Interview mit Jane S. Wonda

"Vom Buchhandel stiefmütterlich behandelt"

2. Juni 2023
Nicola Bardola

Selfpublisherin Jane S. Wonda war gerade erst mit gleich drei Büchern in den Belletristik-Taschenbuch-Charts von Media Control vertreten. Sie hat mit dem Börsenblatt über düstere Liebesgeschichten, ihr Handwerk und das Rezept für ihren Erfolg gesprochen.

Jane Profil von S. Wonda mit Sonnenbrille auf dem Kopf. Sie signiert ein Buch in einem Cafe

Jane S. Wonda

Very Bad Kings in den Charts

"Very Bad Sinners", der achte Band ihrer "Very Bad Kings"-Reihe befand sich auf Platz 2, der erste Band auf Platz 5 und ein weiterer Band auf Platz 18. Wie kam es zu diesem Erfolg? Und welche Rolle spielen die Tropes?  Nicola Bardola hat nachgefragt.

Erfolg als Selfpublishing

Viele Karrieren von Schriftsteller:innen beginnen als Selfpublisher. Wie entstand Ihre erste Veröffentlichung? 
2014 habe ich mit dem Schreiben begonnen. Auf Facebook habe ich viele Tipps zum Selfpublishing bei Amazon gefunden und ein Jahr später war der erste Roman von Jane S. Wonda (mein Pseudonym) auf Platz 11 in den Amazon Kindle-Charts.

Welche Autor:innen hatten Sie damals als Vorbilder?
 Ich habe wenig gelesen. In der Jugend war ich Fan von Harry Potter und Twilight. Es gab dann aber keine Hypes oder Trends mehr im Buchmarkt, die mich angesprochen haben. "Panem" fand ich noch toll, auch wegen der filmischen Umsetzung. Der Hauptgrund für mein eigenes Schreiben ist das Fehlen des eigenen Lesestoffs gewesen. Es gab eigentlich keinen anderen Grund.

Wie wichtig sind die Cover für Ihren Erfolg?
Alle meine Umschläge gestalte ich selbst. Im Gymnasium war Kunst immer mein Lieblingsfach. Und während des Informatik-Studiums habe ich vieles gelernt, was mir als Selfpublisher geholfen hat. Gute Computerkenntnisse sind sehr wichtig für Selfpublisher. Ich sage immer, ich habe 40 Bücher veröffentlicht. Aber ich habe aufgehört zu zählen. Vielleicht sind es schon 50.

Alle meine Umschläge gestalte ich selbst. 

Düstere Themen, Erotik und der Buchhandel

Sie sind heute 31 Jahre alt. Das ist ein enormer Output.
Am Anfang habe ich viel schneller geschrieben. Damals habe ich teilweise ein Buch pro Monat geschafft. Damit es eine gewisse Qualität hat, muss ich damals wohl Tag und Nacht gearbeitet haben. Das kann ich mir gar nicht mehr vorstellen: Heute arbeite ich sehr viel langsamer und nehme mir noch Zeit für Lesungen, Marketing usw.

Sie gelten als eine der erfolgreichsten Autorinnen im Bereich "Dark Romance" im deutschsprachigen Raum. Wächst inzwischen die Konkurrenz?
Ich finde, das Genre "düstere Liebesgeschichte" wird vom deutschen Buchhandel noch ziemlich stiefmütterlich behandelt. Bei Übersetzungen aus dem englischsprachigen Raum fällt mir auf, dass bestimmte Ausdrücke verändert werden und die Sprache längst nicht so direkt ist wie im Original. Dadurch ist mir auf dem deutschen Markt nichts bekannt, das mit meinen Büchern vergleichbar wäre. Zwar gibt es andere Selfpublisher, die ähnlich schreiben, aber im Spiegel-Bestseller-Bereich habe ich wohl ein Alleinstellungsmerkmal.

Wie würden Sie ihre Zielgruppe definieren? 
Meine Zielgruppe schwankt von Anfang an. Ich habe auch schon vor "Very Bad Kings" New Adult geschrieben, beispielsweise "Dark Prince", "Liam Harsen" oder "Bastards". Die erste Reihe „Liam Harsen“ war sehr erotisch. Bei fast allen meiner folgenden Bücher hat sich der Erotikanteil stark reduziert. Jetzt ist es die klassische und auch nach oben hin sehr breit gefächerte New Adult Zielgruppe ab 16, die sich auch für High School Romance interessiert. Allerdings sind die angesprochenen Themen wie zum Beispiel Mobbing, Schere zwischen Arm und Reich, Drogenhandel, düstere politische (fiktive) Machenschaften usw. sehr ernst. Im Deutschen fehlt noch die exakte Genre-Bezeichnung. Es handelt sich um 'Dark College', 'Bully Romance' oder 'Reverse Harem'. Die weibliche Protagonistin hat entsprechend der Umkehrung die Auswahl. Meine Zielgruppe ist also schwer zu definieren. Es kann noch mit 28 Jahren passieren, dass jemand sagt: 'Nein, mir ist eine Wohlfühllektüre lieber'. Allerdings nicht, weil die Protagonistin entsprechend viel Auswahl hat, sondern wegen der Themen Mobbing, Armut usw.

Ich finde, das Genre "düstere Liebesgeschichte" wird vom deutschen Buchhandel noch ziemlich stiefmütterlich behandelt.

So schreibt Jane S. Wonda

Welche Rolle spielen diese neu entstehenden Tropes (Liebesroman-Topoi wie "Reverse Harem") für den Erfolg von Romance-Romanen?
Ich finde, die Unterteilung des Genres Romance in viele Kategorien ist sehr wichtig, denn damit kann man gezieltes Marketing machen. Der Mix bei mir aus "Reverse Harem" und "College" ist bestimmt ein Grund für den Erfolg. 

In welchem Verhältnis steht Romance zu Sensitivity Reading, Feminismus und MeToo?
Dark Romance oder auch Bücher wie die "Very Bad Kings" behandeln eher allgemein-düstere Themen wie beispielsweise Armut oder Drogenhandel. Sensitivity Reading ist dort eher nicht nötig. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass sich das Genre den dunklen Fantasien überwiegend von Frauen widmet, daher einen klaren feministischen Bezug hat. 

Selfpublisher arbeiten oft ohne Lektoren. Wie entstehen Ihre Texte?
Ich veröffentliche nach wie vor selbst in einem kleinen Team, das u.a. für Social Media zuständig ist. Zudem habe ich einerseits eine Redakteurin, die auf Dinge achtet, die auch eine Lektorin monieren würde und andererseits eine so genannte Alpha-Leserin, die von Anfang an dabei ist. Mit ihr bespreche ich den Fortgang des Plots und bekomme viele Impulse im Bereich der Rohfassung. Erst danach geht das fertige Manuskript an zahlreiche Testleserinnen, die auch schon meine vorangegangenen Texte sehr gut kennen. Ich möchte mich nicht nur auf die eine Meinung einer Lektorin verlassen. Mit den zahlreichen Feedbacks während des Schreibens, auch was sie Dramaturgie betrifft, fahre ich sehr gut. Auch die Testleserinnen können noch auf die Geschichten Einfluss nehmen.

Kennen Sie am Anfang der Schreibarbeit an einem Roman schon das Ende?
Ich plotte wenig. Ich kenne das Ende grob, aber nicht im Detail. Die besseren Ideen kommen sowieso beim Schreiben. Ich lasse mich treiben. Dann kommt schon eine tolle Idee für den Cliffhanger und man muss schauen, wie man dahin kommt. Das fügt sich dann gefühlsmäßig zusammen.

Meine Bücher werden im stationären Handel phänomenal präsentiert.

Welche Rolle im Buchmarkt spielt für Sie die Firma Nova MD?
Nova MD wird betrachtet wie ein Verlag, ist aber in erster Linie eine Auslieferung für Selfpublisher. In meinem Fall kommen von dort die Bücher an die Buchhandlungen. Nova MD ist für mich tatsächlich nur ein Vertrieb, ein Umschlagplatz. Das Marketing, die Platzierung im Buchhandel usw. lösen wir ohne Nova MD. In meinem Team kümmert sich jemand um den Druck und den Vertrieb, der hauptberuflich als Verlagsvertreter arbeitet. Der kalkuliert auch die Auflagen. Das funktioniert bisher wunderbar.

In welchem Verhältnis stehen die Absätze von E-Books im Vergleich zu gedruckten Büchern?
Früher habe ich als noch nicht im Handel platzierter Selfpublisher natürlich sehr viel mehr E-Books verkauft, aber nicht wegen explizierter Gewalt- oder Sexszenen. Ich glaube, vor allem "Fifty Shades of Gray" hat den Markt geöffnet. Die Zielgruppen schämen sich längst nicht mehr, meine Bücher vor Ort zu kaufen. Meine Bücher werden im stationären Handel phänomenal präsentiert. Was ich aber feststelle, ist eine  Fixierung auf Novitäten. Band 7 und 8 der Reihe sind dieses Jahr erschienen, aber es wurde anfangs zu wenig darauf geachtet, dass auch Band 1 und die anderen Vorläufer vorrätig sind. Die ersten Bände sollten immer da sein.

Klopfen bei Ihrem Erfolg inzwischen Agenten oder Verleger bei Ihnen an?
Bisher habe ich kein Angebot von etablierten Verlagen bekommen. Aber es ist die Frage, ob da überhaupt etwas zustande kommen könnte. Meine Arbeitsweise hat sich in den acht Jahren gefestigt. Mit einem Verlag müsste ich ganz anders vorgehen, angefangen bei Exposés, die ich ja nicht schreibe.