Nachruf auf Hans Dieter Beck - von Felix Hey

"Unterschätzen durfte man ihn nie"

9. Januar 2025
Redaktion Börsenblatt

Hans Dieter Beck war ein Mann der Zahlen und trieb die Digitalisierung bei C.H.Beck voran. Trotzdem blieb er immer Verleger und neugierig auf Inhalte, Autor:innen, Konzepte. Felix Hey (Verlag Dr. Otto Schmidt) blickt zurück auf einen Menschen, dem die Eitelkeit ebenso fremd war wie ein langer Urlaub.

Hans Dieter Beck

Am 3. Januar 2025 ist Hans Dieter Beck in München friedlich gestorben, wie sein Verlag mitteilt (mehr dazu hier). Für die, die ihn kannten – und das galt in der Verlags- und Buchhandelsbranche für viele und bei den juristischen Fachverlagen und Fachbuchhandlungen praktisch für alle – ist diese Nachricht beinahe kaum zu glauben.

Seit 1970, also seit mehr als einem halben Jahrhundert, stand er an der Spitze des von ihm geführten juristischen Verlags C. H. Beck – und was bei anderen Gelegenheiten manchmal zu leicht gesagt sein mag, das gilt hier wirklich: Er hat in all diesen Jahrzehnten das Unternehmen und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, seinen Autorenkreis ebenso wie die juristische Fachverlagsbranche tief geprägt, so dass man sich in diesen Tagen noch nicht recht vorstellen kann, wie das sein wird, wenn er nun nicht mehr da ist.

Felix Hey

Genauso akribisch wie der Erwerb einer Druckmaschine wurde jeder Autor, jedes Buchprojekt geprüft, jede Gesetzesnovelle und jeder Umschlag konnten sein Interesse und seine Aufmerksamkeit erregen.

Felix Hey, Geschäftsführender Gesellschafter des Verlags Dr. Otto Schmidt

Er kannte sich aus im Druckereiwesen

Als ich Hans Dieter Beck im Frühling des Jahres 2002 persönlich kennenlernte, da äußerte er bisweilen mit Stolz, dass er ja einmal Physik studiert habe, bevor er zum Jurastudium wechselte (wohl in der richtigen Annahme, dass den meisten Juristen bei der Nennung des Fachs Physik die Haare zu Berge stehen).

Das war auch ein Grund dafür, dass er sich für das Recht des Gewerblichen Rechtsschutzes besonders interessierte, und dort insbesondere für das Recht der Erfindungen, das Patentrecht. Die Technik des Büchermachens, so erklärte er den Branchenneulingen damals aus der Warte des Beinahe-Physikers fast ein bisschen mitleidsvoll, das sei im Grunde etwas ganz Einfaches, geradezu Primitives: Man setze und drucke eben ein Manuskript und binde es, und schon sei das Buch fertig.

Welche tiefen Kenntnisse er tatsächlich vom Druckereiwesen, den neuesten Entwicklungen, den Details der angeschafften Maschinen und ihrer Leistungsfähigkeit hatte, und dass er dieses Wissen als Verantwortlicher für die Druckerei in Nördlingen bei jeder Gelegenheit vertiefte und lange Zeit noch im eigenen Auto allein (bisweilen wiegten seine Leitungskräfte hier bedenklich-besorgt die Köpfe) an den schwäbischen Sitz der Druckerei und damit gleichzeitig zu den Wurzeln seiner Familie aufbrach, dies mochten viele nicht ahnen.

Grandseigneur und Kaufmann

Dafür merkten diejenigen, die es im Verlag mit ihm zu tun hatten, alsbald, dass das Büchermachen in Wirklichkeit auch gar nicht so leicht von der Hand ging, wie man das bei den vorherigen Schilderungen vernommen haben mochte: Genauso akribisch wie der Erwerb einer Druckmaschine wurde jeder Autor, jedes Buchprojekt geprüft, jede Gesetzesnovelle und jeder Umschlag konnten sein Interesse und seine Aufmerksamkeit erregen. Viel verlangte er von sich und auch von anderen.

Unermüdlich und mit herausragendem Fleiß verfasste er Notizen, diktierte Papiere und las sich über lange Jahre in neue Themenstellungen ein. Auch Details konnten von Bedeutung sein - nein, richtiger: Sie waren eigentlich immer von Bedeutung. Noch mehr aber als Geschriebenes nutzte er die direkte, mündliche Kommunikation, das persönliche Gespräch, um sich immer neu zu informieren. Und im Gespräch konnte er sich als Grandseigneur großzügig geben, aber auch als Kaufmann, der bis in die kleinsten Elemente der Kalkulation hinein unnachgiebig zu verhandeln vermochte.

Charme entwickelte er spielend, er konnte aber auch einen vorsichtig-ratlosen Eindruck vermitteln, mit dem er sich hilfesuchend an den Gesprächspartner zu wenden schien – der daraufhin antwortend vielleicht mehr an Informationen preisgab, als er sich vorher vorgenommen haben mochte. Unterschätzen durfte man ihn nie.

Es galt das Prinzip: Der Verlag kann nicht ohne seinen Verleger sein, und der Verleger nicht ohne seinen Verlag.

Felix Hey

Urlaub - warum Urlaub?

Eitelkeit schien ihm fremd. Einmal fragte er mich humorvoll, ob mir meine dunklen Anzüge aus meiner Zeit in der Bank nicht allmählich ausgingen - wogegen ich mich mit dem Hinweis verteidigte, dass ich mir sogar immer wieder einmal neue nachkaufe.

Dass er selber gelegentlich unkonventionell auftrat – sei es auf Autorenveranstaltungen, sei es an Check-In-Schaltern oder in Taxis: Ihm war das durchaus bewusst und er machte sich nichts daraus. Wichtiger war, ein neues, spannendes Thema zu entdecken und in aller Ausführlichkeit zu besprechen, mochte nun der nächste Termin schon drohen oder nicht. Umso mehr zeichnete es ihn aus, überraschend zu Sitzungen im Verlag und außerhalb zu erscheinen und bisweilen auch die Tagesordnung dabei zur Verblüffung der Anwesenden neu zu schreiben.

In gewisser Weise störend war die Urlaubszeit. Warum waren andere im Urlaub und dort noch nicht einmal zu erreichen, wenn die Arbeit drängte? Er selber legte seinen Urlaubsantritt regelmäßig für die ersten Tage im August fest – um ihn dann doch Tag um Tag zu verschieben, weil es vom ersten Halbjahr noch vieles aufzuholen und zu erledigen gab. Und war er aufgebrochen, dann kam er auch gerne einige Tage früher zurück. Es galt – wie überhaupt angesichts seines enormen Durchhaltewillens und –vermögens an der Spitze des Verlages – das Prinzip: Der Verlag kann nicht ohne seinen Verleger sein, und der Verleger nicht ohne seinen Verlag.

Gesundheits-Check bei Bergwanderung

Zu seinen Leistungen für die Branche gehört es, dass er unter Nutzung des Ansehens des Marktführers immer wieder Quereinsteiger für die juristische Fachverlagswelt gewann und so deren Führungspotenzial verbreiterte. Zur Einstellungspraxis bei Branchenneulingen konnte selbstverständlich auch ein anerkannter Gesundheits-Check gehören.

Eine sonntäglich unter seiner persönlichen Aufsicht durchgeführte Besteigung des Wallbergs über Rottach-Egern mit rund 1000 Metern Höhenunterschied bei strammem Schritttempo unter gleichzeitiger, intensiv-bohrender Befragung zur Dissertation des Aspiranten gehörte zu diesen Tests ebenso dazu wie die Mitfahrt im von ihm geführten Automobil.

Konnten eigentlich Frauen Leitungsfunktionen im Verlag einnehmen? Die 2021 viel zu früh verstorbene Ulrike Henschel, Geschäftsführerin des von Beck erworbenen Kommunal- und Schulverlages, konnte es – und erwarb sich damit den Respekt in München. Andere Frauen im Verlag mussten unauffälliger agieren, damit sie sich ihrer durchaus vorhandenen Verantwortung entsprechend einbringen konnten.

Bei der ARSV war er Vorsitzender und Schatzmeister zugleich. In Gelddingen kann sich eben keiner so aus wie er.

Felix Hey

Seine vielen Ehrenämter

In außerordentlich vielen Ämtern engagierte er sich zugunsten des Börsenvereins. 1997 verlieh unsere Berufs- und Standesorganisation ihm in Anerkennung seiner Verdienste die Goldene Nadel.

Noch vor gut sechs Monaten leitete er als über 15 Jahre amtierender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft rechts- und staatswissenschaftlicher Verlage (ARSV) die jüngste Sitzung in Frankfurt. Seinem unermüdlichen Interesse an den neuesten technischen Entwicklungen folgend setzte er die Behandlung des Themas „KI“ für das juristische Publizieren auf die Tagesordnung. Die ARSV wird nach seinem Tod gleich zwei Vorstandsämter neu zu besetzen haben, denn selbstverständlich war er auch der langjährige Schatzmeister der Vereinigung – in Gelddingen kannte sich eben keiner so aus wie er.

Sein Instinkt für Macht und Gefahr vermittelte Hans Dieter Beck die klare Einsicht, dass das Internet den First Mover ebenso belohnen kann wie Beinahe-Monopole.

Felix Hey

Entschlossen verfolgte er die Digitalisierung

Für die Branche und uns alle, die wir ihr verbunden sind, hat er in zweierlei Hinsicht ganz besondere Maßstäbe gesetzt: Entschlossen verfolgte er die Digitalisierung des Verlagsprogramms und die Entwicklung der verlagseigenen Datenbank beck-online. Damit hat er als Marktführer allen Wettbewerbern die Richtung und das Tempo vorgegeben.

Keiner in der juristischen Verlagsbranche in Deutschland konnte danach mehr geltend machen, man möge es doch beim guten alten gedruckten Buch belassen oder vorschützen, eine überstürzte Einstellung in Datenbanken lasse so etwas wie eine Kannibalisierung befürchten. Alle diese Einwände hatten sich durch die bei Beck vorgegebene Strategie und Geschwindigkeit erledigt – wer überleben wollte, musste mitziehen.

Sein Instinkt für Macht und Gefahr vermittelte Hans Dieter Beck die klare Einsicht, dass das Internet den First Mover ebenso belohnen kann wie Beinahe-Monopole.

Bis vor kurzem konnte es Menschen geben, die gegen diese mit Wucht betriebene Digitalisierungsstrategie aufbegehrten und einwandten: Ja, aber seinen wichtigsten Kommentar zum BGB – den hat er nicht in beck-online eingestellt. Doch diesem Einwand hat er wenige Wochen vor seinem Tod noch die Grundlage entzogen: Mit „Frag den Grüneberg“ ist jetzt auch dieser Kommentar in digitaler Weise erschlossen, und es erscheint paradigmatisch, dass dabei die neueste Technik in Form einer KI-Anwendung nun gerade für dieses Werk erstmals im Verlag in den Verkauf kommt.

Aber einen weiteren, vielleicht sogar noch wichtigeren von ihm gesetzten Maßstab verdankt ihm die Branche: Allein mit Zahlen und abstrakten, womöglich auf Englisch formulierten Strategien kann kein Verlag geführt werden. Immer waren es die Inhalte, die Autorinnen und Autoren, die Konzepte bis hin zu den wissenschaftlichen wie praktischen Details, auf die er neugierig blieb und die ihn damit vielen zum Vorbild machten. Die von ihm geführte Mediengruppe mochte in Konzernhöhen wachsen: Er blieb wirklich immer Verleger.

Hans Dieter Beck wurde 92 Jahre alt. Unsere Anteilnahme gilt seiner Familie und allen, die ihm nahestanden. In den Verlag wird er morgens nun nicht mehr kommen. Seine Verdienste um das Unternehmen und um unsere gesamte Branche bleiben.