Hunderte Wörter in mindestens zehn Büchern seien verändert worden, könne man der empörten Presse entnehmen, berichtet Hörnlein. Sie fügt noch einmal an, dass Rick Behari, Sprecher der Roald Dahl Story Company, die die Rechte vermarktet, verlauten ließ, es sei absolut üblich, Bücher, die vor Jahrzehnten geschrieben wurden, zu modernisieren – auch die Sprache. Das geschehe meist stillschweigend, so Hörnlein. Aber im Falle Dahl hätten Medienberichte die Empörungswelle ins Rollen gebracht. Dass die Debatte im angelsächsischen Raum ein solcher Aufreger sei, überrasche wenig, denn Roald Dahl sei dort ein Kinderbuchstar.
Auch in Deutschland gebe es einen Aufschrei-Reflex, wenn in Kinderbuch-Klassikern wie Pippi Langstrumpf der "Negerkönig" in einen "Südseekönig" verwandelt wird oder ein Buch zu einem neuen Winnetou-Film vom Markt genommen werde. Im Falle von Dahl hätte aber eine "bemerkenswerte Verschiebung" stattgefunden, so Hörnlein: Die neuen deutschen Dahl-Übersetzungen seien sogar näher an die Originale gerückt. Penguin Random House Deutschland hatte die Rechte an den Dahl-Büchern 2021 gekauft und ebenfalls im vergangenen Herbst Neuausgaben in den Handel gebracht, eng abgestimmt mit den Kollegen in Großbritannien. Die deutschen Texte der neun neu erschienenen Bücher wurden frisch übersetzt – von Andreas Steinhöfel und Sabine Ludwig (unterstützt durch ihre Tochter Emma).
Für Steinhöfel, der ein großer Dahl-Fan ist, sei es eine Bedingung gewesen, Freiheit bei der Übersetzung zu haben. "Ich fürchtete um die schönen Schimpfwörter und darum, 'Fräuleins' in 'Frauen' verwandeln zu müssen", erklärte Steinhöfel gegenüber der "Zeit". Gearbeitet habe er mit Texten älteren Datums, in denen der englische Verlag noch nicht "herumgepfuscht" hatte, wie er es ausdrücke. Auch Sabine Ludwig sei dem Verlag dankbar, dass sie beim Übersetzen nicht "gegängelt" wurde. Sie erinnere sich nur an eine Diskussion über die "Fettwülste" des Augustus Gier, die dann bleiben durften. Es hätte nie zur Debatte gestanden, ob etwas "zu krass sein könnte oder nicht". Die englischen Neuausgaben halte Ludwig für "Mogelpackungen – Roald Dahl steht drauf, ist aber nicht mehr drin". Erstaunlich sei, resümiert Hörnlein, dass der Modernisierungswunsch beim deutschen Random-House-Ableger komplett anders ausgelegt werden konnte.