In der offiziellen Delegation des Ehrengasts Italien sind zwar über 100 Autorinnen und Autoren vertreten, aber in der anschließenden Fragerunde wurde, fast schon üblich bei solchen Listen, der eine oder andere Name vermisst. "Wir haben einfach eine Auswahl getroffen", antwortete Mauro Mazza. Aus Leuten, die wollten und konnten. Das sei eine Diskussion, ergänzte Juergen Boos, die man jedes Jahr habe. Es gebe etwa Autorinnen und Autoren, die aus gesundheitlichen Gründen nicht kommen können oder solche, die kein aktuelles Buch geschrieben haben. Und er wies darauf hin, dass auch deutsche Verlage auf eigene Faust ihre italienischen Autorinnen und Autoren einladen.
Als Beispiel für einen Autor, der die offizielle Einladung nicht angenommen habe, nannte Mazza Antonio Scurati, den Autor einer Romantetralogie über Benito Mussolini. Aber ganz so einfach ist die Sache nicht. Scurati war kürzlich vom nationalen, italienischen TV-Sender RAI, wo er eine Rede halten sollte, nach Einsendung seines Texts ausgeladen worden. Er wird aber dennoch auf der Frankfurter Buchmesse sein, wie sein deutscher Verlag Klett-Cotta am Vormittag der Pressekonferenz meldete (28. Mai). "Auf unsere Einladung hat er glücklicherweise positiv reagiert", schreibt der Stuttgarter Verlag. "Er wird auf verschiedenen Bühnen auf der Messe und in der Innenstadt sitzen und über seine Bücher sprechen."
Auch Roberto Saviano fehlt in der offiziellen Delegation. Er sei nicht eingeladen worden, erklärte Mazza. Juergen Boos wusste hier, dass sein deutscher Verlag Saviano nach Frankfurt holen wird. In einem Interview mit "La Stampa" (29. Mai) sagte Saviano: "Ich bin stolz darauf, nicht von der, wie ich finde, ignorantesten Regierung in der italienischen Geschichte eingeladen worden zu sein. Je mehr sie zensieren und blockieren, desto mehr verschafft sich die Kultur- und Zivilgesellschaft Gehör und stellt sich auf die andere Seite der Strafmaßnahmen und Racheaktionen." Eine nachträgliche Einladung in die offizielle Delegation hat Saviano laut Medienberichten vom 31. Mai abgelehnt. Der italienische Kulturbetrieb hatte den Zuständigen in Rom vorgeworfen, heißt es weiter, nicht genehme und regierungskritische Stimmen von der offiziellen Delegation auszuschließen.
Der italienische Verlegerverband AIE sah sich offenbar durch die öffentliche Debatte in Italien veranlasst, einen Tag nach der Pressekonferenz in einem eigenen Statement (29. Mai) zu erklären, dass die Auswahl der offiziellen Delegation in einem "fruchtbaren Dialog" mit Verlagen und Literaturagenten getroffen worden sei. Und natürlich fehlten einige Namen. Der Verband betont aber: "Die AIE hätte niemals eine Einmischung von außen in den Willen der Verleger zugelassen und wird dies auch niemals tun."
Update, 31. Mai:
Aufgrund der Nicht-Einladung von Saviano haben einige der 100 Autor:innen laut italienischer Medien ihre Teilnahme an der offiziellen Delegation offenbar inzwischen in Frage gestellt. Darauf reagiert die AIE am 31. Mai mit einem weiteren Statement: "Die Buchmesse ist der richtige Ort, um die unterschiedlichen Meinungen zu äußern. Ich lade die am Programm beteiligten Autoren ein, anwesend zu sein, zur Internationalen Buchmesse nach Frankfurt zu kommen und genau das im Rahmen des Programms im Italienischen Pavillon anlässlich des Ehrengastes Italien in Frankfurt 2024 zu tun", so AIE-Präsident Innocenzo Cipolletta am Rande des Internationalen Wirtschaftsfestivals in Turin. "Es ist offensichtlich, dass es ein Problem gegeben hat und dass man versucht hat, es erneut zu lösen", fuhr er fort. "Frankfurt ist eine große Chance für uns, für unsere Verlagsbranche, für unsere Autoren. Ich möchte Sie wirklich bitten, diese schöne Gelegenheit nicht zu verpassen. Jeder wird sich natürlich selbstverständlich völlig frei äußern können. Aber dort, vor Ort. Eine Zersplitterung unserer Kräfte würde nur dazu dienen, unser Verlagswesen und unsere gemeinsame Stimme zu schwächen."
Wie viel Raum soll regierungskritischen Stimmen denn beim Gastland-Auftritt eingeräumt werden, lautete auch eine Frage bei der Pressekonferenz im Literaturhaus Frankfurt. Mit dem Konzept der Agora sei sichergestellt, so Juergen Boos, das es Reibung geben werde. Und Mazza fügte dort an: "Ich kann ihnen versichern, dass sie sich nicht langweilen werden."