Literaturfestival lit.COLOGNE

"Wir beweisen uns jedes Jahr aufs Neue"

4. März 2025
Thea Wittmann

Am 15. März startet die 25. lit.COLOGNE, die Auslastung ist mit weit über 90 Prozent rekordverdächtig: 100.000 Besucher:innen und 200 Veranstaltungen. Was macht den Erfolg des Festivals aus und wie geht es perspektivisch in die Zukunft? Fragen an Rainer Osnowski, seit 2020 alleiniger Geschäftsführer.

Rainer Osnowski

Rainer Osnowski

Neben vielen Nachahmern hat das Lesefest inzwischen zahlreiche "Ableger": die lit.COLOGNE Spezial, die phil.COLOGNE für ein philosophisch interessiertes Publikum., die lit.RUHR, im letzten Jahr die ELB.lit in Hamburg. Das ist recht expansiv. Ist die lit.COLOGNE ein Exportschlager?

Rainer Osnowski: Die lit.COLOGNE ist die Mutter aller Literaturfestivals in Deutschland. Bevor wir mit unserem populären Literaturfestival auf den Markt gekommen sind, sahen die Lesungen meistens so aus: Nach Ladenschluss stellten Buchhandlungen ein paar Stühle auf und moderierten selbst. Das war okay, aber nicht sexy. Wir dachten: Das Buch, Autorinnen und Autoren haben mehr verdient als das. Von vornherein haben wir uns an den großen Festivals in Kulturbereichen wie Theater oder Film orientiert. Wir wollten dem Buch eine große Bühne bieten. Mittlerweile machen es viele nach – das macht uns sehr stolz.

 

Aber das Herz schlägt doch in Köln, nehme ich an. Warum geht die lit.COLOGNE beispielsweise nach Hamburg?

Rainer Osnowski: Hamburg ist ein Sonderfall. Das Harbour Front Literaturfestival wollte nach 15 Jahren Pause machen, um sich neu aufzustellen. Wir haben Kultursenator Carsten Brosda  angeboten, für ein Interim anzutreten, bis Harbour Front wiederkommt. Mit unserer Expertise konnten wir dort viele Programmpunkte der lit.COLOGNE platzieren.

 

Das heißt, die ELB.lit war ein einmaliger Ausflug?

Rainer Osnowski: Wir sind von vorneherein nur als Pop-up angetreten und haben binnen weniger Monate ein veritables Programm für Hamburg auf die Beine gestellt, das rund 10.000 Menschen erlebt haben. Wenn die neuen Macher des Habour Front Unterstützung wünschen, stehen wir zur Verfügung. Aber wir müssen nicht in einer Stadt, in der es ein funktionierendes Literaturfestival gibt, eins daneben setzen.

 

In Köln mangelt es nicht an literarischen Veranstaltungen. Aber wenn der Vorverkauf der lit.COLOGNE startet, sind die Tickets ruck-zuck weg – warum?

Rainer Osnowski: Die lit.COLOGNE ist Kult, aber wir beweisen uns auch jedes Jahr aufs Neue. Große Namen, große Autoren, tolle Bücher, eigens entwickelte Themenabende und zudem: hochaktuelle Diskurse zur Standortbestimmung. Wir bieten Unterhaltung, aber auch Perspektiven, sei es zu gesellschaftlichen oder politischen  Themen, zum Beispiel dem Kampf gegen Antisemitismus.

 

Das Kölner Literaturhaus sowie die ansässigen Buchhandlungen bieten das ganze Jahr über Lesungen an ... 

Rainer Osnowski: Die Buchhändlerinnen machen eine super Arbeit, laden ihre Autorinnen und Autoren ein, ebenso das Literaturhaus. Aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was wir bewegen. Und was wir bewegen, kann dazu führen, dass die Leute auch in die Buchhandlung gehen oder zu Literaturveranstaltungen, bei denen sie vorher nie waren – aber von uns angefixt worden sind. Insofern beeinflusst das eine das andere.

Als privatwirtschaftliches Kulturunternehmen finanziert sich die lit.COLOGNE ausschließlich durch Eintrittsgelder und Sponsoring. 2020 musste das Festival wegen des Corona-Virus ausfallen. Eine  Fortführung stand auf der Kippe. Wie hat sich die Veranstaltung davon erholt, was hat sie gerettet?

Rainer Osnowski: Am Nachmittag vor der Eröffnung 2020 war klar, dass wir absagen müssen. Und dann kam die große Solidaritätswelle. Die Tickets waren ja schon verkauft. Ein Großteil der Menschen hat die Karten nicht zurückgegeben. Das war die Grundlage dafür, dass wir weitermachen konnten. Und dann haben wir uns schrittweise aus dieser Krise herausgearbeitet. Sobald wir wieder live vor Ort waren, kamen die Leute in Scharen wieder. Und 2025 ist das Jahr mit der größten Zuschauermenge.

 

Das Publikum hat die lit.COLOGNE gerettet?

Rainer Osnowski: Richtig, und unsere Sponsoren natürlich. Thalia hatte vorübergehend einen Wechsel in den Bemühungen um Sponsoring-Partnerschaften, ist aber jetzt nach fünf Jahren Pause wieder einer der Hauptsponsoren. Die anderen Sponsoren sind alle dabeigeblieben, das kann man nicht hoch genug schätzen.

 

Für Kölner Buchhandlungen war der Ausstieg von Thalia eine große Chance. Die Büchertische zu den Veranstaltungen, die bislang komplett durch die Mayersche besetzt waren, wurden an unabhängige Sortimente vergeben. Nun ist Thalia wieder dabei – was wird sich dadurch für die Kölner Buchhandlungen ändern?

Rainer Osnowski: Die Kleinen bleiben! Bei den Verhandlungen mit Thalia haben wir klargestellt: Wir wollen auf keinen Fall die Buchhändler:innen wieder wegschicken. Sie haben uns in der Zeit geholfen, in der Thalia nicht dabei war. Außerdem sind die Büchertische besser geworden, weil die Buchhändler:innen sehr viel Zeit und Energie in die Zusammenstellung investieren, genau wie in ihren Läden. Thalia reiht sich dann einfach ein. Ich glaube, das funktioniert auch ganz gut.

 

Wie sehen die Zukunftspläne der lit.COLOGNE aus? Könnte das Publikum eventuell zu alt werden, muss sich etwas verändern?

Rainer Osnowski: Wir haben ein jüngeres  Publikum als klassische Kulturveranstaltungen. Die Themen, die vor allem junge Kolleg:innen in die Programmrunde einbringen, stoßen bei jungen Menschen auf Interesse.

 

Es ist also gar nicht nötig, dass sich das Literaturfest verjüngt?

Rainer Osnowski: Wir müssen uns immer infrage stellen und überlegen, wie wir das junge Publikum erreichen. Wir starten zum Beispiel zusammen mit Thalia im Mai den Versuch, die Booktok-Community anzusprechen. Und ein neues Konzept, die lit.COLOGNE POP, trifft genau den Nerv junger Erwachsener zwischen 18 und 28. Diese Idee hat wirklich eingeschlagen. Die lit.COLOGNE POP findet jetzt zum 3. Mal statt, an zwei Tagen zu Beginn der lit.COLOGNE. Sie ist ein kleines, eigenständiges Festival im Festival. Ich wette, da werden Leute auch neugierig auf das "normale" Programm der lit.COLOGNE.

 

Was wünschen Sie sich für die lit.COLOGNE zum 25. Geburtstag?

Rainer Osnowski: Wie vor jedem Festival hoffen wir, dass wir von Absagen verschont bleiben. Und ich wünsche mir, dass unsere Ideen, die wir mit dem jeweiligen Programm verbinden, auch dieses Jahr wieder aufgehen. Das sind also relativ langweilige Wünsche, aber das reicht mir schon.