Winnetou-Titel: "Zu oft fehlt die inhaltliche Grundlage"
Was meinen Buchhändler:innen zur Entscheidung von Ravensburger, die Titel zum Kinofilm "Der junge Häuptling Winnetou" aus dem Programm zu nehmen? Der Versuch einer Umfrage.
Was meinen Buchhändler:innen zur Entscheidung von Ravensburger, die Titel zum Kinofilm "Der junge Häuptling Winnetou" aus dem Programm zu nehmen? Der Versuch einer Umfrage.
Viele der bei dieser Kurzumfrage angerufenen Buchhändler:innen wollten sich zum Thema nicht namentlich äußern – zum einem, weil sie sich nach eigenem Bekunden inhaltlich noch nicht ausreichend damit auseinandergesetzt hatten, zum anderen, weil sie das zunehmend weiterreichende Thema der Political Correctness auch an ihre Grenzen bringe, wenn es zum Beispiel darum geht, bestimmte Titel zu bestellen. Dazu kommt nach Aussage der Buchhändler:innen eine allgemeine Angespanntheit in einer Zeit, "wo Bücher für manche Menschen zu Luxusartikeln werden" und aktuelle Themen wie der Shitstorm gegen die Bücher zum Winnetou-Film die Kaufmüdigkeit weiter antrieben.
Hier eine Auswahl von Stimmen zur Entscheidung von Ravensburger, die Titel zum Kinofilm "Der junge Häuptling Winnetou" zurückzuziehen::
"Wir haben vom 'Jungen Häuptling Winnetou' bei Ravensburger keine Titel geordert. Man muss nicht alles ausschlachten. Die Filme und Bücher der Figur von Karl May hatten ihre Zeit, da wurde viel gelesen und geschaut. Doch diese Bücher sind ein Thema ihrer Zeit und waren damals schon kritisch zu betrachten. So etwas muss man jetzt durch einen Film und die dazugehörigen Buchtitel nicht wieder aufleben lassen."
"Da uns der Ravensburger Buchverlag inzwischen zu viele Titel im Mainstream anbietet, was nicht zu unserem ausgewählten Sortiment als Kinderbuchhandlung passt, haben wir das Buch zum Film nicht bestellt. Ich finde es aber nicht in Ordnung, dass ein Verlag vor einem Mob in Internet einknickt und so ein Mob bestimmen kann, was im Buchregal steht. Ich habe als Kind viel Karl May gelesen. Das sind Abenteuerromane, die etwas aus der Zeit gefallen sind, die aber auch ein Teil der deutschen Literatur sind. 'Der junge Häuptling Winnetou' war ein Versuch, das Thema neu aufzugreifen. Dass man damit jetzt so umgeht, finde ich nicht in Ordnung."
"Für uns als Buchhandlung waren diese Titel nicht relevant, da sie nicht zu unserer inhaltlichen Ausrichtung passen. Grundsätzlich würde ich von Ravensburger aber gerne die genaue Begründung hören, warum man jetzt die Bücher zum Film zurückzieht und damit einen offensichtlichen Fehlgriff eingesteht. Bei solchen Diskussionen fehlt mir zu oft die inhaltliche Grundlage und das Wissen zur Thematik. So ein Thema erfordert eine sehr differenzierte und fundierte Diskussion, auch um die Meinungsfreiheit nicht in Gefahr zu bringen."
"Ich finde es schon eigenartig, dass nach einer Internetaktion ein Verlag so schnell einknickt und seine Bücher zurückzieht. Das ist nur schwer nachvollziehbar. Natürlich ist Rassismus ein sensibles Thema. Aber wenn Eingriffe in die Literatur verlangt werden, wie zum Beispiel bei Lindgrens 'Pippi Langstrumpf', ist das eher kritisch zu sehen. Man muss diese natürlich in einen aktuellen, kritischen Kontext stellen, aber einzelne Stellen bzw. Begrifflichkeiten zu streichen oder Ähnliches finde ich problematisch."
Eisenbahn"
Keine Ahnung warum man das Themenfeld nicht von Beginn heute 60 Jahre später überlegter anging. Der Ravensburger Verlag ist doch vor allem für seine Gesellschaftsspiele bekannt. Jedenfalls finde ich es gut, dass man sich nicht alles kulturell aneignen kann und kommerziell verarbeiten. Geld verdienen braucht auch seine Grenzen. Wir haben dazu gelernt und Rassismus ist weiterhin keine Meinungsäußerung, von daher ist die freie Meinung als Grundrecht auch nicht in Gefahr, wenn man indigene Menschen nicht mehr beleidigen darf.
Scheiße bleibt Scheiße, auch wenn die Mehrheit es toll findet. Und mal ehrlich: Schon Karl May war übel. Es wirft nicht wirklich ein gutes Licht auf die Deutschen, dass sie die Bücher von Karl May so toll fanden. Es passt aber gut. Da immer noch über 20 Prozent der Deutschen rassistisch motiviert sind und der Antisemitismus in diesem Land auch nicht ausstirbt. Ich frage mich ehrlich, bei all dem Geraunze über den positiven Schritt des Ravensburg-Verlags, was ist da los? Eine extreme reaktionäre Mehrheit scheint sich da aufzuregen. Sorry. Da gruselt es mich zunehmend und ich fürchte mich immer mehr vor so einer kleingeistigen Zukunft. Denn tatsächlich war der Schritt vom Ravensburgverlag eine große Geste. Und bedenkt man das Sündenregister des weißen Mannes, eine längst überfällige Geste. 80.000 Neuerscheinungen pro Jahr, Gott, da gibt es wahrlich genug zu lesen und auch genug Schrott. Während viel großartige Literaturen keinen Verlag finden.