Preisverleihung 2024 in der Elbphilharmonie verfolgen
Heute Abend, am 11. Juni gibt die Jury bekannt, wer den Deutschen Sachbuchpreis 2024 erhält. Am Bildschirm können Sie dabei sein: Die Preisverleihung wird ab 18 Uhr via Stream live übertragen.
Heute Abend, am 11. Juni gibt die Jury bekannt, wer den Deutschen Sachbuchpreis 2024 erhält. Am Bildschirm können Sie dabei sein: Die Preisverleihung wird ab 18 Uhr via Stream live übertragen.
Heute Abend, am 11. Juni ist es endlich so weit und wir erfahren, wer den diesjährigen Deutschen Sachbuchpreis verliehen bekommt. Die Preisverleihung in der Hamburger Elbphilharmonie wird ab 18 Uhr live übertragen. Durch den Abend führt Kulturjournalistin und Literaturkritikerin Katja Gasser. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg sowie Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins, eröffnen die Preisverleihung mit Grußworten. Mit dem Preis zeichnet die Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels zum vierten Mal ein herausragendes Sachbuch in deutschsprachiger Originalausgabe aus, das Impulse für die gesellschaftliche Auseinandersetzung gibt.
Lesebegeisterte können die Preisverleihung auf unterschiedlichen Kanälen mitverfolgen: Unter www.deutscher-sachbuchpreis.de wird die Veranstaltung live übertragen. Gleichzeitig sendet Deutschlandfunk Kultur die Preisverleihung als Stream auf www.deutschlandradio.de/debatten.
Das Klima? Retten wir später, erst mal sind die Quartalszahlen dran. Der Soziologe Jens Beckert erklärt, warum Gesellschaften trotz Kenntnis der Gefahren so zögerlich auf die Bedrohung durch den Klimawandel reagieren.
Kommentar der Jury:
Jens Beckert wagt mit „Verkaufte Zukunft“ eine zeitgemäße klimapolitische Zumutung. Dieses Buch flüchtet sich nicht in positives Denken oder apokalyptische Anklage; es meidet die ausgetretenen Pfade moralisierter Lebensstilentscheidungen und marktgläubiger Technologieoffenheit. Aus sozioökonomisch informierter Perspektive belegt Beckert, wie unser Wirtschaftssystem Klimaschäden in vielen Fällen nur externalisiert und sozialen Stress im globalen Maßstab verstärkt. Angesichts mangelnder Alternativen ist Realismus gefragt: Eine erwartbare Erderwärmung von 2,5 bis 3 Grad bis zum Ende unseres Jahrhunderts erfordert kraftvollere und klüger erklärte Investitionen, aber auch Anpassung. Ein Buch, das hoffentlich viele Leser*innen zwischen Milieus und Denkschulen ins Gespräch und ins Handeln bringt.
Der Historiker Sebastian Conrad erzählt die weltweite Wirkungsgeschichte der Büste der Königin Nofretete, die vor 100 Jahren erstmals in Deutschland gezeigt wurde.
Kommentar der Jury:
Die Büste der Nofretete fasziniert Menschen seit Jahrhunderten und dient als Projektionsfläche für die verschiedensten Agenden, von der Popkultur bis zur Politik. Sebastian Conrad widmet sich den Ebenen der Bedeutungszuschreibung, beginnend mit der Entdeckungsgeschichte und der Erwirkung der Ausfuhrgenehmigung durch einen Betrug. Er nutzt dieses sehr konkrete Objekt, um die aktuellen globalen Diskurse zum Umgang mit kolonialem Unrecht und epistemischen Hegemonialkämpfen darzustellen, auch mit einer klaren Haltung gegenüber der Restitutionsfrage. Gelungen an dem Buch ist zudem die Verknüpfung von vielfältigen und auch emotional besetzten Feldern mit dem Anspruch an Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit, die eigenen Interessen und impliziten Bewertungen ehrlich zu reflektieren.
Viele Fakten um das sogenannte »Stauffenberg-Attentat« am 20. Juli 1944 sind bekannt. Publizistin Ruth Hoffmann beschreibt, wie seitdem und bis heute die Beschreibung und Deutung dieser historischen Tat von diversen politischen Lagern instrumentalisiert wurde.
Kommentar der Jury:
Die Journalistin Ruth Hoffmann hat sich nicht weniger vorgenommen, als einen deutschen Mythos zu dekonstruieren. Das Attentat vom 20.07.1944 gegen Hitler wurde immer wieder aus verschiedenen Richtungen instrumentalisiert und ist damit, so Hoffmann, zum „deutschen Alibi“ geworden. Sie schafft es überzeugend, die unterschiedlichen Kontexte zu erläutern und die oftmals perfiden Nutzbarmachungen aufzudecken. Besonders wertvoll ist dabei, dass sie nicht am gewählten Beispiel hängen bleibt. Sie verdeutlicht die historische Tiefe von Ereignissen und ihre Wirkung bis heute. Gerade vor dem Hintergrund aktueller Debatten zeigt die Autorin, wie wichtig eine holistische Betrachtung ist, die außerdem überraschende Einsichten bietet. Dass sie es darüber hinaus schafft, dies fesselnd zu schreiben, hat die Jury für das Buch eingenommen.
„Lass liegen“ … oder besser nicht? Wie die Menschheit seit der Römerzeit mit ihren Hinterlassenschaften umging und wie aus dem privaten Wegschmeiß-Reflex ein globales Problem wurde, beschreibt Historiker Roman Köster.
Kommentar der Jury:
Müll wird normalerweise als Problem des Konsums betrachtet und viele öffentliche Diskurse drehen sich um Mülltrennung als nachgelagertes Problem. Die große Leistung des Autors Roman Köster besteht darin, die Produktion von Müll als intrinsisches Problem unserer Wirtschaftsweise – „unseres täglichen Lebensvollzugs” – zu beschreiben. Er analysiert die Geschichte der Entstehung von Müll und die Verbindung mit der kapitalistischen Wirtschaftsweise auf sehr verständliche Art, unterstützt durch anschauliche Beispiele. Als Lösungsansatz hat er parat, was wir alle ahnen – die Geschwindigkeit des Wirtschaftslebens und die eigene Bequemlichkeit können in dieser Form nicht aufrechterhalten werden, wenn wir dem Problem des Mülls als Teil des aktuellen anthropogenen Klimawandels begegnen möchten.
Das Buch über die Deutschen und ihre Demokratie seit den 1980er-Jahren war schon für den Preis der Leipziger Buchmesse 2024 nominiert, es eröffnet neue Perspektiven auf das Demokratieverständnis in Ost- und Westdeutschland.
Kommentar der Jury:
Christina Morina analysiert in ihrer methodisch spannenden Studie das divergierende Demokratieverständnis der Ost- und Westdeutschen seit den 1980er Jahren anhand bislang nicht ausgewerteter Briefe, Petitionen und Flugblätter einfacher Bürger*innen der Bundesrepublik und der DDR. Auf diese Weise gelingt ihr eine profunde deutsch-deutsche Demokratiegeschichte „von unten“ jenseits vorgefertigter Erzählmuster und polemischer Einseitigkeiten. Sie eruiert einerseits eine ostdeutsche „Demokratie-anspruchsgeschichte“, die auf dem Misstrauen der Bürger*innen gegenüber dem Staat bei gleichzeitiger Identifikation mit dem Land und seinen Idealen basierte, und nimmt andererseits die „Bonner Republik“ als Verlustgeschichte in den Blick. Den verhärteten Ost-West-Debatten gibt ihr Buch neue Impulse und Perspektiven.
Freiheit versus Verletzlichkeit – Debatten darüber werden in vielen gesellschaftlichen Bereichen geführt, und das sehr heftig. Juristin Frauke Rostalski zeigt, wie Vorstellungen von Vulnerabilität zu Freiheitseinschränkungen geführt haben und plädiert dafür, den Diskurs darüber anders zu führen.
Kommentar der Jury:
Verletzlichkeit – angesichts bedrängender Krisen wie Krieg, Pandemie oder Klimawandel hat sich ein neuer Schlüsselbegriff herausgebildet, der im Zentrum des Buches von Frauke Rostalski steht. Die Rechtswissenschaftlerin untersucht verschiedene Facetten dieses Phänomens, angefangen vom gesetzlichen Schutz besonders vulnerabler gesellschaftlicher Gruppen bis hin zu einer Atmosphäre im öffentlichen Diskurs, die vor allem bei kontrovers verhandelten Themen zu einer Einschränkung der individuellen wie gesellschaftlichen Freiheit führen kann. Mit Scharfsinn analysiert die Autorin das Spannungsverhältnis zwischen Vulnerabilität und Freiheit, ohne beide gegeneinander auszuspielen. Ein wohltuend unaufgeregtes, kluges Buch, das selbst dafür steht, dass Demokratie ohne freiheitliches Denken und Diskutieren nicht überleben kann.
Immanuel Kant und sein Bild des aktiven Menschen: Der Philosophie-Professor Marcus Willaschek erläutert im Jubiläumsjahr von Kants 300. Geburtstag Aspekte von Kants wirkungsmächtigem Denken.
Kommentar der Jury:
Braucht es wirklich noch ein weiteres Buch über Immanuel Kant? Dass man diese Frage unumwunden mit „ja“ beantworten möchte, ist die große Überraschung, die Marcus Willascheks Buch bereithält. Es gelingt ihm, die gesamte thematische Breite des kantischen Denkens in eindrucksvoller Klarheit zugänglich und verständlich zu machen. Allein das wäre verdienstvoll. Die besondere Leistung des Buches liegt aber darin, die Aktualität Kants zu demonstrieren, indem es fortwährend an aktuelle Debatten und Begriffe anschließt: Freiheit, Demokratie und Menschenwürde, die Motivation zu politischem Handeln im Angesicht dramatischer Krisen, die Wichtigkeit des Projekts der Aufklärung und die Grenzen unseres Wissens – ohne eine kritische Distanz zu Kant zu verlieren. Ja, man kann Kants Gedanken verstehen. Und ja: man sollte es auch. Heute mehr denn je.
Immer wieder Krieg in Palästina? Warum der Staat Israel die Sicherheit von Juden im Land nicht garantieren kann, erläutert Historiker Moshe Zimmermann anhand der Geschichte des jüdischen Staats und plädiert für eine politische Umkehr.
Kommentar der Jury:
Mit Moshe Zimmermann formuliert einer der wichtigsten Historiker der Gegenwart einen wichtigen, sachlichen Beitrag zur Diskussion, der sich nach dem Terroranschlag auf Israel und die gewaltvolle Reaktion darauf kaum mehr jemand entziehen kann. Er beschreibt kenntnisreich den jahrzehntelangen Teufelskreis aus Gewalt und Gegengewalt, einen Kampf der Kulturen in seiner Heimat: zwischen West und Ost, zwischen Jüd*innen und Muslim*innen, zwischen gewaltbereiten und liberalen Gruppen auf beiden Seiten. Er denkt dabei auch die palästinensischen Perspektiven mit und schlägt eine gemeinsame Verfassungskonstruktion für beide Staaten vor. Perspektivenreich und hilfreich für alle, die sich gern erst informieren, bevor sie urteilen.