Die Sonntagsfrage

Leiden in Gelsenkirchen – was hat Ihre ironische Stellenanzeige gebracht, Herr Niewöhner?

15. Mai 2022
Redaktion Börsenblatt

„Berlin kann jeder. Gelsenkirchen ist nichts für schwache Nerven. Bewirb Dich jetzt, wenn Du Dich traust!“ Dirk Niewöhner hat für seine Buchhandlung Kottmann in Gelsenkirchen Verstärkung gesucht – und dafür in seiner Stellenanzeige die Karten sehr lustig und sympathisch auf den Tisch gelegt. Warum so und nicht seriös? Gab es neben viel Medienecho auch Bewerbungen? Kann die Machart der Anzeige anderen suchenden Buchhandlungen als Modell dienen? Antworten von Dirk Niewöhner.  

Gleich vorab: Ich habe eine Auszubildende eingestellt. Das lief jedoch parallel zur medialen Aufmerksamkeit und unabhängig davon. Nach dem Fernsehbericht haben sich verschiedene Menschen gemeldet, die auch bei sehr wohlwollender Betrachtung nicht geeignet scheinen. Insgesamt haben sich knapp zehn Leute beworben. Mit einer Buchhändlerin führe ich Gespräche, die recht vielversprechend verlaufen.

„Gelsenkirchen ist die Stadt mit der niedrigsten Lebensqualität, aber auch den geringsten Mieten“; „Da Du in Deinem Job unterbezahlt bist (findet auch der Chef), bleibt Dir hier deutlich mehr vom Netto.“ usw. Diesen durchaus ironisch gemeinten Anzeigentext habe ich über Facebook und Instagram verbreitet
und als Stellenanzeige bei Leander Wattig veröffentlicht. Außerdem online über den Börsenverein. 

"Die mediale Aufmerksamkeit hat dem Geschäft nicht geschadet"

Der WDR ist auf Instagram über den Text "gestolpert" und hat den Kontakt zu mir aufgenommen. Daraus ist ein sehr schöner Bericht für die Lokalzeit Ruhr entstanden, der viral ging. "Der Westen" hat auch berichtet und die Anzeige wurde in den Sozialen Netzwerken oft geteilt. Ich würde die Stellenanzeige trotzdem nicht unbedingt als Erfolg bezeichnen: Die mediale Aufmerksamkeit hat dem Geschäft nicht geschadet. Unsere Hunde werden seitdem häufig besucht, wir haben unzählige Gespräche geführt und hatten viel Spaß dabei. Gelegentlich hat auch mal jemand was gekauft...

Viele andere haben sich auch sehr amüsiert. Das ist doch schön! Dem eigentlichen Zweck, eine Stelle zu besetzen, hat die Anzeige aber nicht sehr geholfen.

Wie meine nächste Stellenanzeige aussehen wird? Vielleicht singe und tanze ich im Röckchen.

Wie meine nächste Stellenanzeige aussehen wird? Vielleicht singe und tanze ich im Röckchen. Ein Video dieser peinlichen Aktion wird geleakt. Das geht dann viral, alle denken, ich sei nun komplett durchgedreht und man bietet mir an, meinen Laden zu kaufen. Damit ich mich fernab der Stadt erholen kann. Dieses Angebot nehme ich an.

Einen Rat für Buchhandelskollegen, die ebenfalls auf der Suche nach Mitarbeiter:innen sind, habe ich leider nicht anzubieten. Grundsätzlich halte ich mich mit Ratschlägen zurück. Und nehme sie selbst auch nur sehr selten an.