Die Sonntagsfrage

Leben Buchhandlungen in Bad Soden im Paradies?

9. Oktober 2022
Redaktion Börsenblatt

Jahr für Jahr steht Bad Soden im Taunus auf Platz 1 der Orte mit den höchsten Pro-Kopf-Ausgaben für Bücher. Stolze 170 Euro hat jede und jeder 2021 dort in Bücher investiert. Und wie sehen das Gundi Gaab und Boris Riege, die in der Traumstadt für Buchhandlungen mit ihren Läden präsent sind? Das erzählen sie in der Sonntagsfrage. 

Dass Bad Soden bereits zum zweiten Mal an der Spitze der bundesweiten Buchverkäufe liegt, freut mein Team und mich sehr. Wir sehen es als Erfolg an und sind auch ein bisschen stolz darauf.

Es ist uns natürlich klar, dass  die Zahlen nicht nur aus Verkäufen in den beiden Buchhandlungen hier am Ort stammen, sondern im großen Umfang auch Onlineumsätze und Umsätze an anderen Verkaufsstellen für Bücher dazu zählen.

Gundi Gaab: "Die Kunden sehen sich als Teil des Erfolges"

Die Kunden freuen sich mit uns, kommen in unser Ladengeschäft, zeigen uns voller Begeisterung die Zeitungsartikel und sehen sich als Teil des Erfolges durch ihre Einkäufe vor Ort an, loben uns für unser Engagement und unsere individuelle Beratung.

Natürlich findet man in Bad Soden, wie auch in anderen Städten und Gemeinden mit hoher Kaufkraft, viele Kunden, die mehr Geld in Bildung und dementsprechend eben auch in Bücher investieren.

Das ist zweifelsfrei ein großer Vorteil, den unser Standort hat, aber wir kämpfen natürlich auch täglich gegen Onlineanbieter und Mitbewerber.

Hoffnung der Bücherstube fürs Weihnachtsgeschäft: keine Lieferengpässe!

In der Corona Krise haben wir von der Treue unserer Kunden enorm profitiert. Sie haben uns unterstützt, motiviert weiterzumachen und nicht aufzugeben.

Für das bevorstehende Weihnachtsgeschäft drücken wir uns fest die Daumen und sind positiv gestimmt. Wir sind gut gerüstet, hoffen, dass es keine Lieferengpässe geben wird und sehen zuversichtlich auf die nächsten Monate.

Rechenspiele der Buchhandlung Boris Riege

Wenn man alles herausrechnet, was nicht Buch ist - also nur den Sortimentsbuchhandel übrig lässt, so mein Vater schon in seinen Berechnungen 2015 oder 2016, kommt man insgesamt auf ca. 700.000 Euro jährlich. Also schon einmal weit entfernt von der Rechnung Einwohnerzahl mal Euro.

Und da wir ja wissen was wir an Umsatz machen und durch langjährige Erfahrung, uns gibt es ja schon seit 1983 am Ort, auch in etwa wissen, was Frau Gaab an Umsatz hat - da kommt man dann leider darauf, dass doch auch hier nochmal eine große Lücke herrscht. Viel wird dann leider doch nicht am Ort gekauft. Wir haben zwar viele zahlungskräftige Kunden, aber mit einem hohen Anteil an Auswärtspendlern. Und da hat schon damals mein Vater gemutmaßt, dass diese dann eben am Arbeitsort - und auch im Internet - bestellen.

Oder um es mit den Worten meines Vaters zu sagen: Da wir keinen Bentley fahren und Frau Gaab keinen fährt, sind die Zahlen also doch mit Vorsicht zu betrachten.

Angesprochen werden wir immer wieder, es wird von Kunden gerne wahrgenommen, dass Bad Soden hier eben vermeintlich ganz weit oben steht. Das finden die Kunden auf alle gut und positiv. 

Boris Riege: "Für manche ist Lesen kein Genuss mehr."

Die Kundschaft, die kaufstark sowie gebildet ist und liest, liegt in den 60ern oder darüber. Das sind dann ehemalige Vorstände der Deutschen Bank, Ex-Direktoren der Höchst AG, diese Art Kaliber, aber das wird natürlich zusehends dünner, eine Sache der Biologie. Darunter wird es dann schon schwieriger, wie man ja allerorts hört. Für manche ist Lesen kein Genuss mehr, diese können damit nichts anfangen. Die muss man wieder begeistern, zeigen, dass Lesen mehr ist als Zeile für Zeile eine Geschichte zu lesen.

Boris Rieger: "Den Winter sehen wir kritisch, ganz klar."

Corona hat uns natürlich schwer getroffen, wie andere auch. Gerade Buchhandlungen arbeiten ja oft schon im Normalfall mit einer dünnen Kapitaldecke, da braucht es nicht viel um das Gleichgewicht zu stören. Die staatlichen Hilfen waren leider nicht auf Buchhandlungen zugeschnitten, die aufgrund geringer Margen schon in Bedrängnis kommen, wenn der Umsatz mal um 10 Prozent zurück geht. Wenn das dann an 30 Prozent oder mehr gekoppelt ist, da ist man schon lange fort. Wir zum Beispiel liefern Schulbücher an Schulen im Wert einer kleinen Eigentumswohnung - das zählt als Umsatz, aber Gewinn macht das praktisch keinen. Das war schwer für uns.

Dass mein Vater nach kurzer Krankheit im März 2020 plötzlich gestorben ist, im Endeffekt als Corona gerade im Anmarsch war und wir dann auch noch im Juli 2021 innerhalb Bad Sodens umgezogen sind (zwar in eine bessere Lage, aber Veränderung ist Veränderung und nicht für alle leicht), hat sein Übriges getan um die bekannten Strukturen durcheinander zu werfen.

Den Winter sehen wir kritisch, ganz klar. Viele Kunden nehmen sich schon jetzt zurück oder sind zumindest gedanklich am Sparen. Da kann man momentan überhaupt keine - positive - Aussage treffen. Eher hoffen, dass es nicht so schlimm wird.

Ein Beispiel - momentan nehmen wir nur Bar und EC Karten, Kreditkarten sind von den Gebühren her einfach zu teuer. Aber es ist gut möglich, dass wir gezwungen werden, diese noch als Zahlungsmittel mit anzubieten. Denn bereits jetzt haben Kunden schon schmerzlich geschaut, wenn sie Ende des Monats hier nur mit EC Karte bezahlen können - da ist bei einigen vielleicht schon nicht mehr viel auf dem Konto und dann muss die Kreditkarte ran. Das haben wir hier noch nie erlebt in den 40 Jahren, die wir hier sind.

"Buch und Buchhandel in Zahlen 2022" / Kaufkraftkarte für Bücher

Die Kaufkraft der Bundesbürger*innen ist 2022 nicht gesunken, sondern um 4,6 Prozent gestiegen – trotz der anhaltenden Belastungen durch die Pandemie. Das geht aus aktuellen Zahlen des Marktforschungsunternehmen Nexiga hervor, die im März 2022 veröffentlicht wurden und die Kaufkraft für das laufende Jahr prognostizieren. In welchen Gemeinden das höchste Konsumpotenzial lässt sich anhand der allgemeinen Kaufkraftdaten ermitteln. Dieser Wert sagt aber noch nichts darüber aus, wie viel Geld die Bewohner:innen der einzelnen Regionen tendenziell für Bücher ausgeben. Dazu lässt Nexiga spezielle Daten zum Kaufverhalten bei Büchern in die generellen Kaufkraftdaten einfließen, etwa aus Konsument:innen-Typologien, Verbraucher:innen-Profilen und dem Mikrozensus. Das Ergebnis ist eine spezielle Kaufkraftkarte für Bücher. 

Parallelen liegen auf der Hand: Während die Buchlandschaft im Westen von den hohen Kaufkraftwerten der Ballungsräume rund um Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Stuttgart und München geprägt ist, gibt es im Osten deutlich mehr helle Flächen. Die Orte (ab 20.000 Einwohner*innen) mit der höchsten Buchkaufkraft liegen laut Nexiga im Rhein-Main-Gebiet und im Umland von München. Auf dem Siegertreppchen steht erneut Bad Soden mit genau 170 Euro, dahinter folgen wieder Bad Homburg v. d. Höhe mit gut 168 Euro und Vaterstetten am Rande des Münchner Speckgürtels mit gut 161 Euro.

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