Joerg Pfuhl bedauerte das „Missverständnis“, es handele sich bei den Planungen zum Weltkindertag um eine exklusive Aktion mit den drei großen Buchhändlern Amazon, Thalia und Hugendubel. Dieses Projekt sei seit langem diskutiert worden, „und von Anfang an wollten wir den stationären Buchhandel möglichst breit einbinden“. Zu der Frage, wie das konkret aussehen könnte, liefen in dieser Woche Telefonkonferenzen auch mit dem Börsenverein. Druck sei auf das Thema vor allem deshalb gekommen, weil es ungeplant früh bereits in die Öffentlichkeit gelangt sei.
Als Stiftungsvorstand begrüße er, Pfuhl, „grundsätzlich jede Initiative, die der Leseförderung dient und neue Möglichkeiten schafft, mit Büchern an buchferne Zielgruppen heranzukommen“. Der langjährige Vorstandsvorsitzende der Stiftung betont im Gespräch mit boersenblatt.net, dass die Verschenkaktion von einer Million Märchenbüchern am Weltkindertag „nicht als der eine Königsweg der Leseförderung verstanden werden darf, sondern als eine Aktion unter ganz vielen, die die Stiftung mit wechselnden Kooperationspartnern initiiert und durchführt“.
Seine Haltung sei es, „Dinge auszuprobieren“, mit Forschung zu begleiten und hinterher zu schauen, was gut und was vielleicht weniger gut funktioniert habe. Pfuhl kritisiert den „Empörungsreflex“ des Buchhandels, der sich immer dann zeige, wenn Amazon im Spiel sei. Aus Sicht des Verlagsmanagers sollte es allen Beteiligten im Buchmarkt – spätestens seit den Ergebnissen der Quo-Vadis-Studie – darum gehen, „neue Leser zu finden und zu binden, und nicht darum, Amazon zu vertreiben“.
Die Skepsis von Experten der Leseförderung wie etwa der Kinderbuchautorin Kirsten Boie, mit der groß angelegten Verteilaktion – zumal mit der Gattung Märchen – würde die gewünschte Zielgruppe der buchfernen Familien gar nicht zu erreichen sein, teilt Pfuhl nicht. „Warum wissen so etwas immer alle schon vorher? Lasst es uns doch einfach ausprobieren.“ Er verwies auf die Kooperation mit der Fast-Food-Kette McDonald’s, die im Vorfeld auch „viel Spott und Ablehnung“ aus der Buchbranche erfahren habe. Die Happy-Meal-Zugabe habe jedoch „hervorragend funktioniert. Unsere Begleitforschung hat gezeigt, dass Eltern und ihre Kinder sich häufig tatsächlich mit den verschenkten Büchern auseinandergesetzt haben.“
Zur Schwäche des inhaltlichen Konzepts der Aktion hat sich Kirsten Boie bereits ausführlich und treffend in den Medien geäußert, die Ausführungen der Autorin kann ich nur unterstreichen. Schließlich ist auch die Wahl von Amazon als Kooperationspartner für die Buchbranche ein Affront. Die erklärte Strategie dieses Unternehmens ist es, Buchhandlungen und Verlage aus dem Markt zu drängen – zulasten der Qualität und Vielfalt des deutschen Buchmarktes.
Zu Herrn Pfuhl: „neue Leser zu finden und zu binden, und nicht darum, Amazon zu vertreiben“. Leider ist es umgekehrt: Amazon sollte eigentlich "relentless.com" heißen, das wurde Bezos zwar ausgeredet, jedoch blieb es sein Ziel, gnadenlos alles kaputt zu machen, alle anderen zu vertreiben. Bitte sehen Sie sich den Film "Der unaufhaltsame Auftsieg von Amazon" an. Darum geht es bei der Wut auch, die die Sortimenter*innen hier äußern, nicht um ein Bashing eines unliebsamen Konkurrenten, sondern um etwas Größeres, Allgemeineres, ein viel mehr Menschen betreffendes Handeln von Amazon. Wir Buchhändler*innen sind es gewohnt, über den Tellerrand zu denken, es geht nicht immer nur um das eigene Wohlergehen, sondern darum, eine Entwicklung zu behindern, die uns allen, der gesamten Gesellschaft nur schaden kann. Und diese Entwicklung nicht noch zu fördern durch solche Aktionen!
Ich bin wirkich erschüttert über so viel Unbedachtheit.