Die Sonntagsfrage

Wie offen ist der Buchmarkt für Selfpublisher, Frau Leonhard?

6. Februar 2022
Redaktion Börsenblatt

Selfpublishing spielt im Buchmarkt eine immer größere Rolle, schon ein Fünftel der im Selfpublishing-Verband organisierten Autorinnen und Autoren schreibt hauptberuflich, nur noch 20 Prozent der Mitglieder bezeichnen ihr Schreiben als Hobby. Wie es mit der Professionalisierung 2022 weitergeht, welche Rolle der Buchhandel für den Vertrieb der selbst verlegten Werke spielt und was sich die Selfpublisher von der Buchbranche wünschen, erklärt Tamara Leonhard, Vorsitzende des Selfpublisher-Verbands.  

Unser Verband feierte diese Woche sein siebenjähriges Bestehen. In dieser kurzen Zeit hat sich viel getan. Freie Autorinnen und Autoren haben sich professionalisiert, gleichzeitig ist die Offenheit am Buchmarkt gegenüber verlagsunabhängigen Büchern größer geworden. Viele Schreibende setzen heute auf ein Hybridkonzept, bei dem sie nicht grundsätzlich, sondern projektbezogen entscheiden, ob ein Buch im Verlag oder im Selfpublishing erscheint.

Nachdem inzwischen in der Branche angekommen ist, dass der Veröffentlichungsweg kein Qualitätskriterium ist, sehe ich für 2022 eine der wichtigsten Aufgaben des Verbands darin, diese Entscheidungsfreiheit zu stärken und noch verschlossene Türen zu öffnen. Hier sprechen wir etwa von Förderstellen, Verbänden und auch Medien, die noch keine Selfpublishing-Werke akzeptieren - und die so die Unabhängigkeit bei der Wahl der Veröffentlichungsform schmälern. Wichtig ist außerdem, die Beziehung zwischen Buchhandel und Selfpublishern zu festigen.

Selfpublisher und der stationäre Buchhandel

Natürlich sind E-Books im Selfpublishing ein wichtiges Thema. Durch Corona haben E-Books für einige Lesende neu an Bedeutung gewonnen, was für Selfpublisher sicherlich ein Gewinn war. Eine Auswirkung auf den stationären Handel folgt daraus nicht unbedingt. Die Hürden liegen eher in der praktischen Umsetzung: Anders als bei Verlagsprogrammen ist es komplexer, eine passende Auswahl unabhängig veröffentlichter Bücher zu finden. Oft wird außerdem angenommen, Selfpublishing-Werke wären nicht remittierbar oder nicht übers Barsortiment bestellbar. Möglich ist jedoch beides. Hier gilt es für den Verband, weiter aufzuklären. In der Vergangenheit gab es dazu beispielsweise gemeinsame Veranstaltungen mit Umbreit.

Selfpublishing und Papierknappheit

In Zeiten von Papierknappheit stellt das E-Book natürlich eine ressourcenschonende Alternative dar. Ich sehe da aber keinen Unterschied zwischen Verlags- und Selfpublishing-Titeln. Allerdings hat die gängige Selfpublishing-Praxis, auf Print on Demand zu setzen, klare Vorteile. Anstelle eines großen Auflagendrucks, der Papier, Lagerkapazität und finanzielle Mittel bindet, wird der bedarfsorientierte Druck in Zukunft auch für Verlage ein Thema sein, mit dem man sich intensiver beschäftigen muss.

Wünsche der Selfpublisher an die Buchbranche

Als Selfpublisher-Verband wünschen wir uns, dass die Schreibenden als Basis der gesamten Buchbranche wieder mehr im Fokus stehen. Das fängt bei finanziellen Aspekten an – während es selbstverständlich ist, dass Buchhändlerinnen, Bibliothekare, Verlagsvertreter und Lektorinnen von ihrer Arbeit leben müssen, kommen viele Schreibende nur mit einem zusätzlichen Brotjob über die Runden – und geht bei der Entscheidungsgewalt im Urheberrecht und beim Veröffentlichungsweg weiter.

Dialog auf Augenhöhe ist das A und O. An dieser Stelle sehe ich auch eine große Chance in der Beziehung zum Börsenverein. Als neben den Verlagen gleichberechtigt eingebundene Autor:innenvertretung könnten wir  deutlich besser Vorurteile und Unsicherheiten abbauen und gemeinsame Ziele in den Fokus rücken.