E-Lending in öffentlichen Bibliotheken

Runder Tisch einigt sich auf Empfehlungen zum E-Lending

30. Oktober 2024
Redaktion Börsenblatt

Die Beteiligten des Runden Tisches E-Lending haben ihre Empfehlungen zum E-Lending in öffentlichen Bibliotheken vorgelegt. Mit ihnen soll sowohl der Zugang zu digitalen Medien in Bibliotheken verbessert, als auch zur angemessenen Vergütung für Urheber- und Verlagsleistungen beigetragen werden. Hier sind die Empfehlungen: 

Bibliotheken möchten ihren Nutzern mehr digitale Möglichkeiten eröffnen. Motiv in der Bibliothek am Luisenbad

Die Beteiligten des Runden Tisches E-Lending haben sich auf Empfehlungen zum E-Lending in öffentlichen Bibliotheken geeinigt. Ein Knackpunkt in der Debatte war das sogenannte Windowing. Damit wurden E-Books den Bibliotheken in der Regel nicht zum Erscheinungstermin, sondern mit deutlicher Verzögerung zur Lizenzierung angeboten. Bibliotheken sahen sich in ihrem öffentlichen Auftrag der Informationsvermittlung beschnitten, Verlage und Urheber fürchteten wirtschaftliche Einbußen durch den geforderten Wegfall des Windowing. Der Runde Tisch schlägt als Lösungsansatz die Entwicklung und Erprobung von verhandlungsbasierten Lizenzmodellen vor, mit denen Verlage gewillt sein könnten, E-Books früher als bisher an Bibliotheken abzugeben. Sollten E-Books früher als bisher zur Verfügung gestellt werden, wird empfohlen, dies bei den Lizenzverhandlungen finanziell zu berücksichtigen.

"Ich begrüße den konstruktiven Prozess und die Empfehlungen des Runden Tisches ausdrücklich. Gemeinsam haben wir es geschafft, Bewegung in die seit Jahren festgefahrene Debatte zu bringen. Das Ergebnis ist in diesem Spannungsfeld ein Erfolg. Die Empfehlungen sind ein wichtiger Schritt, um zu fairen Bedingungen und Verbesserungen beim E-Lending in öffentlichen Bibliotheken zu kommen. Meine Erwartung ist, dass nun auf dieser Basis im Rahmen von Pilotprojekten Lizenzmodelle entwickelt und erprobt werden. Den Beteiligten danke ich für ihr Vertrauen, ihre Bereitschaft zum Dialog und Ihr Engagement", so Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Damit wurde außerdem ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt, der faire Rahmenbedingungen beim E-Lending in Bibliotheken schaffen wollte.

Volker Heller, Bundesvorsitzender des dbv, erklärt: "Der Deutsche Bibliotheksverband ist vor zwei Jahren mit der klaren Erwartung in die Verhandlungen eingetreten, dass eine allgemeinverbindliche und ggf. eine rechtliche Regelung beim Verleih von E-Books erzielt wird. Dieses Ziel war nicht durchsetzbar. Mit dem aktuell vereinbarten Ergebnis des Runden Tisches und der darin empfohlenen Erprobung neuer verhandlungsbasierter Lizenzmodelle hoffen wir, dass Bibliotheken einen verlässlichen Zugang zu Veröffentlichungen ab dem ersten Publikationstag erhalten. Wir werden die Entwicklung der Lizenzmodelle beobachten und erwarten, dass innerhalb der nächsten zwei Jahren tragfähige Modelle erarbeitet werden, die sowohl den Interessen der Nutzer:innen von Bibliotheken sowie der Bibliotheken Rechnung tragen als auch den wirtschaftlichen Interessen der Verlage und Urheber:innen.“

Auf diese Feststellungen und Empfehlungen hat sich der Runde Tisch geeinigt:

1. Wir empfehlen zur Verbesserung beim E-Lending in öffentlichen Bibliotheken Modelle auf Lizenzbasis und unter Wahrung der Vertragsfreiheit zu erproben, die die berechtigten Interessen der Beteiligten berücksichtigen.

2. Wir erkennen die Bedeutung einer angemessenen und verhältnismäßigen Vergütung der Urheberinnen und Urheber sowie der wirtschaftlichen Leistung der Verlage als wesentliche Grundlage kreativen Schaffens an.

3. Wir erkennen den Auftrag der öffentlichen Bibliotheken als Bildungs- und Kulturinfrastruktur an, die Bürgerinnen und Bürger mit einem breiten Medien- und Informationsangebot zu versorgen – auch in der digitalen Welt.

4. Wir erkennen an, dass E-Books nicht die gleichen Nutzungsmodalitäten haben wie gedruckte Bücher. Wir empfehlen, dies bei der Gewährung des Zugangs zu E-Books über öffentliche Bibliotheken mitzuberücksichtigen, um negative wirtschaftliche Auswirkungen auf den Buchmarkt zu vermeiden.

5. Wir erkennen an, dass die digitale Rechteverwaltung (Digital Rights Management) ein geeignetes Mittel ist, um den Zugang zu digitalen Ressourcen in Bibliotheken sicherzustellen.

6. Wir erkennen an, dass E-Books im Vergleich zu gedruckten Büchern intensiver in der Leihe genutzt werden. Wir empfehlen, die erhöhte Nutzungsintensität bei der Gestaltung von Lizenzbedingungen und der Vergütung von Urheberinnen und Urheber und Verlagen angemessen zu berücksichtigen.

7. Wir sind uns einig, dass ein breiteres digitales Angebot von öffentlichen Bibliotheken perspektivisch eines deutlich verbesserten Finanzierungssystems oder -mechanismus der digitalen Bibliotheksleihe bedarf.

8. Soll die Zeit zwischen Erscheinen eines E-Books und der Zurverfügungstellung an die Bibliotheken verkürzt werden, so empfehlen wir bei Verkürzung des Zeitraums dies im Rahmen verhandlungsbasierter Lizenzmodelle entsprechend finanziell zu berücksichtigen. Wir empfehlen alternative Lizenzmodelle zu entwickeln, auf deren Basis Verlage jeweils in einer freien Verhandlungssituation bereit sein könnten, E-Books früher als bisher (derzeitig gelebte Windowingfristen) an die Bibliotheken abzugeben. Wir empfehlen, dass die jeweiligen Vertragsparteien im Rahmen der E-Lending Lizenzierung individuell Gespräche aufnehmen, um sich über Lizenzmodelle auszutauschen, diese zu entwickeln und zu erproben, die die unterschiedlichen Interessen im Zuge einer Annäherung berücksichtigen.

9. Wir treten gemeinsam für das Ziel größtmöglicher Datentransparenz ein und empfehlen entlang der Lizenzierungskette beim E-Lending mehr Transparenz herzustellen. Wir empfehlen, vorhandene oder bereitgestellte Informationen soweit möglich innerhalb der jeweiligen Vertragsbeziehungen unter Wahrung der Vertragsfreiheit weiterzugeben.

10. Wir empfehlen, dass die BKM die Beteiligten des Runden Tisches in 2 bis 3 Jahren zum Austausch über die entwickelten und erprobten Lizenzmodelle einlädt.

Grundlage für den Runden Tisch war eine Studie zum E-Lending, welche die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) auf Empfehlung des Runden Tischs beauftragt hatte. Eine breit angelegte Befragung des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) fand ebenfalls Berücksichtigung.

Teilnehmende des Runden Tisches E-Lending waren der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, ein Verlagsvertreter, der Deutsche Bibliotheksverband, der Verein Deutscher Bibliothekarinnen und Bibliothekare, das Netzwerk Autorenrechte, der Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS in Ver.di), der Verband deutschsprachiger Übersetzerinnen und Übersetzer literarischer und wissenschaftlicher Werke, sowie das Bundesministerium der Justiz und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.