Interview mit Foodfotograf René Riis

"Ein maskulines Kochbuch ist einfacher zu machen"

31. Oktober 2014
Redaktion Börsenblatt

Foodfotograf René Riis hat zwei Herbsttitel bebildert, zwischen denen optisch und inhaltlich Welten liegen: "La Veganista backt" und "Grillen und Räuchern". Ein Interview über das Kameraspiel mit Licht und Schatten, mit Tofu und T-Bone-Steak.

"La Veganista backt" bei GU kommt feminin daher, "Grillen und Räuchern" bei Teubner betont maskulin. Wie schwer ist es, sich auf so gegensätzliche Bildsprachen einzustellen?

Riis: Für mich gehört es zum Handwerk eines guten Foodfotografen dazu. Natürlich hoffe ich, dass die Fotos trotzdem meinen ganz persönlichen Fingerabdruck tragen. Seinem Stil treu zu bleiben und gleichzeitig für jedes Projekt eine besondere Bildsprache, eine besondere Stimmung zu entwickeln: Das ist letztlich die Kunst.

Wie zaubert man so unterschiedliche Stimmungen wie in diesen beiden Büchern?

Riis: Vieles hängt vom Styling ab, von Tellern und Hintergründen. Eine zentrale Rolle spielt aber auch das Licht: "La Veganista" habe ich zu 100 Prozent bei Tageslicht fotografiert. "Grillen und Räuchern" dagegen in einem künstlichen, sehr kontrastreichen Licht mit viel Schwarz, um das Maskuline zu unterstreichen.

In diesem speziellen Fall geht es nicht nur um die Gegensätze weiblich und männlich, sondern auch noch um die Gegenpole Fleisch und Gemüse…

Riis: Ja, dieser Unterschied ist wirklich krass. Gerade über den Auftrag für "La Veganista" habe ich mich aber besonders gefreut, weil ich normalerweise sehr viel Fleisch fotografiere, zum Beispiel für die Zeitschrift "Beef". In unserer Branche landet man dann schnell in einer Schublade – ah, das ist der Fleischfotograf! Das wollte ich nicht.

Fleisch oder vegane Kost: Was ist leichter zu fotografieren?

Riis: Ein maskulines Buch ist einfacher. Fleisch, Feuer und Kohle - da kann fast nichts schief gehen. Bei "La Veganista" war es deutlich schwieriger, stimmungsvolle Fotos zu machen. Das war eine ganz andere Herausforderung, weil ich manche Lebensmittel selbst erst einmal genauer kennenlernen musste. Wie fotografiert man Seitan und Tofu-Blöcke appetitlich? Man muss die Dinge selber kennen und mögen – sonst kann man sie nicht schön darstellen.

Wie sind Sie zur Foodfotografie gekommen?

Riis: Meine Mutter hat immer viel und gern gekocht, auch exotische Rezepte. Wir waren Mitglied in einem Buchclub und haben einmal im Monat ein dickes Buchpaket bekommen, beispielsweise mit Kochbüchern zur französischen Küche. Von den Fotos war ich immer faszinziert. Später habe ich dann eine Lehrstelle bei einem Fotografen gefunden, der auch Foodfotos gemacht hat. Und so ging es immer weiter, bis zur ersten Anfrage für ein Kochbuch.

Es erscheinen immer mehr Kochbücher und Foodzeitschriften. Ist das Leben als Foodfotograf dadurch leichter geworden?

Riis: Ich weiß nicht, ob es leichter geworden ist. Es ist einfach anders als noch vor ein paar Jahren. Fast jede Zeitschrift pflegt einen besonderen Stil: Magazin A mag es gern maskulin, Magazin B etwas ländlicher oder verspielter. Das gibt uns Fotografen natürlich eine gewisse Orientierung. Der Nachteil daran: Früher hatten wir mehr Freiheit, der Raum für Experimente war größer. Auftraggeber aus der Werbung sind heute fast mutiger als die Verlage und Redaktionen.

Gibt es nationale Vorlieben bei der Foodfotografie – etwa im Vergleich zu Ihrer Heimat Dänemark?

Riis: Unbedingt! In den skandinavischen Ländern ist Foodfotografie anders: Dort wird mit viel Tageslicht, mit einer erdigen Anmutung gearbeitet. Und: Perfektion ist dort nicht das wichtigste. In Deutschland dagegen musste Essen lange absolut perfekt und makellos dargestellt werden. Dabei lebt für mich jedes Gericht ein Stück weit davon, dass es eben nicht perfekt, irgendwie künstlich und wie aus dem Chemiebad wirkt. Verschiedene Krümel in verschiedenen Größen mit einer Pinzette zu arrangieren – das ist nichts für mich. Seit ein, zwei Jahren habe ich aber das Gefühl, dass auch die Deutschen diese skandinavische Lust am Unperfekten für sich entdecken.

Sie arbeiten auch mit Sterneköchen zusammen. Wie wollen sie ihre Gerichte im Bild sehen?

Riis: Hier verändert sich gerade ebenfalls einiges: Deutsche Sterneköche sind bei der Bildsprache heute mutiger als noch vor ein paar Jahren. Lange waren sie sehr fokussiert darauf, wie sie selber ihr Essen sehen. Präzision war das Wichtigste, jede noch so kleine Zutat sollte im Bild sein. Ich versuche den Köchen immer zu vermitteln, dass das vielleicht gar nicht so wichtig ist. Es geht darum, Neugier auf das Gericht zu wecken – und nicht darum, noch das allerkleinste Salatblättchen zu erkennen.

Kochen Sie auch selber?

Riis: Ja, ich koche gerne. Meine Arbeit ist letztlich auch durch die Liebe zum Essen entstanden. Sterneküche brauche ich dabei nicht unbedingt. Eine einfache Trattoria tut’s auch.

Zur Person:

Foodfotograf René Riis ist gebürtiger Däne und lebt in Berlin. Er fotografiert Kochbücher, Anzeigen für Werbekunden wie Edeka und Bilderstrecken für Foodmagazine wie "Beef!" und "Four".

Mehr über den Kochbuchmarkt lesen Sie im aktuellen Börsenblatt-Spezial "Essen & Trinken", das in dieser Woche erschienen ist.