Unabhängige Verlage

Hotlist-Preis geht an CulturBooks

8. Oktober 2021
Redaktion Börsenblatt

Der mit 5000 Euro dotierte Preis der Hotlist für das beste Buch aus unabhängigen Verlagen geht 2021 an den CulturBooks Verlag für Ling Mas Roman "New York Ghost". Der Limmat Verlag erhält den Dörlemann ZuSatz für Adelheid Duvanels "Fern von hier".

Der Roman "New York Ghost" der amerikanisch-chinesischen Debütantin Ling Ma, "von Zoë Beck mitreißend übersetzt, ist eine erschreckend gegenwärtige Endzeiterzählung, die als popliterarisch rasanter Pandemieroman ebenso überzeugt wie als kluge, humorvolle Satire auf den Seelenzustand junger Großstädterinnen und Großstädter, die sich im kapitalistischen System gefangen und zugleich von ihm entfremdet fühlen. Ein Buch der Stunde", urteilt die Jury.

Begründung der Jury:

"Jeder Weltuntergang ist ein Unikat, doch jener, den die New Yorker Autorin Ling Ma in ihrem furiosen Debüt 'New York Ghost' imaginiert, einer so tragischen wie hellsichtigen Satire aus dem Head Office des globalen Kapitalismus, ist nicht nur einzigartig, sondern auch erschreckend gegenwärtig in seiner Abgründigkeit. Das liegt nicht allein daran, dass hier – obwohl im Original vor Corona erschienen – eine von China ausgehende Pandemie, das Shen-Fieber-Virus, die Menschheit dahinrafft. Es hat vor allem damit zu tun, wie sich dieses Fieber auswirkt: Es friert Menschen in ihren Routinen ein, über denen sie verfallen. So erweist es sich zugleich als Parodie dessen, was der weltweit siegreiche Neoliberalismus mit der Menschheit angestellt hat, gerade auch in den Zentren des großen Gelds. Mit der Protagonistin und Ich-Erzählerin Candace Chen, der klugen Einwanderertochter und Mitarbeiterin bei einem Verlagsdienstleister am Times Square, glückt der Autorin das detailgenaue Porträt einer Vertreterin der von Ziellosigkeit, Langeweile und Selbstbelohnung durch Konsum geprägten Schicht urbaner Millennials, die ganz in ihren entfremdeten Arbeitsroutinen aufgehen. Gegen das neue Virus immun, dokumentiert Candace den nur allmählich begriffenen Niedergang der Gesellschaft, bevor sie in einer Gruppe Überlebender landet, die aber von den Fehlern der fulminant gescheiterten Zivilisation nicht lassen kann. Ling Ma ist mit diesem Buch ein popliterarisch rasanter wie hintersinnig allegorischer Pandemieroman auf Weltniveau gelungen, den ein tiefes Verständnis für migrantische Lebensläufe sowie viel köstliche Selbstironie auszeichnen und der von Zoë Beck mitreißend übersetzt wurde. Für diese Entdeckung der Stunde gebührt dem Hamburger Verlag CulturBooks großer Dank."

"Verlegerische Großtat" von Limmat

Der Limmat Verlag erhält für den Band "Fern von hier" mit Erzählungen von Adelheid Duvanel den Dörlemann ZuSatz und damit einen Satzkosten-Gutschein im Wert von 1.500 Euro von der Firma Dörlemann Satz. Der Limmat Verlag mache damit das gesamte erzählerische Werk von Adelheid Duvanel wieder greifbar: "Eine verlegerische Großtat, die eine bedeutende Autorin dem Vergessen entreißt", urteilte die Jury. "Adelheid Duvanel (1936-1996) ist eine Weniggelesene geblieben, obwohl viele auf die konzentrierte Wucht ihrer Kurzprosa hingewiesen haben. Letzteres zu Recht, denn kein Wort ist bei dieser Autorin überflüssig, keines zufällig gesetzt. Bevölkert sind Adelheid Duvanels Prosaminiaturen von Alleinerzieherinnen, Verlassenen, Einsamen und Traumatisierten aller Art. Das Glücksguthaben dieser 'Welt-Waisen', die sich 'nicht an das Hiersein gewöhnen können', scheint aufgebraucht. Doch immer wieder stellt die Autorin diesen realistisch beschriebenen Schicksalen eine die inneren Grenzen sprengende Ebene des Halluzinierten, des Traums und des Surrealen entgegen. Und plötzlich wird eine Leichtigkeit spürbar – und die Kraft der Worte, 'die über der großen Leere, über dem Abgrund, in den mein Leben gefallen ist, eine neue Welt schaffen können'. "

Die Jury 2021:

  • Stefan Gmünder (Literaturredakteur "Der Standard" und "Volltext"), Wien
  • Reinhold Joppich (Veranstaltungen, bis 2014 Vertriebsleiter bei Kiepenheuer & Witsch), Köln
  • Oliver Jungen (freier Journalist und Literaturkritiker), Köln
  • Julia Knapp (Event-Managerin bei Orell Füssli und Moderatorin), Zürich
  • Maria-Christina Piwowarski (Buchhandlung ocelot, Label blauschwarzberlin, Literaturpodcast Letzte Lektüren), Berlin

Zur Hotlist der unabhängigen Verlage

Die Hotlist präsentiert die Bücher des Jahres aus unabhängigen Verlagen des deutschsprachigen Raums. Die Liste entsteht durch eine Kombination aus Internetwahl und Juryentscheidung. Sie wurde 2009 gegründet und wird vom gemeinnützigen Verein der Hotlist organisiert und ehrenamtlich getragen. 2021 beteiligten sich 179 unabhängige Verlage am Wettbewerb, 3.689 Menschen nahmen an der Internetabstimmung über die Liste teil.