Verlagspreis an die Edition Converso

"Das Buch muss doch bei der Lustig erschienen sein!"

17. Juni 2024
Redaktion Börsenblatt

Im Lobdengau-Museum Ladenburg wurde am 9. Juni der Verlagspreis Literatur Baden-Württemberg an die Edition Converso überreicht. In seiner Laudatio macht sich Tom Erben, Geschäftsführer des Börsenvereins Baden-Württemberg, Gedanken über Verlagsmarken und im besonderen über die der prämierten Edition Converso. Wir geben sie hier im Wortlaut wieder.

Monika Lustig (Edition Converso) und Staatssekretär Arne Braun mit Urkunde

"Es hat einmal im deutschen Verlagsbuchhandel eine Zeit gegeben, wo man bei einer Neuerscheinung ziemlich genau hätte angeben können: das kann nur bei X. erschienen sein. Dann gab es eine Zeit, in der man sagen konnte: Bei Y. kann das nicht herausgekommen sein (…) und heute weiß man gar nichts mehr. Jedes kann so ziemlich bei jedem erschienen sein, und man kann sie fast allesamt untereinander austauschen. Sie sollten sich fusionieren," schrieb Kurt Tucholsky 1931.

Was Tucholsky vor fast 100 Jahren thematisiert in einer Hochphase des Verlagswesens in Deutschland – als Verlage noch das Internet waren – wird in Zeiten mangelnder Sichtbarkeit und Information overload in den Marketingabteilungen der großen Publikumsverlage ebenso diskutiert wie bei den Kleineren: die Verlagsmarke. Spielt sie eine Rolle für den Lesenden? Weiß ein Käufer, eine Käuferin, aus welchem Verlag das Buch stammt, das er gerade verschlungen oder verschenkt hat oder über dem er gelangweilt eingeschlafen ist? Wissen Sie, wo das Buch erschienen ist, das sie zuletzt gelesen haben? In den großen Häusern sollen Verlagslabels Orientierung schaffen, dort diskutiert man Strategien und Zielgruppencluster. In den kleineren Häusern, um die es heute gehen soll – denn der Verlagspreis Baden-Württemberg würdigt die herausragende Leistung von unabhängigen Verlagen mit einem Umsatz von bis zu 2,5 Mio. Euro – entsteht die Verlagsmarke meist aus der Persönlichkeit des Verlegers, der Verlegerin. Literarische Qualität ist zwar keine Frage des Verlagsumsatzes, und Häuser wie Suhrkamp, Aufbau oder Hanser liegen weit jenseits der Umsatzgrenze dieses Preises. Sie erwirtschaften mit Literatur und Unterhaltungslabels ein Vielfaches davon. Deren Verlagsmanager kommen und gehen. Aber auch sie wissen: Eine Marke muss wiedererkennbar sein, und das ist nicht nur eine Frage des Logos. Es gilt Spuren zu hinterlassen, um Aufmerksamkeit zu bekommen bei Lesenden, bei Buchhändler*innen, bei Journalist*innen. Kann man das mehr erreichen als durch "Mediterrane Sprachwelten" und eine Verlergerinnenpersönlichkeit, die so für Ihre Sache brennt wie Monika Lustig?

Zum Glück ist es ihr, ist es uns gelungen, den Finanzbeamten zu überzeugen, dass das Geschäftsmodell von Verlagen von dem Wort VORLEGEN kommt

Tom Erben

Vor ein paar Wochen rief sie mich an und schilderte mir ihre Verzweiflung: ihr Verlag sollte als Liebhaberei abgetan werden. Das wäre nicht weiter schlimm, denn man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Monika Lustig das, was sie tut, aus Liebe tut. Aber wer sich auskennt, weiß, dass dieses Diktum eines Finanzbeamten für eine Verlegerin einem wirtschaftlichen Exitus gleichkommen kann – heißt es doch, Steuern nachzuzahlen auf etwas, das auch im verflixten 7. Jahr der Liebe noch nicht gar zu viel materielle Erträge abgeworfen hat – wie das bei mancher Liebe der Fall sein mag. Zum Glück ist es ihr, ist es uns gelungen, den Finanzbeamten zu überzeugen, dass das Geschäftsmodell von Verlagen von dem Wort VORLEGEN kommt. Nämlich die Honorare, die Übersetzung, das Papier, die Lieferung an den Buchhändler. Es dauert Jahre, bis das Geld wieder zurückkommt. Monika Lustig darf weiter als große Liebhaberin bezeichnet werden, ohne eine Steuernachzahlung fürchten zu müssen. Denn kulturell kann man kaum hoch genug schätzen, was die Verlegerin an Werten angehäuft hat.

Das ungebrochene Engagement dieser außergewöhnlichen Verlegerin, die geradezu überbordende Liebe zu den Geschichten, zum Übersetzen und zu den hand- und geistschmeichlerisch gestalteten Büchern ihres Verlages hat dazu geführt, dass man heute schon sagen kann: Das Buch von Antonella Marusic, diese anrührende Geschichte des Mädchens Nela und ihrer Großmutter auf der kroatischen Insel Korcula – das muss doch bei der Lustig erschienen sein! Und Fabio Stassi, diese unglaublich unterhaltsamen und lehrreichen Detektivgeschichten des Bibliotherapeuten Vince Corso, die nicht nur ich sondern auch Tobias Gohlis von der Krimi-Bestenliste Ihnen nachdrücklich ans Herz bzw. auf den Nachttisch legen – das kann doch nicht bei Suhrkamp erschienen sein!
Notieren Sie übrigens bitte den 13. November, da wird Fabio Stassi nach Stuttgart kommen, und wir können gemeinsam auf die Eröffnung der Buchwochen anstoßen!

Irgendwie hat Monika Lustig es geschafft, dass man nicht mehr an ihr vorbeikommt. Diese Zähigkeit, dieses Festhalten würdigt der Verlagspreis Literatur Baden-Württemberg. Denn nur so kann Qualität – und eine Verlagsmarke entstehen. Ein besonderes Lob gebührt der herausragenden ästhetischen und handwerklichen Qualität der Bücher, die bei Edition Converso erscheinen. Die Gestaltung der Bücher zeugt von einem hohen künstlerischen Anspruch und einem tiefen Verständnis für die materielle Kultur des Buches. Man möchte sie streicheln. Die Wahl von Schriften, Papier und Bindung spiegelt die Liebe zum Detail und den Respekt vor dem geschriebenen Wort.

Edition Converso versteht es, Brücken zu bauen – zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Kulturen und Literaturen. Die Verleihung des Verlagspreises Baden-Württemberg an die Edition Converso ist daher mehr als verdient. Sie ist eine Anerkennung für die außergewöhnliche Leistung, die der Verlag in den letzten Jahren erbracht hat, und ein Zeichen der Wertschätzung für die wichtige Rolle, die er in der literarischen Welt spielt.

Ein besonderes Lob gebührt der herausragenden ästhetischen und handwerklichen Qualität der Bücher, die bei Edition Converso erscheinen.

Tom Erben

Die Verlegerei ist weniger denn je ein guter Plan, Geld zu verdienen – was nicht heißt, das man nicht damit reich werden könnte. Wie macht man ein kleines Vermögen? Man nimmt ein großes Vermögen und kauft sich einen Verlag. Wie alle Aphorismen stimmt auch dieser Satz nur zur Hälfte: man kann sehr wohl einen Verlag gründen mit keinem Vermögen. Auch das hat Monika Lustig geschafft. Wie es danach weitergeht, entscheidet die verlegerische Fortune. Wenn nicht gerade Corona dazwischenkommt. Oder ein Steuerbeamter.

Freuen wir uns auf viele weitere literarische Entdeckungen aus dem Mittelmeerraum. Und freuen wir uns mit Monika Lustig über diesen Preis, der ihrem wundervollen Verlagsgewebe zu mehr Sichtbarkeit verhilft. 

Herzlichen Glückwunsch an die Edition Converso und ein großes Dankeschön für Ihre unermüdliche Arbeit und Ihr Engagement für die Literatur. Mögen noch viele wunderbare Bücher aus Ihrem Hause das Licht der Welt erblicken und uns alle bereichern.

Vielen Dank.