Nach nunmehr zwanzig Jahren verlegerischer Tätigkeit ist es so, dass ich ab 2020 kein festes Programm an Büchern mehr verlegen werde. Nach all den Jahren, in denen ich Herzblut und Leidenschaft in den Verlag gesteckt habe, ist das kein Schritt, der mir leichtfällt. Aber die Gründe dafür, die ich im Folgenden darlegen möchte, häufen sich und lassen die Entscheidung vernünftig erscheinen. Keiner der Gründe allein würde ausreichen, die Summe aber tut es. Grundsätzlich ist es so, dass seit circa zwei Jahren das Bücher verlegen von einer Einnahmequelle zum Hobby geworden ist. Nun spricht nichts dagegen, sich als Familienvater mit drei Kindern ein kostspieliges Hobby zu leisten, solange man nur genug Geld an anderer Stelle verdient. Wären da nicht noch besagte Gründe, die es selbst als Hobby äußerst unattraktiv machen:
1. Der Leser und sein Smartphone Ich weiß, ihr, die ihr diesen Text lest, lest natürlich noch Bücher. Allerdings konkurriert das Buch immer mehr mit dem Smartphone, bzw. die beiden um die Aufmerksamkeit der Menschen. Es ist viel einfacher, kurz mal das Smartphone zu zücken und was zu spielen oder was zu checken, als sich einem Buch zu widmen. Das soll gar kein Vorwurf sein. Das ist eben so. Die Zeiten ändern sich. Irgendwann brauchten wir eben auch keine Fässer mehr.
2. Die Buchhandlungen Euch, liebe Buchhändler, mache ich schon einen Vorwurf. (Ausgenommen die Handvoll Buchhandlungen, mit denen wir gut zusammengearbeitet haben.) Wie oft musste ich den folgenden Satz von BuchhändlerInnen hören, nachdem ich ein Leseexemplar zugesandt hatte und dann nachhören wollte, wie es gefallen hat: „Also mir hat das Buch sehr gut gefallen, aber ich denke, das ist nichts für unsere Kundschaft.“ Für was haltet ihr euch denn? Wenn ihr euren Kunden nur Harry Potter und Nele Neuhaus vorsetzt, dann werden sie auch nur das lesen und das am Ende bei Rewe kaufen, weil man die da auch bekommt und nicht extra in eine Buchhandlung gehen muss. Buchhandlungsselbstmord leicht gemacht. Aber bitte jammert nicht, solange es solche unter euch gibt, die z.B. Partie bestellen (man bestellt zehn Stück, bekommt eins kostenlos dazu, also elf), nach einer Woche zehn zurücksenden und den vollen Preis zurückwollen, weil sie ja nur zehn bestellt haben. Solange es solche gibt, die ihre Leseexemplare einen Tag nach dem Erhalt bereits auf eBay verkaufen – vor dem VÖ – und auf Nachfrage sagen, sie hätten es auf dem Flohmarkt gekauft. Solange es solche unter euch gibt, die einen am Telefon beschimpfen, weil man ihnen sagt, dass man bei einem Exemplar portofrei nicht mehr als 40% Rabatt geben kann. Solange man von euch den Satz hört: „Junge Leute kommen sowieso nicht zu uns, um Bücher zu kaufen“ oder „Unsere Kunden können mit Literatur nichts anfangen“. Ihr grabt euch das Wasser an zwei Seiten ab. Nicht genug, dass ihr so eure Kunden verliert. Ihr vernichtet auch die kleinen Verlage auf diese Weise. Was wollt ihr denn verkaufen, wenn es keine Verlage mehr gibt? Ihr merkt, ich steigere mich rein. Wollen wir es dabei belassen, auch wenn ich noch lange so weitermachen könnte.
Wie können kleine Verlage ihre Sichtbarkeit erhöhen?
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3. Libri Um als Verlag Buchhandlungen bequem beliefern zu können, gibt es in Deutschland die Großhändler. Das ist dieses tolle System, mit dem bestellte Bücher über Nacht beim Buchhändler sind. In Deutschland gibt es davon zwei relevante. Der eine, KNV, ist im vergangenen Jahr pleitegegangen (zwar aufgekauft und weitergeführt, aber irgendwie tot). Der zweite am Markt hat sich diesen Sommer gedacht: „Bevor ich auch pleitegehe, werfe ich lieber alles raus, was nicht dick Kohle abwirft.“ Das ist legitim, ist ja auch ein Wirtschaftsunternehmen. Allerdings hat diese Auslistung die kleinen Verlage ziemlich hart getroffen, weil die einfach weniger Bücher umsetzen. Bei uns hat das zu einem Umsatzrückgang von etwa 60% geführt. Klar könnten die Buchhändler auch direkt bei uns oder unserer Auslieferung bestellen, aber siehe Punkt 2: Die Buchhändler haben es nicht so mit der wohlwollenden Unterstützung unabhängiger Verlage. Mal eben die Hälfte des Umsatzes zu verlieren ist hart, wirklich hart.
4. Kulturförderung Ja, ein Verlag ist ein Wirtschaftsunternehmen und muss schauen, dass es sich selbst trägt. Und das habe ich zwanzig Jahre lang gemacht, ohne auch nur einen Cent von irgendwo her bekommen zu haben. Allerdings sollte man sich mal Gedanken machen, ob man Verlage, zumindest kleine, etwas fördern könnte, wie das andere Länder auch machen. Bei uns in Bayern gibt es eine Förderung, und zwar den Kleinverlegerpreis, der mit 5.000 Euro dotiert ist. Da sucht sich ein Kultusminister einen Verlag heraus, mit dem er sich gerne fotograferen lassen möchte, weil er gut aussieht damit. Natürlich wird der von einer Jury ausgesucht, was dachtet ihr denn. Denke, es ist somit klar, warum wir den Preis nie bekommen haben bei unseren Buchtiteln ;) Aber mal abgesehen davon: Was sind denn schon 5.000 Euro? Davon kann man dann ein vernünftiges Buch vorstrecken. Was ist dieser Betrag schon gegen die Summen, die allein ins Theater fießen? Mir schon klar, dass das Theater ein Platz ist, wo die Politiker, die über die Förderung entscheiden, und die Schönen und Reichen mal unter sich sein und ihre Lobbygeschäfte einfädeln können. Dafür kann man schon mal ein paar Millionen pro größerer Stadt lockermachen. Das gemeine Volk kann sich das sowieso nicht leisten und muss draußen bleiben. Da hat der Politiker auch direkt einen Nutzen, ganz im Gegensatz zur Literatur, die er wahrscheinlich eh nicht versteht. Ganz ehrlich, liebe selbsternannte „Kulturpolitiker“: Fickt euch! Möge euch ein Hustenanfall an der leisesten Stelle im nächsten Theaterstück ereilen, falls ihr nicht sowieso schlaft, weil ihr dem Kontext nicht folgen könnt. Übrigens: Die meisten Theaterstücke kommen aus Verlagen. Ihr sägt somit an dem Ast, auf dem ihr schlaft. Gleich hinterher: Ich ziehe meinen Hut vor den freien Theatern, die in einer ähnlichen Situation sind wie wir. Zudem habe ich auch Kulturpolitiker erlebt, die wirklich etwas für ihren Bereich tun, jedoch sind die in der absoluten Unterzahl.
5. Die Post Zur Beruhigung mal ein etwas kürzerer Punkt, sonst schreibe ich mich zu sehr in Rage. Liebe Post, auch ihr habt es nicht leicht. Aber das Porto für Bücher innerhalb von nicht mal zwei Jahren von 1,00 Euro auf 1,90 Euro zu heben, ist schon ein starkes Stück. Das sind fast 20% vom Preis eines Taschenbuchs nur für Porto. Und dann habe ich noch keine Verpackung, kein Lektorat, keinen Satz, keinen Druck, keinen Grafker, keinen Autor, nix. Sich einfach mal 10% vom extrem kleinen Kuchen mit abzuschneiden, der aber bereits verteilt ist, ist frech. Dass man dadurch Amazon fördert statt den eigenen Webshops der Verlage, sollte auch klar sein, denke ich. Also vielen Dank, liebe Post, für diesen Knüppel zwischen die mageren Verlagsbeine.
6. Die Autoren Gleich vorweg: Mit den meisten Autoren habe ich ein sehr gutes Verhältnis, oft sogar freundschaftlich. Und ich bin froh um diese Menschen, die mein Leben bereichert haben. Über die will ich hier nicht sprechen, sondern über den einen Autor, den einen von zwanzig im Schnitt. Der ist genervt, weil sich aus den Gründen 1 und 2 seine Bücher nicht mehr in den Stückzahlen verkaufen wie früher und gibt dann dem Verlag die Schuld. Der Verlag macht zu wenig, der Verlag sollte mehr X und Y machen – wo der Autor vier Wochen zuvor noch meinte, es wäre doch mal gut, U und V zu machen. Zudem verlegt der Verlag ja das Buch Z, welches ihm ja gar nicht gefällt und dann ist ja klar, dass das alles den Bach runter geht etc. etc. Das ist alles schön und gut, das kann man auch mal sagen. Nur sitzt am anderen Ende dann ein Verleger, der seine Zeit und sein Geld einsetzt, um Bücher auf den Markt zu bringen und alles in seiner Macht Stehende tut, damit sich diese auch verkaufen. Solche Aussagen von Autoren nagen dann doch an einem, ob man will oder nicht, und lassen einen schlecht schlafen. Diese Autoren denken immer noch, man macht sich einen faulen Lenz , fährt mit seinem Porsche durch die Gegend und lacht über diese Autoren, mit denen man sich eine goldene Nase verdient. Euch sei gesagt: Wenn das alles so ist und ihr wisst wie es besser geht, dann macht es besser. Es hält euch niemand davon ab, einen Verlag zu gründen. Meinen Respekt habt ihr. Auch wenn all das sehr negativ klingt, so ist das Verlegen an sich eine tolle Sache, eine sehr tolle sogar. Ich bin froh, dass ich dies zwanzig Jahre lang machen, viele tolle Menschen kennenlernen durfte und wirklich zeitweise eine Art Traumberuf hatte. Im Moment allerdings wird mir das Hobby zu teuer und ich werde stattdessen kleine Goldskulpturen sammeln oder jede Woche einen wertvollen Oldtimer zertrümmern für den Umweltschutz. Wie auch immer, ihr sollt nur wissen, dass ich es mir nicht leicht gemacht habe, aber dass es für die Aufgabe auch gute Gründe gibt. Es werden auch weiterhin Bücher beim Verlag erscheinen. So Benefzbücher wie „Potzblitz“ und „Kein Versbreit den Faschisten“ oder aber Büchern von Autoren, die inzwischen meine Freunde sind. Ein volles Programm wird es aber nicht mehr geben. Die Leipziger Buchmesse wird unsere Abschiedstour sein. Besucht uns dort, oder schreibt uns, was eure Lieblingsbücher im Verlag sind oder sonst was.
Auf eine bessere Zukunft
P.S.: Bevor jetzt wieder einzelne Leute dagegen schreiben und brüllen: „So ist das doch gar nicht!“ oder „Der kann es halt nicht und ist gefrustet!“ – lasst es. Natürlich sind nicht alle Buchhändler so, natürlich gibt es für all das Gründe etc. Was ich sage ist nur, dass die momentane Kumulation der Mehrheit der oben genannten Personen und Institutionen dazu führt, dass ich keine Bücher mehr machen will und kann. Nicht mehr – aber auch nicht weniger.
Nein, nicht die Buchhändler sind arrogant, ich finde es maßlos arrogant, sowas anzubieten. Man geht ja auch nicht mit drei Fäden in ein Stoffgeschäft und bittet den Inhaber sowas zu vertreiben. Den guten Self-Publishern erweist man damit übrigens einen echten Bärendienst. Kein Wunder, dass manche Buchhändler da sofort abwinken, wenn am nächsten Tag wieder ein Self-Publisher kommt.
Sicher gibt es Buchhändler*innen, die nicht für ihren Job oder ihren Arbeitgeber brennen, wir reden über den Einzelhandel, das ist ein Knochenjob und da gibt es eben auch Anfragen oder Kunden die man nicht erfüllen kann. Und dann gehört es vielleicht für manche auch zur Kundenfreundlichkeit zu sagen "ich hätte große Mühe es zu besorgen, vielleicht klappt es am Ende gar nicht, versuchen Sie es doch an anderer Stelle". Gehen Sie wieder in Buchhandlungen und sprechen Sie mit den Buchhändler*innen, Sie werden sehen es gibt einige, die noch einen Meter mehr gehen, um ihre Kunden zu begeistern. Und wenn nicht in Ihrer Stadt dann vielleicht einmal unterwegs versuchen, vielleicht gibt es ja irgendwo einen Liebhaber für Ihre Bücher.
Auf ihrer Apfelsinenkiste können Sie stehen bleiben, man merkt Sie fühlen sich erhaben. Ein schönes Wochenende.
Dann habe ich mich mal auf der Website des o.g. Verlags umgesehen und kann mich Andreas Gorden nur anschließen. So eine Seite war vielleicht 2010 noch akzeptabel (aber auch da schon kaum noch), aber heutzutage?
Klar, Cover und Gestaltung sind stets Geschmacksache, aber man kommt halt auch nicht umhin, mal einen Trend mitzugehen, wenn man Umsätze generieren möchte. So ist es kein Wunder, wenn Leser, wie auch Buchhändler abwinken.
Zu guter letzt kann man natürlich allen Punkten des Verlegers zustimmen, jeder in der Branche war sicherlich schon mal an einem ähnlichen Punkt. Aber trotzdem hat sich durch Jammern alleine noch nie etwas geändert. Vielleicht auch selbst etwas verändern, statt einfach zu versuchen, dieselbe Schiene wie seit 20 Jahren zu fahren? Einfach mal (Achtung, provokativ!) was wagen oder was neues ausprobieren.
Fazit: Nicht jede Verlagsaufgabe ist der Untergang des Abendlandes, ebensowenig wie pleitegehende Buchhändler oder Autoren, die von ihrer Schreiberei nicht leben können.