Der Brief im Wortlaut:
Die Leipziger Buchmesse ist abgesagt. Zum dritten Mal und in einem dramatischen Rennen. Noch am 8. Februar erklärten die Verlage der Kurt-Wolff-Stiftung, dass sie die Messe für unverzichtbar halten. Geholfen hat es nicht. Die Absage der Leipziger Buchmesse ist nicht nur für Verlage, Autor*innen und die Region Leipzig ein ökonomischer Verlust, sie ist ein schwerer Schlag gegen die Kulturlandschaft und zeugt von gesellschaftspolitischer Kurzsichtigkeit.
Büchermacher*innen bestellen die Felder Sprache, Erzählung, Bildung, Wissen, Weltwahrnehmung, Geschichte. Ohne ihre idealistische Hingabe veröden diese Felder und werden zu Monokulturen profitorientierter Bewirtschaftung.
Bibliodiversität bedarf kulturellen Verantwortungsgefühls, publizistischer
Vielfalt und des solidarischen Miteinanders. Die Leipziger Buchmesse ist ein Ort, dies zu zeigen und zu feiern, und Motor zugleich, sie ermöglicht Begegnungen und Entdeckungen, die nicht einem unmittelbaren Verwertungszwang unterworfen sind.
Die Leipziger Buchmesse ist die Begegnungsstätte für Lesepublikum, Autor*innen und Büchermachende. Nur hier erfahren kühne, engagierte, nichtetablierte Autor*innen und Verlage so viel Sichtbarkeit und Interesse. Nur hier wird durch die Vielzahl der Veranstaltungen bei "Leipzig liest" im gesamten Stadtgebiet die Relevanz von Büchern für die Gesellschaft, unabhängig von Verlagsgröße und Bestsellerlisten, explizit zelebriert.
Wir brauchen nicht weniger als eine von den Konzernverlagen unabhängige deutsche Buchbranche.
Letztlich haben wir in Frankfurt genau das gleiche Problem. Die Finanzierung erfolgt hauptsächlich durch die Standgebühren der großen Verlage. Und die fragen sich seit Jahren, ob die horrenden Kosten, Standgebühren, Hotel und Spesen in irgend einer sinnvollen Relation zur Wirkung stehen. Zwei Jahre Pandemie haben gezeigt, dass ein Leben ohne Buchmesse nicht so schön, aber durchaus möglich ist. Wenn wir die Messen erhalten wollen, dann brauchen wir keine Appelle des Kulturjournalismus, wir brauchen Messekonzepte, die Nutzen schaffen und die Kunden wieder ins Zentrum stellen. Da sind alle Ideen willkommen. Ob der Ausschluss von Konzernverlagen eine gute Idee ist? Ich denke, da muss besseres kommen.