bisher der physische.“

In einer Umfrage unter den Webinarteilnehmern traten zwei Ergebnisse zutage, die nicht recht zusammenpassen: 82 Prozent aller Antwortgeber glauben, die FBM werde der „Motor für eine nachhaltige (Teil-)Digitalisierung der wichtigsten Branchenevents sein“. Andererseits wartet, Stand heute, eine Mehrheit von knapp 60 Prozent noch auf die digitalen Angebote der FBM, ohne bisher selbst aktiv geworden zu sein. „Warten ist aber wahrscheinlich nicht mehr die beste Option“, gab Roland Große Holtforth aus dem Sprecherkreis der IG Digital zu bedenken. Bis Mitte Oktober in Frankfurt und im Internet sind es noch etwa 16 Wochen, Sommerferien inklusive.