Alice Salomon Poetik Preis 2025

Yevgenia Belorusets ausgezeichnet

8. November 2024
Redaktion Börsenblatt

Die ukrainische Künstlerin und Schriftstellerin Yevgenia Belorusets erhält den mit 6.000 Euro dotierten Alice Salomon Poetik Preis 2025. Die Jury lobte ihre große künstlerische Bandbreite und ihren wichtigen Beitrag zum sozialen Handeln in der Gesellschaft.

 

Yevgenia Belorusets

Die Jury zeigte sich laut Mitteilung besonders beeindruckt von der "poetischen, berührenden und zugleich plastischen Darstellung des Alltags", mit der sich Yevgenia Belorusets den "sozialen Missständen und unter anderem in jüngster Zeit den Auswirkungen des Krieges auf die Zivilbevölkerung in der Ukraine" widme. Belorusets konnte die Jury zudem mit ihrer "großen künstlerischen Bandbreite und Interdisziplinarität" überzeugen. In ihren Texten und Fotografien "nimmt sie die Lesenden und Betrachtenden mit Empathie und Direktheit wie eine Kamerafrau mit" und "entfaltet zugleich das surreale und metaphorische Potential der Situationen". Ihre Arbeiten seien politisch engagiert und leisten einen wichtigen Beitrag zum sozialen Handeln in der Gesellschaft, so die Jury. 

Belorusets sagt: "Es ist eine große Ehre und Freude für mich! Der Preis spricht von der Autonomie und Selbstbestimmung der Kunst, auch in ihrem Bestreben, soziale Arbeit zu leisten, den Menschenrechten zu dienen, wissenschaftlich zu arbeiten. Die Kunst träumt von ihrer eigenen Nützlichkeit und erlaubt sich nicht, nutzbar zu bleiben. Die Figur der Alice Salomon erinnert uns alle daran, wie viel Tapferkeit es braucht, in den finsteren Zeiten human und posthuman zu denken."

Zur Preisträgerin:

Yevgenia Belorusets wurde in der Ukraine geboren und lebt in Berlin und Kiev. Sie arbeitet mit Fotografie und anderen Kunstformen an der Schnittstelle von Kunst, Literatur und Aktivismus. Mit ihrer fotografischen Arbeit sammelt sie Geschichten vom Alltäglichen und macht auf die Verletzlichsten der ukrainischen Gesellschaft aufmerksam, seien es queere Familien, arbeitslose Bergleute, Rom*nja oder Bewohner*innen der schon lange vom Krieg betroffenen Gebieten im Osten des Landes. Besondere Aufmerksamkeit in Deutschland erregte ihre Dokumentation der Folgen der russischen Invasion der Ukraine seit dem 24. Februar 2022.

Belorusets’ vielfältiges Schaffen ist preisgekrönt: Für ihre fiktionale Arbeit "Lucky Breaks" erhielt sie 2020 den Internationalen Literaturpreis des Haus der Kulturen der Welt (HKW). Die auf deutsch als "Glückliche Fälle" (Matthes & Seitz Berlin) erschienene Kurzprosasammlung beschäftigt sich unter anderem mit den Einzelschicksalen von Frauen in einer traumatisierten Gesellschaft. Für ihre Arbeit "A Wartime Diary" wurde sie 2022 mit dem Sonderpreis für künstlerische Förderung der Schering Stiftung ausgezeichnet. Ihr Kriegstagebuch, bestehend aus Fotos und Texten, wurde zunächst im Spiegel veröffentlicht, bis es als Buch unter dem Titel "Anfang des Krieges" (Matthes & Seitz Berlin, 2022) erschien. Ihre jüngste Arbeit "Über das moderne Leben der Tiere" (Matthes & Seitz Berlin, 2024) enthält Berichte und Erzählungen von möglichen und unmöglichen tierlichen Begebenheiten, zum Beispiel von einem Tiger im Keller eines Kiewer Cafés. Belorusets Arbeiten wurden im ukrainischen Pavillon der 56. und 59. Biennale in Venedig ausgestellt. 

Preisverleihung:

Der Preis wird im Rahmen des Sommerfestes der Hochschule am 26. Juni 2025 verliehen.

Der Alice Salomon Poetik Preis

Mit dem Alice Salomon Poetik Preis zeichnet die Alice Salomon Hochschule Berlin Künstlerinnen und Künstler aus, die durch ihre besondere Formensprache und Vielfalt zur Weiterentwicklung der literarischen, visuellen sowie akustischen Künste beitragen und dabei immer interdisziplinär arbeiten und wirken. Die Auszeichnung ist mit einem Preisgeld in Höhe von 6.000 Euro verbunden. Darüber hinaus erhalten die Künstler:innen die Möglichkeit, ihre literarische Arbeitsweise im Rahmen einer Vorlesung darzulegen und die Südfassade der Hochschule zu gestalten.

Die ASH Berlin führte 2006 den Masterstudiengang "Biografisches und Kreatives Schreiben" ein – im Zuge dessen wurde der Alice Salomon Poetik Preis erstmals 2007 vergeben. Bisher erhielten 14 Künstlerinnen und Künstler den Preis: Gerhard Rühm, Michael Roes, Rebecca Horn, Valeri Scherstjanoi, Eugen Gomringer, Emine Sevgi Özdamar, Andreas Steinhöfel, Franz Hohler, Volker Ludwig, Elfriede Czurda, Barbara Köhler, Christoph Szalay, Lioba Happel und Maxi Obexer.