Die Sonntagsfrage

Was machen Sie neu im Traditionsverlag Ulrike Helmer, Frau Hauer?   

12. März 2023
Redaktion Börsenblatt

Sina Hauer hat einen der ältesten Frauenverlage Deutschlands übernommen, den Ulrike Helmer Verlag. Wie groß sind die Fußstapfen? Was wird sich ändern? Wie steht der Verlag wirtschaftlich da? Und: Braucht die Buchbranche überhaupt noch einen Frauenverlag, wo doch das Thema Diversität in aller Munde ist? Antworten von Sina Hauer.

Sina Hauer

Sina Hauer

Als sich im letzten Jahr abzeichnete, dass sich Ulrike Helmer nach 35 Jahren Verlagsarbeit zurückziehen wird, stand für mich fest: Dieser unabhängige Verlag mit seinem wichtigen feministischen Programm muss für eine vielfältige Literatur- und Verlagsszene erhalten bleiben. Leider sind es ja oft gerade Unternehmen, Vereine, Stiftungen von und/oder für Frauen, die verschwinden, wie zuletzt der Verlag Krug und Schadenberg, der 30 Jahre lang großartige Arbeit besonders für lesbische Frauen leistete. Im Mai 2022 übernahm ich also den Ulrike Helmer Verlag und ging freudig-euphorisch mit meiner neu eingestellten Kollegin Julia Hoch ans Werk. Auch schön: Ulrike Helmer steht uns bei Bedarf noch beratend zur Verfügung.

Steigende Kosten in allen Bereichen und Leser:innenschwund machen unabhängiges und feministisches Verlegen ohne Förderung, wie sie beispielsweise in Österreich oder in der Schweiz existiert, sehr schwer.

Neulich zitierte das Börsenblatt den Verleger KD Wolff: »Die Leute, die anfangen, Verlage zu gründen, haben einen Knall!« – Heute, fast ein Jahr nach der Verlagsübernahme, stimme ich ihm schmunzelnd zu. Steigende Kosten in allen Bereichen und Leser:innenschwund machen unabhängiges und feministisches Verlegen ohne Förderung, wie sie beispielsweise in Österreich oder in der Schweiz existiert, sehr schwer.

Dabei mangelt es nicht an guten Ideen: Seit letztem Jahr produzieren wir einige Nachdrucke auf der Basis von Print on Demand, um im Sinne der Nachhaltigkeit den Gesamtpapierverbrauch zu senken und um Lager- und hohe Druckkosten von Auflagen einzusparen. Weil auch E-Books eine wichtige Einnahmequelle für uns sind, ist für 2024 eine Digital-Only-Reihe geplant. Zusätzlich möchten wir Hörbücher anbieten, sobald es das Budget hergibt.

Genrevielfalt als Stärke

Eine neue Datenbank, ein frisches Design für Vorschau und Website runden die Neuerungen ab. Große Änderungen im Programm wird es hingegen nicht geben. Die Genrevielfalt sehen wir als Stärke: So erscheint im Frühjahr u.a. neben Carolin Schairers lesbischem Liebesroman »Mit einem Lächeln« auch der Krimi von Isabel Rohner »Kalte Sophie«, in dem sie die patriarchalen Strukturen in der Kunstwelt und im Universitätsbetrieb aufdeckt – und das mit viel Humor! – und ein Sachbuch von Shirin Lausch, über Frauen aus aller Herrinnen Länder und ihre Erfahrungen als Mütter in Deutschland.

Vom Buchhandel wünsche ich mir, dass er zum Mut der Vor-Pandemie-Jahre zurückfindet und dass nicht nur für den Indiebook-Sondertisch im März in den Programmen von unabhängigen Verlagen gestöbert und bestellt wird.

Seit 1987 sind im Helmer Verlag ca. 600 Titel erschienen, heute umfasst das Verlagsprogramm rund 200 lieferbare Titel. Pro Jahr kommen ca. zehn Neuerscheinungen hinzu. Der Helmer Verlag steht weiterhin für Frauen- und Geschlechterthemen, denn obwohl das Thema Diversität mittlerweile von den »Großen« entdeckt wurde, bleiben solche Titel doch eher Ausnahmen in den Programmen – und der Bedarf ist groß, es ist noch ein weiter Weg zur Geschlechterdemokratie, man bedenke zum Beispiel Pay und Care Gap.

Vom Buchhandel wünsche ich mir, dass er zum Mut der Vor-Pandemie-Jahre zurückfindet und dass nicht nur für den Indiebook-Sondertisch im März in den Programmen von unabhängigen Verlagen gestöbert und bestellt wird. Ich verspreche: Es lohnt sich!