Lesetipp: "Zeit"-Interview mit Oliver Zille

"Es gab immer weniger Freiheiten"

21. März 2024
Redaktion Börsenblatt

Oliver Zille, der langjährige Direktor der Leipziger Buchmesse, erklärt in einem Interview mit der "Zeit", warum er im vergangenen Jahr seinen Posten aufgegeben hat und wie es seiner Ansicht nach um die Zukunft der Buchmesse steht. 

Oliver Zille

Das Interview unter dem Titel "Ich bin erschöpft vom ständigen Kämpfen" (bei Zeit Online hinter der Zahlschranke), das August Modersohn mit Oliver Zille führte, ist in der "Zeit" vom 20. März erschienen. Dabei geht es um seine erste Buchmesse 1992, wo er vom damaligen Oberbürgermeister "zusammengefaltet" wurde, um die Absage der Buchmesse 2022 – und warum er, der drei Jahrzehnte lang die Leipziger Buchmesse geprägt hat, im vergangenen Jahr seinen Posten als Messedirektor aufgegeben hat. 

Im Interview nennt Oliver Zille Gründe auf mehreren Ebenen:

  • "Erst einmal: Ich bin erschöpft vom ständigen Kämpfen, zunehmend gegen Windmühlen", so Zille. Als Messedirektor blicke man immer auf die nächste Messe. Irgendwann komme man an eine Grenze. Wenn die Familie zu Hause frage, warum man so gereizt sei, denke man sich irgendwann: "Bin ich eigentlich noch der Mensch, der ich sein will?"
  • Seit einigen Jahren habe es internen Dissens über die Frage gegeben, welche Prioritäten der Leipziger Buchmesse innerhalb der Leipziger Messe GmbH eingeräumt werden. Die Buchmesse habe ein riesiges Netzwerk von Partnern und Freunden im In- und Ausland. "Aber um das fortzuentwickeln, braucht es deutlich mehr Freiheiten, und die gab es immer weniger". Die Buchmesse sei nicht nur eine Messe, sondern zugleich Literaturfest und noch viel mehr. 
  • Die Messe sei ein Lesefest, lebe vom Publikum – auch von dem, das die Stadt während der Messe mit Leben füllt. "In der GmbH ist die Gewichtung letztlich aber eine andere: Die Buchmesse ist eine sogenannte Cashcow." 
  • Zudem habe es Dissens um die tarifliche Einordung seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegeben, so Zille: "Auch das spielte eine Rolle für meine Entscheidung, jetzt zu gehen." 
  • Die Erwartungshaltung von außen an die Buchmesse sei von Jahr zu Jahr gestiegen. "Das war im festgesetzten Rahmen und mit der gegebenen Personalstärke aber immer schwerer auszufüllen." Ein weiter so, hätte nicht nur ihn selbst, sondern auch die Mitarbeiter und das eigene Werk ruiniert.

Die Zukunft der Buchmesse sieht Zille, auch wenn der Buchmarkt stark unter Druck stehe, durchaus positiv. Wichtige Themen mit Zukunftspotenzial hätten sich erst einmal gut etabliert: Leseförderung, Medienbildung, Demokratiebildung. Die Messe werde weiterhin Ort der gesellschaftlichen Debatte über Zukunftsfragen. Aber er betont am Ende noch einmal: "Ansonsten ist und bleibt das größte Pfund der Buchmesse neben ihren Kunden und Partnern die Mannschaft. Und die braucht vor allem Freiheit, im Handlungsspielraum und im Denken."