Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik

Programmatische Dankesrede von Wolfgang Matz

21. März 2024
Redaktion Börsenblatt

Wolfgang Matz, Kritiker, Literaturwissenschaftler, Autor, Übersetzer und Lektor, hat am 21. März im Forum "Die Unabhängigen" auf der Leipziger Buchmesse den Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik 2024 erhalten. Sehen Sie hier auch ein Video der Veranstaltung.

Börsenblatt-Redakteur Michael Roesler-Graichen (Jury), Andreas Isenschmid (Laudator), Preisträger Wolfgang Matz und Nadja Kneissler (Vorstand des Börsenvereins)

Der Kritiker soll seine strategisch einzigartige Position nicht ausnutzen und er soll auch nicht immer gleich so tun, als verstehe er noch mehr vom Thema oder vom Schreiben oder vom Übersetzen als sein wehrloses Gegenüber. Schaue ich (als Kritiker) lesend in das gedruckte Buch, dann muss ich mich konsequent einlassen auf das, was der Autor will.

Wolfgang Matz

In seiner Dankesrede definiert Wolfgang Matz, wie er die Arbeit eines Kritikers und die Aufgabe von Literaturkritik versteht: "Worum es in der Kritik geht, ist die Substanz des Textes. Bloße Geschmacksfragen haben in der Kritik keinen Platz." Die Kriterien, die der Kritiker brauche, um dem Buch gerecht zu werden, müssten "aus dem Buch selber kommen, aus dem, was der Autor will, aus seiner Vorstellung von Sprache, Poesie, Literatur."

Dass Matz seiner Maßgabe selbst folgt, bestätigt der Schweizer Journalist und Literaturkritiker Andreas Isenschmid in seiner Laudatio: "In jeder Arbeit steigt er hinab, in das, was sich im Vitalbereich eines Werks wirklich zuträgt." Matz könnte aus einer Reihe von Gründen sein Kritiker des Vertrauens sein, sagt Isenschmid, er sei es aber wegen seines "Personalstils": "Die mich wirklich Mal für Mal kolossal beeindruckende Art des kritischen Argumentierens in seinen Arbeiten – klar, entschieden, dicht, ohne Styropor und ohne Edelfederspreizen, von Anfang an aufs Herz der Sache aus."

In ihrem Grußwort beschreibt Nadja Kneissler, Vorsitzende des Ausschusses für Verlage des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, dass der Alfred-Kerr-Preis nicht nur Literaturkritik als eigene Kunstform fördern wolle. Vielmehr erhalte er in Zeiten, in denen bei Kulturformaten in den Medien teilweise gravierend gekürzt werden soll, eine zusätzliche, neue Funktion: "Er soll und will deutlich machen, wie unverzichtbar die Literaturkritik ist, weil sie es ist, die viele Bücher erst für das Lesepublikum vorstellt, entdeckt und erschließt." Deshalb fordert Kneissler, nicht an den Kulturformaten zu sparen: "Lesen fördert die Meinungsbildung, es ist die Basis für Wissen, für Diskussionen und für gesellschaftliche Teilhabe."

Die Auszeichnung

Mit dem Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik würdigt die Jury literaturkritisches Schaffen in den deutschsprachigen Medien. Der mit 5.000 Euro dotierte Preis wird von der Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels gemeinsam mit dem Fachmagazin Börsenblatt des Technologie- und Informationsanbieters MVB vergeben und von der Klett-Stiftung gefördert.

Die Jurybegründung

Mit der Übergabe der Preisurkunde an Wolfgang Matz wurde auch die Jurybegründung noch einmal vorgetragen: "Die Buchkritiken von Wolfgang Matz verbinden profundes Wissen mit einem luziden, eleganten Stil und unterhaltsamem Ton. Sie sind außerordentlich gut begründet und bauen mit dramaturgischem Geschick Erwartungshaltungen bei den Lesenden auf, die mit Witz und Ironie konterkariert werden und souverän Stärken und Schwächen in den Blick nehmen. Mit Wolfgang Matz, der selbst auf ein umfangreiches literarisches, essayistisches Werk zurückblickt, kann man Werke entdecken, die entweder unbekannt oder verkannt sind, und deren mitunter verborgene Meisterschaft sich erst unter dem Blick des Rezensenten erschließt."

​​​​​​​Der Preisträger

Wolfgang Matz wurde 1955 in Berlin geboren und studierte Musikwissenschaft und Philosophie. Nach einer mehrjährigen Dozentur für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Poitiers/Frankreich war er von 1995 bis 2020 Lektor im Carl Hanser Verlag. Seit 1989 publizierte er Essays und Bücher zur deutschen und französischen Literatur und ist Herausgeber mehrerer Werkausgaben. Vor, während und nach seiner Zeit als Lektor hat er Lyrik und Prosa aus dem Französischen übersetzt – häufig zusammen mit seiner Frau, der Übersetzerin Elisabeth Edl. 1992 erhielten beide den Paul-Celan-Preis des Deutschen Literaturfonds sowie 1994 den Petrarca-Preis. Als Rezensent schrieb er seit 1986 für die Frankfurter Rundschau und Die Zeit, jetzt vor allem für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Seit 2021 ist er Direktor der Abteilung Literatur in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.

Die Jury

Sechs Expert:innen bestimmen jedes Jahr, wer den Preis erhält: Alexandra Pontzen (Literaturwissenschaftlerin Universität Duisburg-Essen), Klaus Reichert (Ehrenpräsident der Akademie für Sprache und Dichtung), Klaus Schöffling (früherer Verleger), Michael Roesler-Graichen (Redakteur Börsenblatt) und – neu in diesem Jahr – Lilly Ludwig (Verkaufsleiterin Schöffling & Co) und Thorsten Ahrend (Programmleiter und Geschäftsführer Literaturhaus Leipzig).

Die Auszeichnung

Mit dem Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik würdigt die Jury literaturkritisches Schaffen in den deutschsprachigen Medien. Der mit 5.000 Euro dotierte Preis wird von der Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels gemeinsam mit dem Fachmagazin Börsenblatt des Technologie- und Informationsanbieters MVB vergeben und von der Klett-Stiftung gefördert. Lesen Sie hier, wer seit 1977 ausgezeichnet wurde: