Die Begrüßungsrede von Karin Schmidt-Friderichs zur Leipziger Buchmesse 2025 im Wortlaut:
Es gibt ein Haus in Berlin, das mir viel bedeutet. Text-Ikone Jean-Remy von Matt hat es nach der Wende gekauft und saniert und er nutzt die Fassade des Hauses, um eine Kürzestversion deutsch-deutscher Geschichte zu schreiben: "dieses Haus stand früher in einem anderen Land".
Wie jeder gute Texter verwirrt von Matt seine Leser*innen kurz und intensiviert so die Geschichte, verankert sie im Kopf. Wer vor dem Haus steht, für den wird die friedliche Revolution von 1989 lebendig. Man kann dort nicht stehen ohne Gänsehaut und ohne Bewunderung für diejenigen, die friedlich eine Diktatur zu Fall brachten.
Das ist die Kraft der Worte. Das ist die Kraft der Geschichten. Worte bewegen Menschen. Worte werden zu Werten. Worte bewegen Welten.
Um das zu feiern, sind wir heute hier zur Eröffnung der Leipziger Buchmesse im zweihundertsten Jahr nach der Gründung des Börsenvereins. Das ist die DNA unserer Branche. Das macht uns aus. Das macht uns wichtig für die Gesellschaft. Gesellschaften entstehen durch verbindende Geschichten, ein Narrativ des "wir".
Damit Worte bewegen können, brauchen sie Freiheit. Nur, wo Worte in Freiheit gedacht und ausgesprochen werden können, entstehen Geschichten mit Relevanz. Für die Freiheit des Wortes haben Menschen viel riskiert, manche ihre Leben gegeben – und tun das auch heute.
"Das Fehlen von Freiheit ist ein Schmerz, der einen auf Dauer verrückt macht. Er reduziert den Menschen auf seinen eigenen Schatten und macht seine Träume zu Alpträumen."
So sagt es Boualem Sansal, Friedenspreisträger von 2011, der diesen Alptraum seit 131 Tagen im Gefängnis in Algerien erlebt. Inhaftiert für eine Meinungsäußerung zum historischen Grenzverlauf des Landes.
Er gehört zu den wenigen Intellektuellen in Algerien, die noch den Mut aufbringen, offen Kritik zu üben, viele andere haben aufgegeben. Boualem Sansal ist 80 Jahre alt, an Krebs erkrankt – sein Leben ist ernsthaft in Gefahr der Prozess in Algerien hat begonnen, seinem französischen Anwalt wird die Einreise verweigert, Morgen soll das Urteil gesprochen werden, die Staatsanwaltschaft fordert 10 Jahre Haft.
Es bleibt kaum noch Zeit! Ich bitte Sie als Zivilgesellschaft, als Buchbranche und als Politiker*innen: Setzen Sie sich für seine Freilassung ein!