Ikonisches Werk der modernen Weltliteratur

Kafkas "Brief an den Vater" von Marbach erworben

21. Februar 2025
Redaktion Börsenblatt

Das berühmte Manuskript "Brief an den Vater" von Franz Kafka wurde vom Deutsches Literaturarchiv Marbach vom Verleger Thomas Ganske gekauft. Zuvor war der Brief bereits als Leihgabe in Marbach.

Franz Kafkas "Brief an den Vater", November 1919

Der "Brief an den Vater", den Franz Kafka 1919 in Schelesen bei Prag schrieb, zählt heute zu den ikonischen Werken der modernen Weltliteratur, so das Deutsches Literaturarchiv Marbach (dla) in einer Mitteilung (20. Februar). Dank der großzügigen Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, des Landes Baden-Württemberg durch die Baden-Württemberg Stiftung, der Adolf Würth GmbH und Co KG, der Berthold Leibinger Stiftung, der Wüstenrot Stiftung sowie von Klaus Mangold konnte das berühmte Manuskript jetzt, vermittelt durch den Antiquar Jörn Günther, vom Verleger Thomas Ganske erworben werden. Ganske war seit 1983 im Besitz des Manuskripts, das 100 Seiten im Oktav-Format umfasst und sehr gut erhalten ist.

Der "Brief an den Vater", in dem sich Literatur und Wirklichkeit vielschichtig verschränken, erreichte seinen Empfänger nicht, denn Kafka hat ihn niemals abgeschickt. Erst als Kafka und sein Vater längst gestorben waren, wurde er 1952 durch den Erstdruck in der Literaturzeitschrift "Neue Rundschau" bekannt. Seitdem gilt der Brief als ein literarisches Meisterwerk und Schlüssel zum Verständnis von Kafkas Leben und Werk.

Franz Kafkas "Brief an den Vater", November 1919

Brief war bereits Leihgabe im Deutschen Literaturarchiv

Nach einigen Zwischenstationen kam der Brief 1982 aus Privatbesitz in das Münchner Antiquariat Ackermann, wo ihn Thomas Ganske erwarb. Im Jahr 1984 übergab Thomas Ganske den Brief als Leihgabe dem Deutschen Literaturarchiv.

Zum Inhalt des "Briefs": Nach einem Streit mit seinem Vater über Kafkas geplante Heirat mit der Sekretärin Julie Wohryzek, rekapituliert der Sohn sein Verhältnis zu seinem Vater, der ihm sein Leben lang übermächtig und erdrückend erschien. Wie ein guter Anwalt trägt er Anklagepunkt um Anklagepunkt zusammen und enthüllt immer neue seelische Abgründe. Inwieweit sein Porträt auf den wirklichen Vater zutrifft, ist umstritten. Bereits in seiner 1913 veröffentlichten Novelle "Das Urteil" rechnete ein Sohn mit seinem Vater ab. Manches spricht dafür, dass das geradezu mythische Motiv der Vater-Sohn-Konfrontation Kafka auch darum besonders interessierte, weil es sich dazu eignete, sein Lebensthema der Abhängigkeitsbeziehungen, das auch seine Romane "Der Process" und "Das Schloss" prägt, exemplarisch auf den Punkt zu bringen.

Das Deutsche Literaturarchiv besitzt nach dem eigentlichen Nachlass, der in Oxford liegt, die weltweit größte Sammlung von Kafka-Autographen, darunter die "Process"-Handschrift, zahlreiche weitere Manuskripte und Briefe, u.a. die an seine Schwester Ottla und Milena Jesenská. Zurzeit ist der Brief an den Vater im Marbacher Literaturmuseum der Moderne in der Ausstellung "Kafkas Echo" zu sehen, die wegen des großen Publikumsinteresses bis 22. Juni 2025 verlängert wurde.

"Diese einzigartige Erwerbung ist ein Höhepunkt in der Marbacher Sammlungsgeschichte", sagt Petra Olschowski, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Der Brief "ist weit mehr als 'nur' ein Brief, er ist Literatur und Dokument zugleich – und zeigt ein Bild von Kafka, wie er sich eigenhändig gesehen hat." Nun werde er in Marbach für die internationale Literaturgeschichte dauerhaft gesichert.

"Was für ein Glücksfall in der Geschichte dieses Instituts: Jetzt wird eine wichtige Lücke in der weltweit bedeutenden Sammlung von Kafka-Autographen im Deutschen Literaturarchiv geschlossen. Eine solche Erwerbung gelingt nur im guten Zusammenwirken vieler Kräfte. Mein ganz großer Dank gilt allen Förderern!", erklärt Sandra Richter, Direktorin des Deutschen Literaturarchivs.