Gastland-Serie: Auf einen Espresso mit... Petra Reski

"Der Pavillon ist pathetisch und absolut unitalienisch"

19. Oktober 2024
von Nicola Bardola

Muss man als italienische Autorin zu einem bestimmten politischen Lager gehören? Muss Deutschland die Kunst des „Sdramatizzare“ lernen? Petra Reski blickt auf das Leben in beiden Ländern.

Börsenblatt-Autor Nicola Bardola hat Petra Reski auf einen Espresso getroffen.

Die Journalistin und Schriftstellerin mit deutscher und italienischer Staatsangehörigkeit Petra Reski lebt seit 1991 in Venedig. Ihr aktuelles Buch "All’italiana! Wie ich versuchte, Italienerin zu werden" (Droemer) handelt von den Schwierigkeiten, die italienische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Dieser letztlich geglückte Versuch hatte sechs Jahre gedauert. Verzögert wurde er durch einen Bindestrich im Namen der Autorin, der vom Computer des italienischen Innenministeriums nicht vorgesehen war, weshalb der Antrag zeitweise verschwand. Reski blieb aber hartnäckig, denn sie wollte unbedingt die italienische Staatsbürgerschaft, um endlich wählen zu gehen. Ihr italienischer Mann tat dies schon immer, wenn auch jeweils mit wenig Hoffnung. Als Reski 2022 nach sechsjährigem Kampf endlich Italienerin war und wählen durfte, gewann ausgerechnet die Rechte mit Meloni. "Wer Italiener werden will, muss leiden können"“, schmunzelte daraufhin Reskis Mann.

"Ich liebe diese italienische Art des ‚Sdramatizzare‘, des Herunterspielens", so Reski. "Jemand hat meinen Mann im Buch als Sidekick bezeichnet. Italiener beherrschen die Kunst des Entdramatisierens. Davon können die Deutschen sehr viel lernen. Mit Selbstironie umgehen, die Luft aus dem Pathos zu lassen, zu dem die Deutschen ja gerne neigen. Das schätze ich sehr an Italien." Diese Kunst brauche es auch angesichts des Gastland-Auftritts. "Der Pavillon ist pathetisch und absolut unitalienisch. Diese Ernsthaftigkeit ist den Italienern eigentlich fremd. Deshalb habe ich mich schon gewundert über die gedrechselten Säulen, über diesen Rückschritt. Wie ich die italienischen Schriftsteller:innen kenne, ist ihnen das auch eher peinlich, ‚imbarazzante‘.“

Davon abgesehen bestehe ein großes Problem für Autorinnen und Autoren darin, dass Verlage in Italien nicht nur Bücher veröffentlichen möchten, sondern auch Meinungen. Hinzu komme, dass die Verlage subventioniert werden, also Geld von der Regierung bekommen. "Das macht sie in einer gewissen Weise auch unfreier." Es gebe im Grunde genommen nur die zwei großen Blöcke in Italien, die rechten und die linken Verlage, wobei die linken gar nicht so links seien. Dazwischen befänden sich die kleinen und mittleren Verlage, die es schwer hätten. "Ich hatte große Schwierigkeiten, Verlage in Italien zu finden – aus dem einfachen Grund, dass ich parteipolitisch nicht einzuordnen bin. Das ist aber eigentlich eine Voraussetzung dafür, dass Schriftsteller:innen in Italien einen Verlag finden. Daher sind in der Regel meine Bücher in eher kleinen Verlagen erschienen. Mein vorletztes Buch bei Droemer "Als ich einmal in den Canal Grande fiel" erschien in Italien im Verlag Zolfo unter dem Titel "Venezia, atto finale: Veder morire un città" (etwa: „Venedig, letzter Akt: Einer Stadt beim Sterben zusehen“). Von großen Verlage bekam ich absagen. Eine der Begründungen lautete: Es werden sämtliche Bürgermeister Venedigs kritisiert, egal ob rechts oder links. Und beim neuen Buch bin ich wieder ähnlichen Schwierigkeiten ausgesetzt. Meine italienische Agentin sagte: 'è una bomba'. Die Bombe liegt aber nicht darin, dass ich etwas Dramatisches enthülle, sondern dass ich sowohl die Rechte als auch die Linke kritisiere. Das halte ich aber für die vornehmste Aufgabe eines Journalisten."