Lesetipp: "Banned Books" in den USA

PEN America sieht koordinierte Kampagne hinter Buchverboten

20. September 2022
Redaktion Börsenblatt

In seiner aktuellen Analyse "Banned in the USA" über Buchverbote in den Vereinigten Staaten, hat PEN America eine erschreckende Erkenntnis gewonnen: Dahinter stehe oftmals eine koordinierte Kampagne. Betroffen sind etwa Bücher der Literatur-Nobelpreisträgerin Toni Morrison.

Den Report des PEN America fasst "Publishing Perspectives" in dem Beitrag "Banned Books Week: PEN Calls Out a 'Movement to Censor'" zusammen. In seiner Analyse weise der PEN America darauf hin, dass ein Großteil der Dynamik in den Vereinigten Staaten, Bücher zu verbieten, koordiniert sei. Der Report ist anlässlich der "Banned Book Week" (18.–24. September) erschienen, die sich für Meinungsfreiheit einsetzt.

Fast 140 Schulbezirke in 32 Bundesstaaten hätten im Schuljahr 2021/22 mehr als 2.500 Buchverbote erlassen, diese Zensur hätte mehr als 5.000 einzelne Schulen mit insgesamt fast vier Millionen Schülerinnen und Schülern betroffen, heißt es im Report. 

Alarmierend sei es, dass ein alarmierendes Bild von politisch gesteuerten, kooperativen Bemühungen abzeichne, von denen einige darauf abzielen, "Bibliothekare einzuschüchtern, zu schikanieren oder zu entlassen; und sogar Versuche, ganze Bibliotheken zu suspendieren oder zu streichen", zitiert "Publishing Perspectives" aus dem Report.

Hier liege die wichtigste Botschaft und der lauteste Alarm des PEN: Dies seien keine Einzelfälle, referiert "Publishing Perrspectives". Tatsächlich schätze der Bericht, dass mindestens 40 Prozent der in seinem Index aufgeführten Verbote mit politischem Druck oder Gesetzen zusammenhängen, die das Lehren und Lernen einschränken sollen.

"PEN America hat mindestens 50 Gruppen identifiziert, die sich auf nationaler, bundesstaatlicher oder lokaler Ebene für Verbote einsetzen", wird die Organisation zitiert. Viele dieser Gruppen hätten lokale oder regionale Sektionen. Mehr als 70 Prozent dieser Gruppen, einschließlich ihrer Ortsgruppen, haben sich dem Bericht zufolge seit 2021 gebildet.

"Öffentliche Schulen werden zu politischen Schlachtfeldern"

Suzanne Nossel, Geschäftsführerin von PEN America, sagt: "Während wir Bücherverbote für das Werk einzelner besorgter Bürger halten, zeigt unser Bericht, dass die heutige Welle von Verboten eine koordinierte Kampagne zur Verbannung von Büchern darstellt, die von ausgeklügelten, ideologischen und gut ausgestatteten Interessenvertretungsorganisationen geführt wird. Diese zensorische Bewegung verwandelt unsere öffentlichen Schulen in politische Schlachtfelder, treibt Keile in die Gemeinden, zwingt Lehrer und Bibliothekare aus ihren Jobs und schreckt den Geist der offenen Untersuchung und der intellektuellen Freiheit ab, die eine blühende Demokratie untermauern." Diese Gruppen hätten es sich zur Aufgabe gemacht, Pädagogen zu untergraben, die Lesefreiheit von Schülern zu sabotieren und spaltende Kämpfe zu schüren, die vom Lehren und Lernen ablenken.

Der Bericht wurde von Jonathan Friedman, dem Leiter des PEN-Programms für freie Meinungsäußerung und Bildung, und Nadine Farid Johnson, der Leiterin des PEN in Washington, DC, verfasst. Eine Beobachtung, die beide gemacht haben: "Einige der Gruppen vertreten christlich-nationalistische politische Ansichten, während viele von ihnen auf eine Reform der öffentlichen Schulen abzielen, in einigen Fällen mit dem Ziel, mehr Religionsunterricht anzubieten."

Der vollständige Bericht.

Zahlen

  • Im letzten Schuljahr gab es 2.532 Fälle, in denen einzelne Bücher verboten wurden, was 1.648 einzelne Buchtitel betrifft.
  • Insgesamt 674 verbotene Titel (41 Prozent) behandeln explizit LGBTQ+-Themen oder haben Protagonisten oder prominente Nebenfiguren, die LGBTQ+ sind.
  • Vierzig Prozent der verbotenen Bücher – 659 verbotene Titel – haben Protagonisten oder prominente Nebenfiguren, die farbig sind.
  • 338 verbotene Titel (21 Prozent) befassen sich direkt mit Fragen der Rasse und des Rassismus.
  • Texas steht an erster Stelle der Staaten mit den meisten Verboten (801 in 22 Bezirken), gefolgt von Florida (566 in 21 Bezirken) und Pennsylvania (457 in 11 Bezirken).

Die am häufigsten verbotenen Titel

Der Report listet auch die am häufigsten verbotenen Titel im Schuljahr 2021/22 auf – darunter zwei von Literatur-Nobelpreisträgerin Toni Morrison, Die Liste enthält Bücher, zu Kinofilmen, Fernsehserien und einer Broadway-Show. Bücher, die wegen ihres LGBTQ+-Inhalts, ihres Inhalts in Bezug auf Rasse und Rassismus oder ihres sexuellen Inhalts – oder aller drei – ins Visier genommen worden sind, so PEN America.

Die Liste (Anzahl der Distrikte, in denen der Titel verboten wurde):

  • "Gender Queer: A Memoir" von Maia Kobabe (41 Distrikte)
  • "All Boys Aren’t Blue" von George M. Johnson (29 Distrikte)
  • "Out of Darkness" von Ashley Hope Pérez (24 Distrikte)
  • "The Bluest Eye" von Toni Morrison (22 Distrikte)
  • "The Hate U Give" von Angie Thomas (17 Distrikte)
  • "Lawn Boy" von Jonathan Evison (17 Distrikte)
  • "The Absolutely True Diary of a Part-Time Indian" von Sherman Alexie (16 Distrikte)
  • "Me and Earl and the Dying Girl" von Jesse Andrews (14 Distrikte)
  • "Crank" von Ellen Hopkins (12 Distrikte)
  • "The Kite Runner" von Khaled Hosseini (12 Distrikte)
  • "l8r, g8r" von Lauren Myracle (12 Distrikte)
  • "Thirteen Reasons Why" von Jay Asher (12 Distrikte)
  • "Beloved" von Toni Morrison (11 Distrikte)
  • "Beyond Magenta: Transgender Teens Speak Out" von Susan Kuklin (11 Distrikte)
  • "Drama: A Graphic Novel" von Raina Telgemeier (11 Distrikte)
  • "Looking for Alaska" von John Green (11 Distrikte)
  • "Melissa" von Alex Gino (11 Distrikte)
  • "This Book Is Gay" von Juno Dawson (11 Distrikte)
  • "This One Summer" von Mariko Tamaki and Jillian Tamaki (11 Distrikte)