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Lichtung Verlag droht Aus

3. April 2024
Redaktion Börsenblatt

Dem vielfach ausgezeichneten Lichtung Verlag im bayerischen Viechtach droht das aus. Grund ist eine Neubewertung durch die Deutsche Rentenversicherung, die eine Nachzahlung von knapp 40.000 Euro nach sich zieht.

1987 schlossen sich auf Initiative von Hubert Ettl etwa 30 Leute zu einem Verein zusammen, um zunächst die kritische Kulturzeitschrift lichtung und die ersten Bücher herauszugeben. Im Jahr 1990 wurde schließlich der lichtung verlag als GmbH gegründet, bei der die Redakteure mit Einlagen zu Gesellschaftern wurden. Das Stammkapital beträgt bis heute gleichbleibend 25.000 Euro, teilt der Verlag mit.

In Absprache mit Steuerberatern wurde der Geschäftsführer Hubert Ettl für seine Geschäftsführertätigkeit geringfügig beschäftigt angestellt, Projektarbeiten für das magazin lichtung und Bücher im Verlag wurden freiberuflich auf Honorarbasis abgerechnet. Diese Teilung wurde auch so fortgeführt, als Eva Bauernfeind und Kristina Pöschl 2014 die Geschäftsführung des Verlags übernahmen.

Seit Unternehmensgründung führte die Deutsche Rentenversicherung alle vier Jahre Prüfungen vor Ort im Unternehmen inklusive die Prüfung der Lohnkonten und der Abführung der Beiträge durch. Bei den bisherigen Prüfungen sei es nie zu einer Beanstandung oder zu einem Hinweis gekommen, dass die bisherige Vorgehensweise nicht in Ordnung sei. Bei der aktuellen Prüfung für den Zeitraum von 2019 bis 2022 kommt die Deutsche Rentenversicherung zu einer Neubewertung. Die Geschäftsführerinnen müssen einheitlich als Angestellte beschäftigt sein, alle Beträge sind über den Verlag abzuführen. Für den Verlag ergibt sich daraus seit dem Jahr 2019 bis 2023 eine Nachzahlung in Höhe von 40.000 Euro. Diese Nachzahlung ist innerhalb eines Monats fällig, auch wenn Widerspruch eingelegt werde. 

"Dies ist eine Summe, die dem Verlag nicht zur Verfügung steht und auch nicht erwirtschaftet werden kann. Dem Verlag droht durch diese Entscheidung aus dem Nichts und die rückwirkende Forderung das Aus", so der Verlag in seiner Pressemitteilung. 

Hubert Ettl, der langjährige Gründer und Geschäftsführer, ist empört über dieses Vorgehen: "Die Rentenversicherung nimmt eine Neubewertung einer Situation vor, die sie 30 Jahre akzeptiert hat, und verlangt dann noch rückwirkend eine für uns horrende Summe. Und dies ohne Vorwarnung. Sie zerstört einen Verlag, der in den letzten Jahrzehnten durch Förderung von staatlichen Stellen, Stiftungen und Sponsoren überhaupt sein Profil gewinnen konnte. Ungeheuerlich, dieses Vorgehen!"

 

In Existenznot

In einer Pressemitteilung weist der Verlag daraufhin, dass somit ein Kulturunternehmen "in der ohnehin schrumpfenden Branche der unabhängige Verlage, Buchhandlungen und Druckereien" in Existenznot gebracht wird. "Seit seiner Gründung wird der Verlag durch den ehemaligen Geschäftsführer und die aktuellen Geschäftsführerinnen mit Bedacht und stabil geführt, auch die Corona-Jahre hat das Unternehmen gut überstanden. Die Arbeit für den Verlag wird von den Geschäftsführerinnen und auch von allen Redakteuren des magazins lichtung trotz niedriger Honorare ambitioniert und mit einem großen Engagement für die Kultur und die Literatur ausgeführt", heißt es in der Pressemitteilung weiter. 

Für sein Prosa- und Lyrikprogramm auf Hochdeutsch und im Dialekt, Fotobände, Lesebücher und Sachbücher zur kritischen Aufarbeitung des Nationalsozialismus wurde der Verlag mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Preis des Freistaates Bayern für einen bayerischen Kleinverlag, mit der Verlagsprämie des Bayerischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst sowie den Kulturpreis des Landkreises Regen. 

 

Weiteres Vorgehen

Zunächst versuche der Verlag, den Betrieb aufrechtzuerhalten und Widerspruch gegen den Bescheid einzulegen. Er will rechtliche Schritte prüfen und mit den Abgabestellen Ratenzahlungen zu vereinbaren. Die nächste Ausgabe des Kulturmagazins wird im April erscheinen. Die Buchproduktion müsse zunächst gestoppt werden. 

"Aufgeben ist für uns und unsere Gesellschafter keine Option", so Geschäftsführerin Kristina Pöschl. "Wir versuchen alles, um den Verlag fortführen und bereits geplante Projekte umsetzen zu können. In die nächsten Buchprojekte ist bereits viel Arbeit geflossen, unsere Autorinnen und Autoren verlassen sich auf uns!"

"Wenn diese Entscheidung der Rentenversicherung den Verlag nicht ruiniert, dann schwächt sie ihn für viele Jahre", heißt es in der Pressemitteilung weiter. Deshalb setzt Eva Bauernfeind auf Unterstützung von außen - durch Solidaritätsaktionen, Förderungen oder Spenden. „In den Jahrzehnten seit der Verlagsgründung hat sich immer wieder gezeigt, dass es viele Unterstützer gibt, die dem Unternehmen große Wertschätzung entgegenbringen. Wir hoffen, dass auch sie den Verlust nicht hinnehmen wollen", sagt Eva Bauernfeind. 

Unterstützen kann man den Verlag unter anderem durch Bucheinkäufe oder des Abschluss eines Abos. Außerdem hat der Verlag drei verschiedene Rettungspakete (Lyrik, Prosa, Bildband) für jeweils 50 Euro geschnürt. Mehr dazu.