Mariam En Nazer zur Entwaldungsverordnung

"Unserer Branche muss ausreichend Zeit eingeräumt werden"

5. August 2024
Christina Schulte

Die Entwaldungsverordnung stellt Unternehmen vor große Herausforderungen – gerade in der Buchbranche. Der Börsenverein setzt sich für einen Aufschub und die Entschärfung der Richtlinie ein. Im Interview erläutert Mariam En Nazer, bei der Penguin Random House Verlagsgruppe Production and Sustainability Managerin und eine der Sprecher:innen der IG Nachhaltigkeit, die Hintergründe.

Mariam En Nazer, IG Nachhaltigkeit beim Börsenverein

Mitte März hatten Spitzenverbände, darunter auch der Börsenverein, die Politik zur Entschärfung der Entwaldungsverordnung (EUDR) aufgefordert. Wie ist der Stand der Dinge?

Ende Juni fand ein konstruktives Gespräch im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit dem Parlamentarischen Staatssekretär Michael Kellner statt. Daran habe ich mit Dan Gloe aus dem Berliner Büro des Börsenvereins sowie Vertreter:innen der anderen Spitzenverbände teilgenommen und unsere Kernforderungen eingebracht. Zu unseren wesentlichen Forderungen gehören ein Aufschub des Inkrafttretens der EUDR, eine Entschärfung der Sorgfaltspflichten und eine mögliche Verschiebung der Sanktionen. Es wurde betont, dass die praktische Anwendung der Verordnung komplex ist und mehr Unterstützung für Unternehmen notwendig ist. Allerdings darf und kann man nicht erwarten, dass ein einzelnes Gespräch zu einer sofortigen Klärung führt. Vielmehr ist hier ein langer Atem gefragt und die Bereitschaft, kontinuierlich an Lösungen zu arbeiten.

Welches sind die Schmerzpunkte, die Ihren Kolleginnen und Kollegen besonders zu schaffen machen?

Die Mitglieder des Börsenvereins stehen vor mehreren Herausforderungen durch die EUDR. Die Rückverfolgbarkeit von Papier und Druckerzeugnissen entlang der gesamten Wertschöpfungskette ist komplex und aufwendig. Besonders kleinere Verlage kämpfen mit den umfangreichen bürokratischen Anforderungen. Hinzu kommt die Unsicherheit, ob alle Lieferanten die neuen Standards erfüllen können. Auch die zusätzlichen Kosten, die durch die neuen Anforderungen entstehen, belasten viele Unternehmen. Darüber hinaus sind technologische und organisatorische Prozesse notwendig, die entlang der eigenen Lieferkette entwickelt werden müssen. Die Erfüllung aller Vorgaben der EUDR ist enorm schwierig, wenn man bedenkt, wie wenig Zeit uns bis zur Umsetzung noch bleibt. Aber es herrscht auch ein klarer Konsens: Der Schutz der globalen Wälder wird uneingeschränkt unterstützt. Gleichzeitig muss unserer Branche ausreichend Zeit für die nachhaltige Umstrukturierung der Ablaufprozesse eingeräumt werden.

Was tut der Börsenverein, um seine Mitglieder bei der Umsetzung der Verordnung zu unterstützen?

Der Börsenverein hat im April eine Handreichung zur EUDR in deutscher und englischer Sprache veröffentlicht, die den Mitgliedern als Orientierungshilfe dient. Zudem wurde eine Taskforce zur EU-Entwaldungsverordnung ins Leben gerufen, um den Sachverstand von Verlagen, Zwischenbuchhandel und Sortiment abzurufen. Hier werden neueste Erkenntnisse und Umsetzungskonzepte diskutiert, die dann wieder in die IG Nachhaltigkeit zurückgespielt werden sollen. Trotz schleppender Informationsflüsse von der EU-Kommission arbeitet der Börsenverein intensiv daran, die Mitglieder bestmöglich zu unterstützen. Wir erwarten zeitnah die angekündigten Leitlinien und erweiterten FAQs der EU-Kommission, die für die Prozessgestaltung wesentlich sind. Momentan müssen wir uns hier noch in Geduld üben, wohlwissend, dass es für unsere Mitglieder als auch für die Branche insgesamt sehr unbefriedigend ist.

Einen kleinen Lichtblick gibt es zumindest. Die EU-Kommission hat inzwischen die Schnittstellenbeschreibung zum EU-Informationssystem veröffentlicht, sodass man sich mit der technischen Implementierung auseinander setzen kann. Ab August 2024 will die Europäische Kommission Schulungen zur Nutzung des Informationssystems anbieten.

Was sind die nächsten Schritte des Verbands?

In enger Zusammenarbeit mit den politischen Referent:innen unseres Berliner Büros treiben wir die Gespräche mit den Vertretern der Politik aktiv voran. Zusätzlich nehmen wir regelmäßig am nationalen Stakeholderdialog des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft teil und tauschen uns mit anderen Spitzenverbänden aus. Unser Ziel ist es, gemeinschaftliche Lösungen zu entwickeln und den bürokratischen Aufwand für unsere Mitglieder so gering wie möglich zu halten. Die EUDR ist keine statische Regulierung, sondern wird im Laufe der Jahre immer wieder überprüft und angepasst werden. Da ist es von großem Vorteil, sich breit aufzustellen, kollaborativ zusammenzuarbeiten und mit einer Stimme zu sprechen.