Die Sonntagsfrage vom 30. August 2020

Wie kommt man zur eigenen Geschäftsimmobilie, Frau Zvidrina?

30. August 2020
Redaktion Börsenblatt

Neuer Hauseigentümer, und die Mietverträge werden gekündigt? Diesem Schicksal wollte die Bremer Buchhandlung Golden Shop entgehen. Sie gründete mit den anderen Mietern eine GmbH, die das Haus kaufte. Buchhändlerin Ausma Zvidrina über die turbulenten letzten Wochen und 120 private Kreditgeber. 

Dass das Haus, in dem die Buchhandlung Golden Shop und der Verlag Golden Press seit 13 Jahren ihren Sitz hat, verkauft werden soll, wussten wir zunächst gar nicht. Wir haben es erst gemerkt, als sich im Mai fremde Leute in unseren Räumen umsehen wollten, die sich als potenzielle Käufer entpuppten, darunter auch eine Immobilienfirma. Dass das nichts Gutes verhieß, war uns klar, denn unsere Rückfragen zeigten, dass wir in ihren Plänen gar nicht mehr vorkamen. Deshalb haben wir – also unsere Buchhandlung und Verlag, ein Plattenlabel, eine freie Tanzschule und ein Künstler – zu unserem Vermieter gesagt: Das geht gar nicht! Und warum verkaufst Du nicht an uns?  

Dann haben wir überlegt und alle Mieter haben einen Hausverein gegründet, den Golden Club. Der wiederum hat eine GmbH gegründet, die Golden Home GmbH, in der er der erste Gesellschafter ist. Als zweiten Gesellschafter haben wir die Mietshäuser Syndikat GmbH ins Boot geholt: Die Beteiligungsgesellschaft gibt es seit 1993 und unterstützt zurzeit etwa 158 Hausprojekte in Deutschland. Es geht immer darum, dass langjährige Bewohner „ihr“ Haus in einer Selbstorganisation als gemeinsames Eigentum übernehmen können und nicht beim nächsten Hausverkauf auf der Straße stehen. Das bedeutet auch, dass die Häuser dem Immobilienmarkt entzogen werden – das Mietshaus Syndikat würde also einen Weiterverkauf blockieren. 

Jetzt haben wir mehr als 120 Kreditgeber, die uns über 400.000 Euro geliehen haben.

Ausma Zvidrina

Jetzt war uns Mietern rasch klar, dass wir ziemlich viel Geld brauchen werden, weil das Haus im angesagten Viertel in Bremen steht, Fehrfeld 4. Ein schönes altes Haus mit 200 Quadratmetern Gewerbefläche und einer 120 Quadratmeter großen Sechs-Zimmer-Wohnung, aus der gerade eine WG ausgezogen ist. Aber auch sanierungsbedürftig. Ebenso klar war, dass wir selbst nicht so viel Geld zusammenbringen können. Bleiben also die Bankkredite, aber die sind teuer, gerade wenn die Mieten einigermaßen sozialverträglich sein sollen. Deshalb haben wir sympathische Leute gesucht, die uns direkt Kredite mit niedrigem Zinssatz und langer Laufzeit geben würden, haben ordentlich getrommelt, es musste ja schnell gehen. Angepeilt hatten wir so 270.000 Euro an Direktkrediten. Unsere Slogans wie „1000 Euro geh’n doch immer“ und „More Gold – less Bank“ haben anscheinend ziemlich gut gezogen: Jetzt haben wir mehr als 120 Kreditgeber, die uns über 400.000 Euro geliehen haben. Brauchen wir also nur 250.000 Euro von der Bank, das klappt. 

So konnten wir den Hauseigentümer überzeugen – dass wir eine GmbH gründen könnten, daran hatte er nie im Leben gedacht. Er kam uns entgegen, und er findet es gut, dass wir wohnen bleiben. Am Dienstag haben wir den Kaufvertrag unterschrieben und sind ziemlich erleichtert. Der Hausverein wird dann die Mietverträge vergeben. Unterm Strich: Das haben wir in vier Monaten doch ganz zackig über die Bühne gebracht.

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