Gendern ist in vielen Abstufungen möglich. Was ist Romanleser*innen zumutbar?
Das ist hochindividuell, und wir können nur spekulieren, wie das diese Leserin oder jener Leser empfindet.
Wohin die Reise geht und wie weit sie geht, ist nicht absehbar. Für mich ist es spannend zu sehen, wie in englischen und amerikanischen Romanen gegendert wird und welche Varianten in Deutschland auftreten, vor allem aber, ob und wie schnell sich das Publikum an bestimmte neue Formen gewöhnt.
Etwas zugespitzt formuliert: Kann gegenderte Literatur gute Literatur sein?
Natürlich kann gegenderte Literatur gute Literatur sein.
Ob gegendert wird oder nicht, hat ja erst einmal nichts mit der Qualität eines Romans zu tun. Sprache ist ein lebendiger Organismus, der sich immer wieder neu formt und anpasst.
Nehmen Sie den beeindruckenden Debütroman von Hengameh Yaghoobifarah, „Ministerium der Träume“, der im Frühjahr bei Blumenbar erschienen ist: große Kunst, wie sich gegenderte Formen und verschiedene Slangs hier zu einer ganz eigenen, hochliterarischen Sprache verweben.
Glauben Sie, dass in fünf Jahren viele Romane in gendergerechter Sprache erscheinen – erstens, weil wir uns alle daran gewöhnt haben, zweitens, weil gerade die jungen, jetzt nachrückenden Autor*innen ein anderes Bewusstsein für gendergerechte Sprache entwickelt haben?
Ich kann mir vorstellen, dass die junge Generation immer wieder eine ihr gemäße literarische Sprache findet, ob das nun gendern ist oder etwas anderes. Eine sich verändernde Welt wird sich sowohl thematisch als auch sprachlich in der Literatur niederschlagen.