Die Sonntagsfrage

Konnten Sie die Stammkunden halten, Herr Palent?

9. Januar 2022
Redaktion Börsenblatt

Die traditionsreiche Buchhandlung Knesebeck Elf von Leo Baumann in Berlin-Charlottenburg konnte gerettet werden – Felix Palent hat übernommen und im Oktober wiedereröffnet. Wie ist das, wenn man in so besondere Fußstapfen tritt? Was hat Palent von Baumann übernommen, welche Neuerungen gibt es mit ihm bei Knesebeck Elf? Und wie finden die Charlottenburger das? Antworten von Felix Palent.

Gewiss, das Format dieser Buchhandlung war immer ein außergewöhnliches. Nicht nur die Philosophen Slavoj Zizek und Rüdiger Safranski haben das öffentlich bezeugt, auch in vielen Gesprächen, die ich jetzt führe, klingen der literarische wie philosophische Ehrgeiz und die unkonventionelle Art von Leo Baumann an. Ja, die Herausforderung ist eine große, auch weil dieses Berliner Kulturerbe ein bisschen in die Jahre gekommen war.

Zentrum der Knesebeck Elf ist nach wie vor die Literatur, von Goethe über Gaddis bis Goldhorn, von bibliophilen Raritäten in Leder über attraktiv gestaltete Hardcover-Ausgaben bis hin zum Taschenbuch - alles ist vorhanden, in Bewegung und dabei sich gegenseitig zu inspirieren. Gleiches gilt für Sachbücher und 22 Meter Philosophie, deren Sortiment ich um einige Namen erweitert habe. Neu hinzugekommen ist viel Platz für ausgewählte Kinder- und Jugendbücher sowie ein Bereich für Grafische Literatur.

Manche Traditionslinie aber versiegt auch

Sogar einen neuen Raum haben wir zugänglich gemacht, der früher als Büro genutzt wurde. In diesem "Leo Baumann-Salon" finden sich bibliophile Besonderheiten und - von Oktober bis Januar - auch die berühmten Adventskalender. Nach denen wurde ich im Übrigen am allermeisten gefragt, auch im Juni, bei 36 Grad im Schatten: "Kehren denn auch die Adventskalender zurück?"

Manche Traditionslinie aber versiegt auch: Die Theologie und das moderne Antiquariat fortzuführen sehe ich mich nicht imstande, und für die berühmte Knesebeck Elf-Tüte, die aus so beständiger, fester Plastik war, das sie einfach für alles genutzt werden konnte, fehlt mir schlichtweg eine zündende Idee, wie dieses ikonographische Symbol wiederaufgenommen werden könnte.

Wir sehen immer wieder überraschte Gesten, ein Staunen über den lichten Raum, den ich aus dieser Bücherhöhle gemacht habe. Das ist schon ein Schock für viele Kunden, zurecht.

Es ist also viel Ähnlichkeit in diesen beiden Versionen der Knesebeck Elf, nur ist das auf den ersten Blick nicht unbedingt zu erkennen. Wir sehen immer wieder überraschte Gesten, ein Staunen über den lichten Raum, den ich aus dieser Bücherhöhle gemacht habe. Das ist schon ein Schock für viele Kunden, zurecht. Und manch einer verlässt das Geschäft direkt wieder kopfschüttelnd, schweigend. Sehr viele allerdings nehmen sich Zeit, sichten das Sortiment und erkennen in der Veränderung auch eine Beständigkeit, entdecken altbekannte Namen wieder, die eben nun andere Nachbarn bekommen haben.

Die Ouvertüre der ersten zwei Monate liegt hinter uns. Es war und ist eine herausfordernde Zeit für eine Neuerscheinung, wir hatten Mut und werden uns weiterhin viel zutrauen. Wenn nur, ja wenn nur diese vermaledeite Zeit der Einschränkungen endlich vorüber wäre... Bis dahin bleibt mir nur der Wunsch, dass AutorInnen und Verlage uns bitte mit möglichst vielen ziemlich guten Büchern bereichern möchten, denn darum geht es doch: Dass die Literatur lebendig bleibt.