Entstanden sei mit "Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung" (Reprodukt) eine Graphic Novel, die gerade jungen Menschen das Grauen des Holocaust näherbringt – und Mut macht, indem sie auch Emmie Arbels Stärke und ihren Humor zeigt, so die Mitteilung zur Preisvergabe. Für diese herausragende literarische Leistung wird die Graphic Novel von Zeichnerin und Autorin Barbara Yelin mit dem Gustav-Heinemann-Friedenspreis für Kinder- und Jugendbücher 2024 ausgezeichnet. Der Preis der nordrhein-westfälischen Landesregierung wird zum 41. Mal verliehen und ist mit 10.000 Euro dotiert.
In der Urteilsbegründung der Jury heißt es, Barbara Yelins Graphic Novel spiegele das Bruchstückhafte der Erinnerungen, lasse bewusst Konturen verwischen und Leerstellen offen. Ihr Buch dokumentiere die allmähliche Rückkehr der Erinnerung an das Verdrängte. Besonders bemerkenswert sei der breite zeitliche Bogen, den das Buch schlägt: von der Kindheit bis ins höhere Alter von Emmie Arbel – mit allen emotionalen Facetten.
Barbara Yelin, geboren 1977 in München, ist Zeichnerin und Autorin. Ihr Werk umfasst Graphic Novels, Web-Comics, Illustrationen für Tageszeitungen, Magazine sowie Kinderbücher. Dafür wurde sie unter anderem mit dem Bayerischen Kunstförderpreis für Literatur sowie dem Max und Moritz-Preis als beste deutschsprachige Comic-Künstlerin ausgezeichnet. Sie lebt und arbeitet in München. Weitere Informationen auf der Seite der Autorin.
Kulturministerin Ina Brandes sagt: "Die Gräuel des Holocaust machen uns sprachlos. Immer noch und immer wieder. Umso beeindruckender gelingt es Barbara Yelin mit Worten und Bildern, das große Leid von Emmie Arbel und ihrer Familie nachzuerzählen. Gerade junge Menschen fühlen sich von Graphic Novels angesprochen. Und angesichts von antisemitischen Übergriffen und Anfeindungen seit dem Terror-Überfall der Hamas brauchen wir dringend solche Erzählformen, um die Erinnerung wach zu halten. Mein größter Respekt gilt Emmie Arbel. Ihre schmerzhaften Erinnerungen an das Grauen haben das Buch erst möglich gemacht. Ich bin sehr dankbar, dass sie gemeinsam mit der Künstlerin an der Verleihung des Gustav-Heinemann-Preises teilnimmt."
Emmie Arbel fügt an: "Immer weniger von uns Überlebenden sind noch da. Ich weiß, wie wichtig es ist, der Welt diese entsetzliche Geschichte zu erzählen, damit so etwas nie wieder geschieht. Anfangs dachte ich, Comics und der Holocaust – das passt doch nicht zusammen. Später verstand ich, wie wirkungsvoll Comics sind! Sie erreichen auch Jugendliche, die nicht so gerne lesen. Meine Worte richten sich besonders an euch, die jüngere Generation: Akzeptiert Menschen, die anders sind. Und verbreitet das Gute in der Welt, nicht das Schlechte!"
Lange habe es gedauert, bis Emmie Arbel überhaupt in der Lage war, über ihre Geschichte zu sprechen. Geboren 1937 in Den Haag, wird sie 1942 mit ihrer Familie in das Sammellager Westerbork deportiert, später in die Konzentrationslager Ravensbrück und Bergen-Belsen. Zwar kann Emmie Arbel ebenso wie ihre beiden Brüder Rudi und Menachem aus dem Konzentrationslager befreit werden, doch die Schrecken in ihrem Leben enden damit nicht. Zusammen mit ihren Brüdern kommt sie in eine Pflegefamilie und wird von ihrem Stiefvater mehrfach vergewaltigt, als sie an Tuberkulose erkrankt im Bett liegt. Die Familie zieht in einen Kibbuz in Israel. Auch da fällt es ihr noch schwer, sich zu öffnen und Anschluss zu finden. Niemand ist da, dem sie ihr Leid anvertrauen könnte. Erst als junge Frau vermag sie, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und über das Erlebte zu sprechen. Die Blockaden, die Emmie Arbel überwinden musste, werden von Autorin Barbara Yelin ganz bewusst aufgegriffen und thematisiert.
Barbara Yelin sagt zu ihrer Grahic Novel: "Die Erinnerung eines Kindes ist nichts Festes, ist nicht chronologisch. Es ist eine Chance des Comics, dass ich auch die Leerstellen sichtbar machen kann und in Bildern mehr erzähle, als Worte es können. Dieses Buch basiert auf vielen Gesprächen, auf viel Zeit, vielen Pausen und einer starken Basis des Vertrauens. Indem ich unsere Begegnungen zu einem Teil der Erzählung gemacht habe, zeige ich Emmie Arbel auch als starke Frau, die im Hier und im Leben steht. Mir war wichtig, sie nicht auf ihre traumatischen Erlebnisse von Gewalt, Angst und Tod zu reduzieren."
In der Alten Synagoge Essen wird Kulturministerin Ina Brandes am 29. November den Gustav-Heinemann-Preis an Autorin Barbara Yelin überreichen.