Gastland-Serie: Auf einen Espresso mit … Mattia Insolia

"Wir haben nur dieses eine Land"

23. Oktober 2024
von Nicola Bardola

Der 29-jährige Autor Mattia Insolia gilt als Stimme einer Jugend ohne Hoffnung. Beim Espresso erzählt er, warum er sich für Meinungsfreiheit engagiert und warum sich in Deutschland niemand über brutale Szenen in seinen Romanen aufregt.

Mattia Insolia

Insolia ist die Vielfalt der Meinungen wichtig. "Nach der Nicht-Einladung Roberto Savianos haben wir uns zusammengetan, haben Veranstaltungen außerhalb des offiziellen Messe-Programms organisiert, weil es uns wichtig ist, darüber zu sprechen, was passiert ist und was weiterhin passiert." Insolia sieht mit Sorge, wie in Italien von der neuen Regierung bestehende Narrative umgeschrieben werden sollen. Noch mehr beunruhigt ihn der Versuch, ein neues Narrativ zu erfinden: "Damit verbunden ist die Absicht zu polarisieren. Aber uns zu teilen wäre falsch. Wir haben nur dieses eine Land. Die Regierung Meloni müsste sich nicht so sehr um ihre Partei kümmern, sondern um ihr Land." Was Donatella Di Pietrantonio und Antonio Scurati passiert ist, hält er für äußerst gefährlich; Insolia wertet es als eine Rückkehr zum Faschismus und besteht darauf, dass dieses Wort auch ausgesprochen wird.

Angesichts dieser Lage unterteilt der in Catania geborene Insolia Schrifsterller:innen in drei Gruppen: Einerseits solche, die ausschließlich erzählen wollen, andererseits solche, deren Prosa von Haus aus politisch ist und schließlich solche, die in ihre Erzählungen Politik einfließen lassen. Insolia hält alle drei für legitim. Er selbst schreibt aber Prosa ohne direktes politisches Engagement. "Vielleicht mach ich das in der Zukunft. Das hängt davon ab, ob es mich dazu drängt. Aber Prosa und Politik müssen dann zusammenpassen. Meine Einstellung zur Politik bringe ich in meinen journalistischen Arbeiten zum Ausdruck"; Insolia schreibt u.a. für den "L’Indipendente". Wenn Insolia seine Bücher kommentiert, dann spricht er von einer "gelähmten Generation", von heute 25- bis 30-Jährigen, die keine Stimme hätten. "Ich spüre ein Monster in mir, das ist meine Wut. Das kann Empörung über kleine, aber auch über große Dinge sein, darüber, dass wir in verschiedenartigen Krisen aufgewachsen sind und keine Zukunft haben. Ziel ist es, die Wut schreibend zu überwinden."

"Zwischen 'Tschick' und Pasolinis 'Vita Violenta'" ("Welt am Sonntag") hat sich Insolias Debüt „Die Hungrigen“ bewegt. Nun liegt sein zweiter Roman vor: "Brennende Himmel" (Karl Rauch Verlag). Insolia stellt Unterschiede fest in der Rezeption seiner Romane: "Die Hungrigen" (Karl Rauch Verlag) sei hart, mit brutalen Szenen, was in Italien zu Diskussionen und Kritik geführt habe. In Deutschland nehme man das nicht so dramatisch – das freue ihn, überrasche ihn aber auch. Er hatte gedacht, Italien sei eher vorbereitet auf seine Bücher. "Die härteste Szene? Im ersten Roman verbrennt einer der beiden Brüder einen Hund, einen lebenden. Das führte zu heftigen Auseinandersetzungen in den sozialen Medien. Hier jedoch nimmt man das hin." Insolia betont, dass er das nicht selbst erlebt habe. Dass die Themen in seinen Romanen der Fantasie entspringen. Aber sie hätten mit seiner Wut zu tun.