Konditionen-Umfrage: Interview mit Justiziar Christian Sprang

"Gesetzeswidrige Rabatt-Schere ist noch nicht geschlossen"

22. März 2023
Redaktion Börsenblatt

Darauf hat die Branche mit Spannung gewartet: Der Börsenverein hat die Umfrage zum Konditionengefüge ausgewertet und heute veröffentlicht. Warum konkrete Zahlen dabei tabu sind und was der Verband gegen Wissenslücken der Markteilnehmer tun will: Antworten von Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang.

Mit der Auswertung liegen Daten in einer Qualität, Repräsentativität und Tiefe vor, über die in der deutschen Buchbranche noch nie jemand verfügt hat.

Christian Sprang, Börsenvereinsjustiziar

Auf die Ergebnisse der Umfrage hat die Branche lange gewartet. Was ergab die Befragung im Wesentlichen?

Zunächst liegen mit der Auswertung der großen Befragungen Daten in einer Qualität, Repräsentativität und Tiefe vor, über die in der deutschen Buchbranche noch nie jemand verfügt hat. Es stimmt uns zuversichtlich, dass die Umfrage klar ergeben hat, dass sich das Konditionengefüge in der Branche zurück in Richtung Rechtmäßigkeit entwickelt.

Gleichzeitig besteht eindeutig weiterhin Handlungsbedarf: Etlichen Branchenteilnehmer:innen sind die gesetzlichen Vorgaben noch nicht ausreichend bekannt. Und die gesetzeswidrige Rabatt-Schere ist noch nicht geschlossen.

Wir haben strikt darauf geachtet, dass kein Marktteilnehmer – nicht einmal unsere Vorsteherin - diesen Teil der Ergebnisse zu sehen bekommen hat.

Christian Sprang, Börsenvereinsjustiziar

Warum können Sie keine konkreten Zahlen zur Rabatt-Entwicklung nennen?

Das verbieten die Regeln des Kartellrechts. Denn mit den Befragungen haben wir detaillierte Informationen erhalten, welche Rabatte und Konditionen zwischen Buchhandel, Barsortimenten und Verlagen vereinbart werden und wie sich diese innerhalb der letzten zwei Jahre verändert haben.

Die Vereinbarung solcher Vertragsbestandteile unterliegt aber in unserer Marktwirtschaft einem strikten Geheimwettbewerb. Würden wir die von uns erhobenen Zahlen veröffentlichen, wüssten die Marktteilnehmer, zu welchen Bedingungen ihre Wettbewerber – zumindest im Durchschnitt – ihre Waren einkaufen oder verkaufen, und würden sich daran orientieren.

Das würde im Markt zu abgestimmtem Verhalten führen – und dazu, dass der Börsenverein und seine Mitgliedsunternehmen mit hohen kartellrechtlichen Bußgeldern rechnen müssten.

Deswegen haben wir strikt darauf geachtet, dass kein Marktteilnehmer – nicht einmal unsere Vorsteherin - diesen Teil der Ergebnisse zu sehen bekommen hat. Und da der Schwerpunkt der Studie in diesem Bereich lag, können wir über die Ergebnisse unserer Befragungen leider zu wesentlichen Teilen keine oder nur stark abstrahierte Aussagen treffen.

Sind die Ergebnisse denn repräsentativ, wenn zum Beispiel Amazon als Nicht-Mitglied nicht teilnehmen konnte?

Mit unserer Befragung haben wir uns an den Buchhandel und die Verlage gewendet. Wir können an den Ergebnissen sehen, dass sich die Aussagen der Beteiligten zu den meisten Fragen in der Sache im Wesentlichen decken.

Wenn Verlage zum Beispiel angeben, dass sie ihre Barsortimentsrabatte erhöht oder im Gefüge mit Direktbelieferungsbedingungen verbessert haben, dann korreliert das mit den Angaben des Sortiments, das seine Barsortimentskonditionen als auskömmlicher und das Konditionenverhalten der Verlage als gesetzeskonformer empfindet.

Die Auskünfte der Verlage haben insofern auch in denjenigen Marktbereichen einen erheblichen Aussagewert, in denen uns – wie beim marktstarken Online- oder dem bundesweiten Filial-Buchhandel – keine Antworten von Handelsseite vorliegen.

Das Funktionieren der Buchpreisbindung hängt in erster Linie davon ab, dass alle Marktteilnehmer sich an die geltenden Regeln halten.

Christian Sprang, Börsenvereinsjustiziar

Kann sich die Branche zurücklehnen? Oder was können und sollen Verlage, Buchhandel und Zwischenbuchhandel weiter tun?

Der Vorstand hat ganz bewusst noch einmal an alle Marktbeteiligten appelliert, bei ihrem Handeln die gesetzlichen Vorgaben im Blick zu behalten. Bei der Aushandlung einzelner Konditionen sollten sich die Branchenakteure immer auch ihre Verantwortung für die Einhaltung des Buchpreisbindungsgesetzes vor Augen halten.

Das Funktionieren der Buchpreisbindung hängt in erster Linie davon ab, dass alle Marktteilnehmer sich an die geltenden Regeln halten. Und wir dürfen alle nicht vergessen, dass die Preisbindung der Garant für unsere vielfältige und starke Buchbranche ist.

Wie geht es jetzt weiter? Werden Sie mit den Ergebnissen zur Politik gehen?

Der Vorstand hat sich eingehend mit den Ergebnissen der Umfragen beschäftigt und am Ende einer intensiven Diskussion über die Studie keine Veranlassung gesehen, zum jetzigen Zeitpunkt gesetzgeberische Aktivitäten im Bereich von § 6 BuchPrG anzustoßen.

Er hält das Thema aber unverändert für so wichtig, dass er es weiter sehr eng verfolgen wird. Dazu hat er konkrete Beschlüsse gefasst. Zu diesen gehört unter anderem, dass er das Hauptamt des Verbandes beauftragt hat, den auf Arbeitsebene in den Bundesministerien befassten Ministerialbeamt:innen die Ergebnisse der Befragungen umfassend vorzustellen (mehr zum Vorstandsbeschluss hier).

Auch wenn in Sachen Rabattspreizung vom Börsenverein derzeit keine politischen Aktivitäten entfaltet werden, gewährleisten wir also, dass ein Transfer der durch die Umfrage gewonnenen Erkenntnisse zu den Marktverhältnissen in der Buchbranche in den Berliner Gesetzgebungsapparat stattfindet.

Der Vorstand geht davon aus, dass die Ombudsstelle quasi als Seismograph fungiert.

Christian Sprang, Börsenvereinsjustiziar

Wird die Arbeit der Ombudsstelle weitergehen?

Ja. Auch das gehört zu den Maßnahmen, die der Vorstand beschlossen hat. Jedes Unternehmen, das Missstände im Bereich der Preisbindung und der Konditionen wahrnimmt, kann sich unter Garantie absolut vertraulicher Behandlung mit diesen Informationen an die Ombudsstelle wenden (mehr zur Arbeit der Ombudsstelle hier).

Der Vorstand geht davon aus, dass die Ombudsstelle quasi als Seismograph fungiert und es über sie möglich ist, negative Marktveränderungen bei den Konditionen rasch zu realisieren.

Die Umfrageergebnisse haben aber auch gezeigt, dass die Existenz und Funktionsweise der Ombudsstelle in der Branche bei weitem noch nicht genügend bekannt ist. Dem Hauptamt des Verbandes wurde deshalb auferlegt, geeignete Maßnahmen zur besseren Bekanntmachung dieser Einrichtung zu ergreifen.

Welche konkreten Maßnahmen wird der Börsenverein zur Aufklärung der Branche über die Vorschriften des Buchpreisbindungsgesetzes ergreifen?

Die Auswertung der Umfrageergebnisse, aus denen sich die Defizite der Bekanntheit zentraler Vorschriften des Buchpreisbindungsgesetzes bei Buchhandel und Verlagen ergeben, liegt uns erst seit Ende letzter Woche vor.

Wir werden nun konkrete Maßnahmen entwickeln, wie diese Defizite abgestellt werden sollen, und dafür alle Kommunikationskanäle des Verbandes mitbedenken. Viele der zentralen Bestimmungen zur Buchpreisbindung sind den Branchenbeteiligten immerhin doch schon bekannt, manche davon sogar zu einem hohen Grade. Die Umfrage selbst hat auch bei den teilnehmenden Unternehmen das Bewusstsein geschärft – das wollen und müssen wir jetzt noch breiter in die Branche tragen.