Rufe nach einem Genderverbot werden beispielsweise auf Seiten der Hamburger CDU immer lauter. In Frankreich hat man an Schulen kürzlich das Gendern verboten. Die Debatte wird stetig emotional aufgeladener.
Der Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren fordert eine sachlichere Debatte zur geschlechtergerechten Sprache. Im Verband sensibilisiert und unterstützt die Arbeitsgruppe „Sprachwandel“ Mitglieder des Lektoratsverbands mit Informationen zu geschlechtergerechter und diskriminierungsfreier Sprache.
„Nach unserer Erfahrung möchten viele Mitarbeit*erinnen in Behörden, Institutionen und Unternehmen diskriminierungsfrei formulieren. Vor allem aber möchten sie ihre eigentliche Arbeit erledigen. Es gibt deshalb ein verständliches Bedürfnis nach alltagstauglichen Lösungen für die geschlechtergerechte Kommunikation. Rufe nach einem Genderverbot helfen da nicht”, so Angelika Pohl, Sprecherin der VFLL-Regionalgruppe Hamburg.
Eine einfache Möglichkeit, alle Geschlechter anzusprechen, sei das Gendern mit Sonderzeichen wie dem Sternchen oder Doppelpunkt. Auch einige Kommunen haben laut VFLL entsprechende Regeln an ihre Verwaltung herausgegeben.
Der VFLL schlägt vor: Wer den Genderstern nicht verwenden möchte, kann an vielen Stellen auch durch die Wortwahl geschlechtergerecht schreiben. Beispiel: Statt „Liebe Kollegen“ heiße es „Liebes Team“. Das Straßenschild „Radfahrer absteigen“ lasse sich zu „Das Rad bitte schieben“ ändern.
„Das Straßenschild-Beispiel zeigt auch sehr schön, dass Gendern Texte gleichzeitig freundlicher, geradezu bürgernah machen kann“, findet Pohl.
Der VFLL wisse allerdings auch, dass es Schwierigkeiten geben kann, wenn man zu 100 Prozent geschlechtergerecht schreiben wolle. Klare Regeln könne es aber noch nicht geben. „Der sprachliche Wandel hin zu mehr Gerechtigkeit ist ein Prozess und braucht Zeit. Das sieht übrigens auch der zwischenstaatliche Rat für deutsche Rechtschreibung so und hat bewusst noch keiner Schreibweise den Vorzug gegeben“, so die Hamburger Lektorin weiter.
M.E. sollte man diesen Wunsch respektieren.
Anke Schild, Lektorin
Der Beitrag des Verbandes der Lektorinnen und Lektoren ist einer, der denjenigen die Hand reicht, die nicht experimentieren möchten oder können, aus welchen Gründen auch immer.
Warum denn jetzt schon wieder polarisieren? Helfen stereotype Reaktionen weiter bei der ernsthaften Suche nach guten, kreativen, meinetwegen auch noch nicht endgültigen Lösungen? Wenn ich es beispielsweise unerträglich finde, dass „Frauen immer mitgemeint sind (außer bei der Besetzung von Führungspositionen und Einkommensgleichheit selbstredend)“, muss ich dennoch die Argumente beispielsweise des französischen Bildungsministeriums wahr und ernst nehmen und komme so auf dem Wege des Nachdenkens z.B. auf die Lösung, die die der Verband der freien Lektorinnen und Lektoren skizzieren – warum geht das nicht auch umgekehrt? Warum immer so eindimensional und effekthaschend (tut mir leid, Frau Heidenreich)? Sprache lebt und spiegelt gesellschaftliche Wirklichkeiten – und muss deswegen genauso differenziert und entwicklungsfähig wie diese sein.
eines an Eurer Forderung ist vollkommen berechtigt: eine sachliche Debatte. Weder Verbote noch Gebote werden der Sache gerecht. Doch bevor Lektorate als Wächter und Wahrer der Sprachqualität nach Regeln rufen, sollten die Autoren (gemeint sind natürlich weibliche wie männliche) ihre Stimme erheben. Elke Heidenreich hat das gerade getan – emotional. Aber ist die Emotionslosigkeit jetzt unser neues Ideal? Sind die Sprachregeln von Bürokraten in Stadtverwaltungen und beflissen-verkopfte Anordnungen an manchen Hochschulen jetzt das Vorbild für Menschen, die Literatur schreiben und bearbeiten?
Ich kenne zahlreiche Autoren, die sich schütteln bei dem Gedanken, ihre Sprache einer bestimmten Version von Zeitgeist anpassen zu müssen. Es wäre für die Erhellung und Entspannung der Auseinandersetzung durchaus hilfreich, wenn nach Elke Heidenreich sich weitere Autoren-Stimmen äußern würden, dabei können wir auf die Verstockten vom rechten Rand gern verzichten. Die deutsche Sprache mit all ihrer Schönheit und Lebendigkeit ist in deren Händen keineswegs gut aufgehoben. Manchmal bekommt man den Eindruck, das Hypothesengebilde der Gender-Theorie stehe inzwischen über dem Grundgesetz. Woher nimmt sich dieser in US-Universitätskreisen entstandene, durchaus interessante Forschungsansatz eigentlich die Berechtigung, als Grundlage dafür verwendet zu werden, wie wir uns ausdrücken sollen?
Die VFFL-Äußerung spricht von „alltagstauglichen Lösungen“ – ein vernünftiges Kriterium. Ich habe gerade in einem zweiseitigen Börsenblatt-Artikel 40 Gender-Sternchen gezählt, und das ist keine Ausnahme. Das ist schlicht leseunfreundlicher Unsinn. Und im übrigen hat die Rechtsabteilung des Börsenvereins dankenswerter Weise klargestellt, dass kein Autor gegen seinen Willen zu einer Schreibweise gezwungen werden darf, die er oder sie nicht gewählt hat.
Ulrich Störiko-Blume