Literaturstipendien 2022

"Identitätssuche und familiäre Beziehungen"

13. Dezember 2021
Redaktion Börsenblatt

Die mit je 12.000 Euro dotierten und mit einer gemeinsamen Lesereise verbundenen Literaturstipendien des Landes Baden-Württemberg gehen in diesem Jahr an die Autorinnen Janina Hecht, Ilona Hartmann und die Lyrikerin Chandal Nasser.

"Durch die ihnen zuerkannten Literaturstipendien gewinnen Janina Hecht, Ilona Hartmann und Chandal Nasser wichtigen kreativen Freiraum, um zu schreiben, ihre Arbeit weiter zu entwickeln und sich mit ihren Texten einem Publikum vorzustellen", sagte Staatssekretärin Petra Olschowski am 13. Dezember in Stuttgart. "Die Themen Herkunft und Identitätssuche, familiäre Beziehungen und deren Konfliktfelder, die Fragen nach Schuld und Verständnis ziehen sich durch alle prämierten Texte." Mit den Literaturstipendien zeichnet das Land Autorinnen und Autoren aus, die am Beginn ihrer schriftstellerischen Arbeit stehen, deren Qualität überzeugt und die eine Verbindung zu Baden-Württemberg haben, beispielsweise durch Geburt, Wohnort, Ausbildung oder Schwerpunkt ihres Schaffens.

"Mit der Vergabe von Landesstipendien richten wir den Blick auf vielversprechende Nachwuchsautorinnen und -autoren, wollen ihnen Mut machen, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen und ihnen gleichzeitig die Möglichkeit geben, eine größere Arbeit anzugehen oder abzuschließen", so Olschowski.

Begründungen der Jury

Im Roman „In diesen Sommern“ zeichnet die Autorin Janina Hecht ein überzeugendes Familienpsychogramm. „Die titelgebende Jahreszeit spendet in dem Rückblick der Ich-Erzählerin die Wärme, die ihr während der Kindheit und Jugend nur in wenigen Momenten vergönnt ist“, so die Jury in ihrer Begründung. Eindrucksvoll sei der Autorin in kurzen Episoden und mit einer ebenso lakonischen wie eindringlichen Sprache gelungen, die alles beherrschenden Launen und Gewaltexzesse des Vaters der vierköpfigen Familie zu beschreiben und dennoch auf Schuldzuweisungen zu verzichten.

„Land in Sicht“ ist der erste Roman der bislang in der Twitter-Community und in Online-Kommentaren der "Zeit" bekannten jungen Autorin Ilona Hartmann. Auf einer Flusskreuzfahrt entlang der Donau kreuzen sich die ungleichen Lebenswege der Tochter mit ihrem bis dato unbekannten Vater. Die Jury hebt in ihrer Begründung die Komik, das Gespür der jungen Autorin für skurrile Situationen und ihre spritzige und unprätentiöse Sprache hervor.

Die südbrasilianische Lyrikerin Chandal Nasser reflektiert in ihrem ersten deutschsprachigen Gedichtband „Eindrücke aus Babel“ ihren Weg in die neue Sprache, die sie nach ihrem Umzug nach Deutschland neu erlernte, und verbindet diesen mit ihren brasilianischen Kindheitserinnerungen. Ihre meisterhaften Gedichte seien leichtfüßig tiefsinnig und überschritten spielerisch die Grenzen der Literatur, sie zeigten scheinbar einfache Beobachtungen in der Natur und im Alltag, so die Jury in ihrer Begründung.

Die Stipendiatinnen

Janina Hecht wurde 1983 bei Stuttgart geboren. Sie hat Neuere deutsche Literatur und Linguistik studiert. Sie war 2016 und 2018 Stipendiatin der Bayerischen Akademie des Schreibens am Literaturhaus München. 2019 erhielt sie ein Stipendium des Förderkreises Deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg. Sie lebt und arbeitet in Karlsruhe.

 

Ilona Hartmann ist freie Autorin und Texterin. Geboren 1990 in Backnang bei Stuttgart zog sie nach dem Abitur erst nach Leipzig und dann nach Berlin, vor allem aber ins Internet. Sie ist Autorin und Kolumnistin des "Zeit Magazin" und für die "Zeit online", außerdem als Kurzbeobachterin des Zeitgeschehens über Twitter und Instagram bekannt.

 

Chandal Nasser wurde in Süd-Brasilien geboren. In ihrer Muttersprache Portugiesisch hat sie zwei Gedichtbände veröffentlicht. Seit 2011 schreibt sie auf Deutsch in ihrer Wahlheimat Tübingen. 2019 erschien ihr deutsches Debut, der Lyrikband „Eindrücke aus Babel“.