Die Sonntagsfrage

"‘Der kleine Prinz‘ wird mal wieder gefeiert. Wie geht es eigentlich dem Rauch Verlag, Herr Koch?"

10. April 2021
Redaktion Börsenblatt

75 Jahre „Der kleine Prinz“ – Anfang April 1946 erschien das Buch in Frankreich. In Deutschland ist es 2025 so weit – 1950 erschien die deutsche Übersetzung im Karl Rauch Verlag. Wie es dem „Originalverlag des Kleinen Prinzen“ mit und ohne Prinzen-Jubiläum so geht, beantwortet der Verlagsleiter des Rauch Verlags, Hans-Gerd Koch, in der Sonntagsfrage.

80 lieferbare Titel gibt es aktuell im Karl Rauch Verlag. Und trotz der Epidemie haben wir unsere zehn geplanten Novitäten herausgebracht, zuletzt die Romane "Jacob träumt nicht mehr" von Clemens Bruno Gatzmaga und "Schwarz auf Weiß" von Andreas Lehmann. 

„Der kleine Prinz" spielt bei uns natürlich eine Hauptrolle. Wir haben ihn in elf verschiedenen Ausgaben im Programm. Als 2014 der Urheberschutz endete, kamen in anderen Verlagen ca. 14 weitere Ausgaben in unterschiedlichen Übersetzungen hinzu. Diese neuen Übersetzungen wurden dann stark wahrgenommen, wenn sie von prominenten Autorinnen oder Autoren stammten. Die Aufmerksamkeit, die dadurch entstand, kam letztlich unserer bekannten und beliebten Übersetzung zugute: Wir haben in dem Jahr einen Rekordabsatz verzeichnet. Verkaufszahlen wie in Frankreich erreichen wir zwar nicht, aber allein von unserer Taschenbuchausgabe haben wir bis heute etwa sieben Millionen Exemplare verkauft.

Das zweitbestverkaufte Buch

In Frankreich zählte der Kleine Prinz zu den Top-Sellern in der ersten Corona-Welle. In Deutschland merkwürdigerweise nicht. Wir haben zwar viele Anfragen wegen der Rechte für Web-Lesungen bekommen, beim Buchabsatz zeigte sich allerdings, dass "Der kleine Prinz" bei uns eher als Geschenkbuch gesehen wird, das man weniger online kauft, als im Sortiment, und Buchhandlungen sind aus den bekannten Gründen seit dem Frühjahr 2020 weitgehend geschlossen.

Das zweitbestverkaufte Buch des Rauch Verlags nach dem "Kleinen Prinzen" ist aktuell "A wie Antarktis", unser mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2020 ausgezeichnetes Familienbuch. In der Nachkriegszeit waren es zeitweilig "Die Pest" von Albert Camus und "Der Schaum der Tage" von Boris Vian, als absoluter Longseller aber Antoine de Saint-Exupérys Buch "Wind, Sand und Sterne", das wir seit 1939 im Programm haben.

Karl Rauch Verlag ohne den "Kleinen Prinzen"?

Wie es uns ohne den "Kleinen Prinzen" gehen würde, ist schwer zu sagen. Der Verlag hatte bis in die 1980er Jahre ein breit aufgestelltes Literatur- und Sachbuchprogramm, bis mein damaliger Vorgänger das Programm ganz auf die Werke Antoine de Saint-Exupérys beschränkte. Erst seit 2014 veröffentlichen wir der Tradition Karl Rauchs folgend wieder zeitgenössische Literatur. Natürlich ist "Der kleine Prinz" so etwas wie unser wirtschaftliches Standbein. Aber wenn wir die Rechte an Camus, Vian, Pynchon und vielen anderen Autoren seinerzeit nicht verkauft hätten, ginge es dem Verlag heute auch ohne den "Kleinen Prinzen" nicht schlecht, denkt man z.B. an die aktuellen Verkaufszahlen von "Die Pest".

In den nächsten Jahren werden wir im Karl Rauch Verlag, der seit 1949 der Düsseldorfer Familie Bagel gehört, natürlich Saint-Exupérys Werk weiter pflegen, nicht nur durch neue Ausgaben des "Kleinen Prinzen", wir werden unser Programm mit europäischer Literatur fortsetzen sowie die Reihe der illustrierten Familienbücher.

Den kleinen Prinzen gibt es auf Tassen, T-Shirts und in Plüsch - die Liebe zu literarischen Figuren treibt die unterschiedlichsten Blüten. Warum auch nicht? Ich bleibe indes beim Buch, und mein Lieblingsobjekt ist unser Pop-up, in dem sich Saint-Exupérys schöne Zeichnungen dreidimensional entfalten.