Keine Leipziger Buchmesse: Was tun die Verlage jetzt?

"Konzentrieren uns nun auf digitale Formate"

29. Januar 2021
Redaktion Börsenblatt

Ohne die Leipziger Buchmesse fehlt den Verlagen ein Schaufenster für ihre Frühjahrsnovitäten. Wie sorgen sie jetzt für Sichtbarkeit? Und was bedeutet die Absage der Messe gerade für die Indies? Antworten aus der Branche.

Wir sind dankbar, dass Oliver Zille früh in den Austausch mit Verlagen gegangen ist, um diese Entscheidung vorzubereiten.

Marguerite Joly, Chief Marketing Officer / Chief Digital Officer Holtzbrinck Buchverlage

Die Holtzbrinck Buchverlage bedauern die Absage der Leipziger Buchmesse sehr. Wir sind dankbar, dass Oliver Zille früh in den Austausch mit Verlagen gegangen ist, um diese Entscheidung vorzubereiten. Die zeitige und klare Entscheidung für ausgesuchte Literaturveranstaltungen mit digitaler Verlängerung hilft uns Verlagen jetzt mit allen Beteiligten konstruktive und gute Möglichkeiten der Sichtbarkeit für unsere Autor*innen und Bücher auszuarbeiten.

Die Vorfreude auf die Zeit, wenn persönliche Begegnungen zwischen Autor*innen und Publikum wieder in vollem Umfang stattfinden können, ist ungebremst.

Es gibt Aktionen von unabhängigen Verlagen, die versuchen, den Sichtbarkeitsverlust zu kompensieren - wie den Katalog Schöne Bücher.

Björn Bedey, Bedey & Thoms Media GmbH, Sprecher der IG unabhängige Verlage im Börsenverein

"Als ich heute früh die Nachricht erhielt war ich erst einmal positiv überrascht. Geht doch! Nicht erst wenige Tage vor der Messe absagen sondern so weit im Voraus, dass alle Beteiligten nicht schon in Vorleistung gegangen sind. Dies geschieht natürlich zu Lasten einer theoretisch "doch noch möglichen Messe bei einer Verbesserung der Coronalage". Hierfür zolle ich der Leipziger Buchmesse meinen aufrichtigen Respekt!

Danach wurde mir erst bewusst, dass die für uns so wichtige Leipziger Buchmesse zum zweiten Mal nicht stattfinden wird. Zwei Jahre hintereinander im Frühling KEINE Vorstellung unserer neuen Bücher, KEINE große Berichterstattung über das Buch in Medien, KEINE Autorenlesungen und KEINE Treffen mit Geschäftspartnern und liebgewonnenen Kolleginnen und Kollegen. Das macht mich sehr traurig und nachdenklich….

Für die unabhängigen Verlage ist die Leipziger Buchmesse DER Jahresauftakt, zu dem die neuen Titel den Lesern, den Sortimentern und den Medien vorgestellt werden. Dies erfolgt auf der Messe so kompakt und persönlich wie es sonst nicht leistbar ist. Das fällt nun wieder ersatzlos aus – ja ersatzlos, denn auch virtuelle Formate können das mitnichten ersetzen.

Gerade die unabhängigen Verlage haben nicht das Budget, um mit großen Etats ihre Titel zu bewerben – deshalb trifft uns das abermals hart.

In der Bedey & Thoms Media GmbH werden wir die Novitäten unserer Imprints, soweit dies möglich ist, direkt dem Sortiment vorstellen - über die zur Verfügung stehenden Kanäle. Wir haben unsere Ressourcen im Bereich Vertrieb und Social Media aufgestockt, um dies leisten zu können.

Auch haben wir versucht Novitäten, die von Veranstaltungen abhängig sind, soweit möglich zu verschieben. Und schließlich gibt es Aktionen von unabhängigen Verlagen, die versuchen diesen Sichtbarkeitsverlust zu kompensieren - wie die Aktion „Schöne Bücher“, in der 64 unabhängige Verlage Novitäten vorstellen. Die neue Ausgabe geht nächste Woche in den Druck (mehr dazu hier).

Dass Leipzig schon zum zweiten Mal abgesagt werden muss, trifft uns Indies hart.

Britta Jürgs, AvivA-Verlegerin und Vorsitzende der Kurt Wolff Stiftung

"Für unsere Planung ist es gut, dass die Absage so früh kommt, doch dass die Leipziger Buchmesse zum zweitenmal abgesagt werden muss, trifft uns Indies hart. Ich hatte darauf gehofft, dass unsere Autor*innen endlich wieder eine Bühne bekommen, dass die Preisträger*innen der Kurt-Wolff-Preise wieder live geehrt werden könnten, dass wir wieder persönlichen Kontakt zu Leserinnen und Lesern, Kolleginnen und Kollegen haben könnten.

Wir werden natürlich auch von Seiten der Kurt Wolff Stiftung versuchen, die Bücher der Unabhängigen dennoch sichtbarer zu machen."

Wir sehnen uns nach unseren Autor*innen, Kolleg*innen, Leser*innen

Karina Fenner, Voland & Quist

"Dass jetzt die dritte Buchmesse in Folge abgesagt wird, schmerzt uns - wir sehnen uns nach unseren Autor*innen, Kolleg*innen, Leser*innen, eben nach all den Leuten, die unsere Bücher lebendig machen. Was wir nun tun?

  1. Eigenes schaffen - wir planen aktuell, unser Frühjahrsprogramm in kleinen eigenen Formaten live erfahrbar zu machen, und
  2. darauf setzen, dass das daraus entstehende Mehr an Zeit von allen Büchermenschen zum Weiterplanen und natürlich: zum Lesen genutzt wird." 

Wir sind froh, dass die Messe ihre Entscheidung frühzeitig getroffen hat.

Katja Meinecke-Meurer, Tessloff Verlag

„Wie wahrscheinlich alle Kolleginnen und Kollegen, bedauern wir die Absage sehr! Für die Branche wäre ein Treffen sehr wichtig gewesen. Es ist einfach schade! Aber natürlich haben wir aufgrund der aktuellen Situation vollstes Verständnis und sind auch sehr froh, dass die Messe ihre Entscheidung frühzeitig getroffen hat - so haben wir Planungssicherheit und können uns auf die Konzeption und Umsetzung der digitalen Formate konzentrieren.“

Anouschka Albertz

Anuschka Albertz, Ravensburger Verlag

„Das ist sehr schade, wir haben uns so auf die persönlichen Begegnungen mit allen Büchermenschen gefreut. Aber natürlich geht im Moment die Gesundheit aller und die Eindämmung der Pandemie vor. Wir hoffen auf ein Wiedersehen spätestens in Frankfurt!“

Dass es im Mai dennoch ausgewählte Präsenzveranstaltungen in Leipzig geben wird, ist die gute Nachricht.

Kerstin Gleba, Verlegerin Kiepenheuer & Witsch:

"Natürlich bedauern wir die Absage der Leipziger Buchmesse sehr. Aber es ist angesichts der pandemischen Lage eine umsichtige und vernünftige Entscheidung. Dass es im Mai dennoch ausgewählte Präsenzveranstaltungen in Leipzig geben wird, ist die gute Nachricht. Wir werden in den nächsten Wochen ausloten, welche unserer AutorInnen dort mit ihren Büchern auftreten können. Unseren aktuellen Neuerscheinungen bauen wir im Frühjahr – auch im Zusammenspiel mit bewährten Veranstaltungspartnern – digitale Bühnen, wie wir es auch im Herbst schon erfolgreich getan haben. Die Feinplanung dieser Formate läuft gerade auf Hochtouren und wird bald für eine breite Öffentlichkeit sichtbar."

Ralf Rebscher, Magellan Verlag

"Wir hatten uns in der Tat erst gar nicht angemeldet, weil für uns schon Ende letzten Jahres klar war, dass auch diese Messe nicht funktionieren kann. Man denke nur an all die Bestimmungen in den Vorgaben der Messe und nicht zuletzt auch die Zielgruppe bei uns im Kinder- und Jugendbuch, die bei der Impfstrategie bis zu diesem Zeitpunkt außen vor gewesen wäre."

Wir planen weiterhin mit dem großartigen Team von Leipzig liest!

Jana Krimmling, Mitteldeutscher Verlag:

"Wir verstehen die Absage, daran gibt es kein rütteln! Aber natürlich ist es wie letztes Jahr eine Katastrophe. Besonders für unsere Autor*innen deren Novitäten nun einen Dämpfer bekommen. Wir hatten bereits letztes Jahr unseren Stand angemeldet. Auch unser Kreativteam für den Stand – Helmut Stabe und Johannes Albrecht – hat bereits mit den Hufen gescharrt und wir wollten zeitnah darüber sprechen. Für uns ist die Messe eine der großen Gelegenheiten unser Programm Büchermenschen vorzustellen, ob das Buchhandel, Medienschaffende, Verlagsfreunde und/oder leidenschaftliche Leser*innen betrifft. Der Austausch wird fehlen. Das hat natürlich Auswirkungen auf unsere Verkäufe also den Gesamtumsatz, der letztes Jahr schon deutlich gelitten hat.

Wir standen seit Anfang Dezember mit unseren Autor*innen und dem Leipzig liest-Team in Kontakt, um zu eruieren welche Veranstaltungen überhaupt möglich sind. Einige Lesungen für das Lesefestival sind bereits geplant. Unter anderem mit den Leipziger Lokalmatadoren Henner Kotte und Gerhard Pötzsch, die beide ihre neuen Romane vorstellen wollten. Zudem gab es Pläne mit dem Zeitgeschichtlichen Forum und den beiden Journalistinnen Ilka Wild und Carolin Wilms ihr Sachbuch "Sind wir uns wirklich einig?" zu präsentieren. Auch wurden schon Pläne mit unseren internationalen Kooperationspartnern aus Georgien, Litauen und Tschechien geschmiedet. Es wird trotzdem Buchvorstellungen geben, in welcher Form steht noch in den Sternen. Aber wir planen weiterhin mit dem großartigen Team von Leipzig liest!

Letztes Jahr haben wir bereits einige Hybridveranstaltungen durchgeführt und waren sehr zufrieden damit. Wir müssen uns in den nächsten Wochen mit den Veranstaltungsorten in Verbindung setzen und schauen was möglich ist.

Wie wir unser Frühjahrsprogramm nun alternativ sichtbar machen können, ist eine Frage, die wir in den nächsten Tagen eingehend besprechen müssen. Natürlich setzen wir auf die Buchhändler*innen, die bspw. in einigen Bundesländern noch offen haben bzw. an die Kundschaft ausliefern können. Zudem gibt es neue Formate wie buch@handel die wir ausprobieren wollen. Aber es schmerzen Nachrichten über drastische Kürzungen der Buchbesprechungen in den öffentlich-rechtlichen Medien umso mehr. 

Wir bereiten zur Zeit einen virtuellen Messeauftritt zur Didacta im Mai vor - und prüfen, wie wir ihn auch für Leipzig einsetzen können.

Michiko Wemmje, Leiterin Veranstaltungsmanagement in der Westermann Gruppe

"Die Westermann Gruppe hat sich vorsorglich darauf eingestellt, dass in diesem Jahr keine Präsenzmessen stattfinden könnten. Wir bereiten daher zur Zeit einen virtuellen Messeauftritt zur Didacta im Mai vor und prüfen nun, wie wir ihn auch für die Leipziger Buchmesse und gegebenenfalls weitere Messen einsetzen können. Dabei ist es uns wichtig, dass wir möglichst viele Elemente einer Live-Messe in dieses Format übernehmen. So werden wir nicht nur Produkte zeigen, sondern Veranstaltungen und Edutainment bieten und für unsere Besucherinnen und Besucher persönlich ansprechbar sein.

Da wir bereits im vergangenen Jahr sehr erfolgreich eine virtuelle Messe im Rahmen der Didacta durchgeführt haben, freuen wir uns, diese Erfahrungen nun kreativ in unseren neuen Messeauftritt einzubringen und dort mit möglichst vielen Kunden in Kontakt treten zu können. Darüber hinaus informieren wir unsere Kunden jetzt im Lockdown vermehrt in Webinaren und, für den individuellen Schulbedarf, in Online-Präsentationen. Dies ist natürlich kein Ersatz für den unmittelbaren persönlichen Austausch, der hoffentlich in absehbarer Zeit wieder möglich sein wird."

Dass wir es als Branche gemeinsam scheinbar nicht schaffen, eine tragfähige, autonome (hybride) Alternative anzubieten, um unseren Büchern und Kreativen eine Bühne zu bereiten, ist sehr schade…

Thilo Schmid, Geschäftsführer Marketing und Vertrieb der Verlagsgruppe Oetinger

"Ich teile die Ansicht, dass die Verantwortlichen mit der Absage der Leipziger Buchmesse eine schwierige Entscheidung zu treffen hatten und dies nun umsichtig geschehen ist. Aber dass wir es als Branche gemeinsam scheinbar nicht schaffen, eine tragfähige, autonome (hybride) Alternative anzubieten, um unseren Büchern und Kreativen eine Bühne zu bereiten, ist sehr schade… die Großen werden Wege für mehr Sichtbarkeit finden. Wir versuchen gerade auf der Event-Plattform HeldenstückeLive die Reichweiten Kräfte von Verlagen und Kreativen zu bündeln. Hier können alle mitmachen."

In Zeiten geschlossener Buchhandlungen dienen die Medien in besonderem Maße als erweiterte Schaufenster für unsere Titel.

Raphael Iwanczuk, Ellert & Richter

"Die Absage der Leipziger Messe ist schade und traurig, weil ein großes Branchenereignis wieder nicht stattfinden kann und Möglichkeiten der Begegnung mit KollegInnen und LeserInnen damit wegfallen sowie AutorInnen die mediale Öffentlichkeit fehlt. In Zeiten geschlossener Buchhandlungen dienen die Medien in besonderem Maße als erweiterte Schaufenster für unsere Titel, und so versuchen wir über Rezensionen, Interviews und Buchvorstellung auch weiterhin in der Öffentlichkeit präsent zu sein. Aber ganz geschlossen sind die Buchhandlungen ja auch nicht und werden von uns und unseren Vertretern nach wie vor per Mail und über Telefon gezielt in aktiver Vertriebsarbeit informiert.“