Sonntagsfrage

Was hat Ihnen die Buchmesse gebracht, Sonja Lehmann?

27. Oktober 2024
Redaktion Börsenblatt

Bücher in den Medien, der Hype um New Adult, die Sonntagsreden der Politiker:innen und Thalias Mega-Messestand: Sonja Lehmann, Inhaberin der Buchhandlung Bücherwurm in Borken, hat sich so ihre Gedanken über die Frankfurter Buchmesse gemacht. Ihre Impressionen lesen Sie in der Sonntagsfrage. 

Sonja Lehmann, Bücherwurm, Borken

Frankfurter Buchmesse: Buchaffine Menschen pilgern in das Buchmekka Frankfurt. 2,5 Tage sind für das Fachpublikum und 2,5 Tage für die Öffentlichkeit reserviert. Wie mein Branchenkollege, der Verleger Thomas Glaw, so schön sagte: "Das Feuilleton zieht Freitagmittag raus und der Boulevard zieht ein." Welche Signale gehen von der Buchmesse aus? Alles eine Frage der Perspektive. Es ist schön zu sehen wie das Buch während der Messezeit in aller Munde bzw. in allen Zeitungen, Radiosendern und Fernsehsendern einen großen Auftritt bekommt. Fernsehsendungen? Sollte dort nicht ebenso wie beim Rundfunk die Kultur gekürzt werden? Das bedeutet wohl: Keine Buchvorstellungen mehr außerhalb der Bestsellerlisten bzw. dem Mainstream. Werden sich die Buchbesprechungen dann auf die Woche der Buchmesse beschränken? Wir brauchen das ganze Jahr über Buchbesprechungen!

Können wir Buchhändler Young Adult?

Mainstream - gutes Stichwort: Dieses Jahr gab es die Halle 1.2. für Young Adult / New Adult. Eine Literatursparte die momentan gehypt wird und in der viel Kundenpotential steckt. Ich frage mal provokant: Haben wir diese Kunden in der Buchhandlung? Können wir diese Vielfältigkeit überhaupt bieten bzw. finanzieren? Wenn wir die Schlangen zu den Signierstunden auf der Messe sehen, werden wir schon wehmütig. Die Schlangen im stationären Buchhandel sind nicht so lang. Wir machen uns dann mal Gedanken, warum das so ist.

"Warum hat Thalia den größten Stand auf der Buchmesse?"

Ach ja, und dann sind wir Buchmenschen vielleicht auch selbst auf der Buchmesse. Die Messeluft atmen, Kollegen treffen, Termine bei Dienstleistern abarbeiten und den „Branchentratsch“ auf den Gängen aufnehmen. Was heißt das? Erstmal fasziniert das Bücherflair. Beim zweiten Blick wird es kritisch: Warum hat Thalia den größten Stand auf der Buchmesse? Was bedeutet es, Partnerbuchhandlung von Thalia zu sein? Warum steht da im Thalia-Folder was von „erweitertes Sortiment durch Eigenmarken“? Und warum ist der Verlag xy nicht da? Sind vielleicht die Standgebühren zu hoch?

"Politiker sollten nicht nur über die Messe schlendern, sondern handeln"

Kosten - ein Thema, das in den Gängen sehr häufig diskutiert wurde. Weniger Buch mehr Non-Book, das wäre eine Lösung für den Buchhandel, weil der Rabatt bei Non-Book-Artikeln höher ist. Mehr Marketing auf den Social Media Kanälen. Auch die Politik könnte beim Kostenrädchen mit drehen. Politiker sollten nicht nur über die Messe schlendern, sondern auch mal Probleme benennen und handeln. Schulbuchrabatte und Bibliotheksrabatte sind im Preisbindungsgesetz seit vielen Jahren festgelegt. Sind sie noch zeitgemäß? Sollten diese nicht mal überprüft und angepasst werden? Hier ist auch unsere Branchenpolitik gefragt. Eine bessere Gesprächsbühne wie die Buchmesse kann es nicht geben. Also nicht nur Sonntagsreden, bitte!

"Ach was, das Buch wird nicht sterben"

Und dann war noch die eine oder andere Preisverleihung. Bei derartigen Wettbewerben gibt es immer Verlierer, der eine oder andere ist gekränkt, weil er den Preis nicht bekommen hat. Doch muss man dann gleich so „austeilen“ wie Clemens Meyer? Man muss auch gönnen können und vielleicht einfach mal Inne halten. Aber so ein Ausraster ist natürlich auch ein toller Marketingtrick, um sein Buch ins „richtige Licht“ zu rücken.

Und dann noch, wie zu jeder Messe, die Diskussion über das Ende des gedruckten Buches. Das Buch werde sterben, heißt es in schöner Regelmäßigkeit. Ach was, das Buch wird nicht sterben. Diese Debatten hatten wir schon als die Videos, Hörbücher und E-Books den Markt bevölkerten. Es wird nur anders sein. Sagen wir Buch 2.0.