Gemeinsam auf den Buchhandlungspreis verzichten
Wie wäre es, wenn der Buchhandel in diesem Jahr zugunsten der Ukraine auf den Buchhandlungspreis verzichten würde? Ulrich Dombrowsky, Inhaber der Buchhandlung Dombrowsky in Regensburg, hat eine Idee.
Wie wäre es, wenn der Buchhandel in diesem Jahr zugunsten der Ukraine auf den Buchhandlungspreis verzichten würde? Ulrich Dombrowsky, Inhaber der Buchhandlung Dombrowsky in Regensburg, hat eine Idee.
In diesen Tagen, während der Krieg Russlands gegen die Ukraine einen Monat alt wird, geht mir immer mal wieder meine Anhörung vor der Kommission durch den Sinn, vor der ich in den 70er Jahren begründen musste, warum ich mich zu einem Dienst an der Waffe im Auftrag der Bundeswehr nicht in der Lage sah. Auch ich sah mich der klassischen Fangfrage ausgesetzt: »Stellen Sie sich vor, Sie gehen im Dunkeln mit Ihrer Freundin durch einen Park. Plötzlich werden Sie von mehreren Männern überfallen, die Ihrer Freundin etwas antun wollen. Sie haben eine Waffe dabei. Was tun Sie?«
Warum muss ich an diese Situation denken? Wegen der Hilflosigkeit, in der wir Westler:innen momentan stecken. Täglich erscheint der ukrainische Präsident auf einer anderen Videowand in einem der Nato-Länder und klagt deren militärische Unterstützung ein. Da er weiß, dass die Nato nicht in den Krieg eingreifen wird, ist sein Kalkül ein anderes: Er will uns vor Augen halten, wie hilflos, wie machtlos wir sind, wie viel Wert wir darauf legen, uns eben nicht einzumischen – zumindest nicht in die militärische Auseinandersetzung. Und stürzt uns damit in Gewissenskonflikte.
Er erreicht damit eine ganze Menge: Die Sanktionen legen Russland zunehmend wirtschaftlich lahm, die Waffenlieferungen unterstützen seine Armee nicht unwesentlich im heldenhaften Straßen- und Häuserkampf, die Anrainerstaaten denken über Friedensmissionen nach (lauter Aktionen übrigens, die die russische Führung durchaus als Einmischung in den Krieg verstehen wird).
Uns Bürger:innen der Bundesrepublik Deutschland bleiben Hilfeleistungen für Flüchtende, Spendenzahlungen für medizinische und humanitäre Hilfe vor Ort und Anti-Kriegs-Demonstrationen auf den Straßen und Plätzen unserer Städte –eine pazifistische Haltung also, aber eine, die uns ohnmächtig zurücklässt.
Sollten wir in diesen Zeiten nicht das Preisgeld für den Buchhandlungspreis gemeinsam spenden?
Ulrich Dombrowsky
Viele Buchhandelskolleg:innen werden in diesem Frühjahr wieder eine Bewerbung für den Deutschen Buchhandlungspreis einreichen. Das für diese Auszeichnung ausgelobte Preisgeld ist für viele von uns inzwischen zu einer willkommenen und unverzichtbaren, aber nicht selbstverständlichen Sonderleistung des Bundes für unsere unterschiedlichen Formen kultureller Arbeit geworden. Beteiligen können sich die Buchhandlungen, die jährlich nicht über die Eine-Million-Umsatzgrenze kommen, also die Buchhandlungen, die laut Berichterstattung und eigener Auskünfte am besten durch die Pandemie gekommen sind.
Ich möchte mich heute mit folgendem Vorschlag an Sie, liebe Kolleg:innen, wenden: Sollten wir in diesem Jahr nicht auf unser Preisgeld verzichten und es zum Beispiel komplett in einen noch zu gründenden Topf von Kulturstaatsministerin Claudia Roth spenden, mit dem sie Buchhandlungen in der Ukraine nach einem hoffentlich baldigen Kriegsende unterstützen könnte?
Natürlich: Wir könnten das jeder / jedem Einzelnen von uns überlassen. Der Nachteil wäre, dass jede:r von uns möglicherweise nur den Teil spenden würde, der nach Abzug der Einkommensteuer übrig bleibt. Wenn wir das Geld gar nicht erst annehmen, sondern im Vorfeld das Kulturstaatsministerium um eine Umwidmung bitten, können wir darauf hoffen, dass die Summe von einer Million Euro komplett in den Topf für die Unterstützung der ukrainischen Buchhandlungen geht. In jedem Falle müsste unser Ziel sein, dass es nicht um Einzelaktionen geht, sondern dass Deutschlands Buchhandlungen zusammenstehen und den gesamten Etat, den das Kulturstaatsministerium für uns in diesem Jahr wieder zur Verfügung stellt, spenden wollen. Was meinen Sie?