Nach umstrittener Schulaufgabe

Cornelsen überarbeitet Schulbuch

16. Februar 2022
Redaktion Börsenblatt

Eine umstrittene Aufgabe in einem Philosophie-Lehrbuch hat an einem Siegburger Gymnasium und in NRW Diskussionen über Rassismus ausgelöst. Das Landesschulministerium in NRW hat das Buch zurückgezogen, Cornelsen nimmt Stellung und überarbeitet.

Grund für die Aufregung ist eine Aufgabe im Schulbuch "Zugänge zur Philosophie", das bei Cornelsen erschienen ist. Unter dem Thema „Eine Ethik für alle Kulturen? – Problemöffnung im Spannungsfeld zwischen Kulturrelativismus und Universalismus“ war als Beispiel der Fall eines türkischen Familienvaters in Deutschland aufgeführt worden. Dieser hat in dem Beispiel seine Tochter ohne deren Einverständnis mit dem Sohn seines verstorbenen Bruders verheiratet, um diesem eine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland und damit eine Existenz zu sichern.

Berichtet hatte davon unter anderem der "General-Anzeiger Bonn". Auf dessen Anfrage hat das Schulministerium mitgeteilt, dass die konkrete Aufgabe gegen das Kriterium der Diskriminierungsfreiheit verstoße. "Das Ministerium für Schule und Bildung wird das in Rede stehende Schulbuch darüber hinaus intensiv prüfen und den Verlag auffordern, das Schulbuch zu überarbeiten.“

Die Haltung der Landesregierung sei darüber hinaus „glasklar“. Schulen seien Orte des Miteinanders, an denen es keinen Platz für Ausgrenzung und Vorurteile in welcher Form auch immer gebe.

Beschwerde legte auch die Föderation Türkischer Elternvereine in einem offenen Brief ans Schulministerium ein. „Leider waren nicht nur wir, sondern auch viele türkischstämmige Eltern aus NRW und anderen Bundesländern fassungslos über eine extrem vorurteilsbehaftete und klischeehafte Aufgabenstellung“, so die Vorsitzende Aysun Aydemir. „Diese Art der Unterrichtsgestaltung bedient sich des Vokabulars von rechtsradikalen Populisten und trägt dazu bei, dass sich diese Art von Klischees in den Köpfen der Schüler*innen verfestigt, was dazu führt, dass solche Klischees mit allen türkischstämmigen Familien in Verbindung gebracht werden.“ 

Ausführlich hat Dylan Cem Akalin im Bonner General-Anzeiger berichtet: Siegburg: Nach Rassismus-Vorwürfe durch Schulaufgabe - Ministerium zieht Schulbuch zurück

Cornelsen: "Darstellung ist unnötig zugespitzt"

Auf Nachfrage des Börsenblatts betont Cornelsen, der Verlag betrachte es als seine Aufgabe, Vielfalt in Schule und Unterricht zu stärken, ein respektvolles Miteinander zu fördern. "Wir setzen auf einen regelmäßigen Austausch mit Experten, unabhängigen Institutionen und wissenschaftlichen Einrichtungen und nutzen einen regelmäßigen Schulterblick durch unser Netzwerk 'Diversity & Inclusion'. Daher bedauern wir die durch die Schulbuchaufgabe ausgelöste Rassismusdiskussion sehr."

"Die Einführung in philosophische Diskussionen und die Vermittlung entsprechender Methoden steht für uns im Vordergrund, gleichwohl greifen wir bewusst unterschiedliche Lebenssituationen auf, um den Jugendlichen Gelegenheit zu geben, immer wieder den eigenen Blick zu weiten und sich mit unterschiedlichen Sichtweisen auseinanderzusetzen", sagt Pressesprecherin Irina Groh. In diesem Sinne habe auch das auf Seite 71 des Schulbuchs "Zugänge zur Philosophie" genannte Beispiel zur Zwangsverheiratung Eingang ins Schulbuch gefunden – "übrigens ein reales Beispiel aus dem türkischen Bekanntenkreis des Autorenteams. Unsere Redaktion hat die Seite heute geprüft und ist der Ansicht, dass die Darstellung unnötig zugespitzt und klischeehaft ist. Auch wenn die geschilderte Extremsituation geeignet ist, um ein Dilemma philosphisch zu diskutieren, werden wir es umgehend im Nachdruck gegen eine Neuformulierung austauschen. Wir sind der Ansicht, dass Schule Impulse geben soll, sich mit unterschiedlichen Ansichten und Lebensformen auseinanderzusetzen, aber Schule soll auch der Ort eines guten, vorurteilsfreien Miteinanders sein. Wir setzen uns daher gegen Stereotype und Vorurteile in Schule ein."