Sonntagsfrage: "Verlage gegen Rechts"

Was kann die Buchbranche gegen rechte Ideologien tun, Frau Dohmeyer?

25. Februar 2024
Redaktion Börsenblatt

Seit der Recherche über ein geheimes rechtsextremes Treffen wird öffentlich über rechte Politik diskutiert – auch in der Buchbranche. Schon seit 2016 gibt es das Aktionsbündnis "Verlage gegen Rechts", das Aufmerksamkeit auf das Problem rechter Ideologien in der Verlagswelt lenken will. Harriet Dohmeyer, Verlegerin des Ankerwechsel Verlags, erklärt, was sich für die Initiative seit diesem Jahr verändert hat und welchen Handlungsbedarf es in der Buchbranche weiterhin gibt.

Verlegerin Harriet Dohmeyer

Durch die Correctiv-Recherche wurde ein öffentlicher Diskurs über rechte Parteien, Politik und Ideologien gestartet. Hat sich seitdem etwas für "Verlage gegen Rechts" verändert?

Wir bekommen aktuell eine größere Aufmerksamkeit, werden um Material gebeten und Kolleg:innen wollen sich engagieren. Das liegt sicherlich an den aktuellen Protesten und dem medialen Interesse. Aber auch an unserer Kampagne „Bücher, die wissen, wo sie stehen“, die wir bereits im Dezember vergangenen Jahres gestartet haben.

Wie nehmen Sie die aktuelle Stimmung in der Buchbranche zu Themen wie Rassismus, Sexismus und Diskriminierung wahr?

Ich habe das Gefühl, dass für einige Themen das Bewusstsein gewachsen ist. Gleichzeitig könnten (und müssen) sich noch viel mehr Akteur:innen innerhalb der Branche gegen verschiedene Diskriminierungsformen positionieren und sich solidarischer einsetzen. Uns kontaktierten bisher ausschließlich kleine, unabhängige Verlage, Buchhandlungen und Einzelpersonen aus der Branche. Klare Positionierungen von Verlagskonzernen vermissen wir nach wie vor.

Was wünschen Sie sich von der Buchbranche in Bezug auf den Umgang mit diesen Themen?

Als Bündnis sind wir offen für alle Berufsgruppen aus der Branche, aber speziell Verlage tragen eine große Verantwortung. Mit der Auswahl unserer Titel können wir den Fokus auf gesellschaftlich relevante Themen und Perspektiven lenken. Es ist ein politischer Akt, ein Buch zu verlegen. Das müssen sich alle bewusst machen. Sich als politisch neutral zu deklarieren, ist schlichtweg fahrlässig. Die Themen sollten außerdem auch nach Innen genug Reflexion finden. Führungskräfte müssen Vorbild sein und demokratische Diskussionen fördern. Wir wünschen uns einen wachen, vielfältigen, respektvollen Literaturbetrieb – und zwar nicht nur von kleinen Verlagen, sondern auch von den großen Konzernen, die durch ihre Mittel und große Auflagen den Diskurs wesentlich bestimmen. 

Ihr Plakat "Bücher, die wissen, wo sie stehen" scheint recht gut bei Buchhandlungen anzukommen. Wie sind die Rückmeldungen?

Sehr positiv. Durch die klare Botschaft gegen rechte Ideologien bieten wir aktuell vielen Akteur:innen die Möglichkeit sichtbar ein Zeichen gegen Rechts zu setzen. Und der Wunsch danach ist im Zuge der aufgedeckten Correctiv-Recherchen besonders hoch. Dank der großzügigen Unterstützung von PROLIT konnten wir bereits zum Jahresende 2023 über die Vorschauauslieferung an über 2.400 Buchhandlungen bundesweit Plakate verschicken. 

Ziel des Plakats ist es auch, Spenden zu sammeln für unsere zukünftigen Aktionen, einen neuen Web-Auftritt und andere Informationsmaterialien. Die Finanzierung unseres ehrenamtlichen Bündnisses ist eine kontinuierliche Aufgabe. Wir freuen uns, dass es schon so einige Spenden gab und hoffen auf noch mehr Unterstützung. Denn trotz knapper Finanzmittel und Ehrenamtlichkeit ist es auch unser Ziel, den Menschen, die wir auf Bühnen – beispielsweise auf den Buchmessen – einladen, immer etwas zu zahlen. Das Plakat kann weiterhin bei uns bestellt werden – wenn möglich gern verbunden mit einer Spende. 

Wie engagiert sich das Bündnis auf der Leipziger Buchmesse?

"Verlage gegen Rechts" hat für die bevorstehende Leipziger Buchmesse wieder ein vielfältiges Programm mit zwölf Panels auf die Beine gestellt. Es gibt zum Beispiel einen Live-Podcast in Kooperation mit "Literarisch, Solidarisch" zu den Themen Honorare, Sicherheit und Barrierefreiheit auf der Buchmesse. In Anknüpfung an unsere Kampagne wird außerdem der Buchhandel als Treffpunkt für Nachbar*innen und Ort für demokratische Diskussion betrachtet, moderiert von Mohamed Amjahid. Mit auf der Bühne sind die Buchhandlungen "heiter bis wolkig" aus Halle, sowie "ROTORBOOKS" und "drift" aus Leipzig. Weiter gibt es auch ein Panel zum "Journalismus gegen Rechts", unter anderem mit dem Correctiv-Gründer David Schraven. 

Weitere Informationen finden sich auf der Website der Initiative, über den Email-Verteiler und auf Instagram (@verlagegegenrechts). 

Das Interview wurde am 12. Februar fertig gestellt. Am 15. Februar haben verschiedene große Verlage- und Medienhäuser die Kampagne "Zusammenland" gestartet, die ein Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen soll. 

Fragen: Sofia Lehmann