Kinder für Bücher begeistern, Lesekompetenzen fördern, mit gezieltem Handeln dort ansetzen, wo es große Defizite gibt: Wie man hier ansetzt, dafür gab es bei der Digitalen Fachtagung für Leseförderung "Begeistert lesen" Anregungen und Perspektivwechsel für interessierte Buchhändler:innen, Verlagsmitarbeiter:innen und Medienschaffende. Veranstaltet wurde die Online-Tagung mit Vorträgen, Diskussionsrunden und Praxissessions durch den mediacampus Frankfurt in Zusammenarbeit mit dem Börsenblatt. Gleich zu Beginn lieferte die Journalistin und Übersetzerin Julia Süßbrich den Schlüssel, der den Zugang zu Nicht- oder Wenigleser:innen öffnen sollte. Süßbrich regte dazu an, die Perspektive der Kinder einzunehmen, die eben ganz eigene Erfahrungen und Startschwierigkeiten beim Lesen mitbringen. Gerade an eigenen Schwächen – sie führte das Beispiel des Schwimmenlernens an – könne man solche Ängste beim Lernen einer neuen Sache auch gut nachvollziehen.
In die Thematik stieg eine Podiumsrunde ein, bei der fünf Diskutantinnen unter der Moderation von Stefan Hauck (Börsenblatt) besprachen, wie und mit welchen kreativen Mitteln eine Stärkung der Lesekompetenz gelingen kann. Schon die anfängliche Bestandsaufnahme zeigte, wie wichtig der Erwerb von Lesekompetenzen für die Gesellschaft ist. Birgit Hock, die mit ihrem medienpädagogischen Projekt "Ohrenspitzer" Kindern beim aktiven Zuhören unterstützt, machte auf die sinkende Kompetenz beim Zuhören und Verarbeiten von Informationen aufmerksam. Auch Tanja Eger, Buchhändlerin in Baden-Baden (Mäx und Moritz) und Sprecherin der IG Leseförderung, sieht besonders nach Corona große Defizite in der Aufmerksamkeitsspanne der Kinder. In den Familien gebe es eine Lücke zwischen der Alltags- und Versorgungssprache. Dies eröffne ein weites Problemfeld: Man müsse Lesen wieder gesellschaftsfähig machen.
Der Tenor der Podiumsrunde: Leseförderung ist vielfältig. Dabei können aber auch die engagiertesten Buchhändler:innen Kinder schwer vom Lesen überzeugen, wenn Schulen und Eltern sich zurückhalten. Aber es sei nicht unmöglich – es gibt viele Arten, beim Nachwuchs Lesekompetenzen zu stärken. Zum Beispiel mit altersgerechter Heranführung ans Lesen mit "idealen" Büchern, die Tanja Eger in ihren Redebeiträgen konkretisierte. Auch die Einbeziehung von logopädischem Fachpersonal und aktivierendem Begleitmaterial, wie die Lesekisten des Gerstenberg-Verlags, können dabei helfen, an jedes Kind heranzukommen. Tessloff-Verlagsleiterin Katja Meinecke-Meurer betonte die Wichtigkeit von gut gestalteten Bilder- und Erstlesebüchern. Andrea Deyerling-Baier vom Gerstenberg Verlag stellte dazu folgerichtig fest: "Bücher, die geliebt werden, sind die beste Leseförderung".
Renate Reichstein von der Agentur Bild & Wort und langjährige Vorsitzende der avj, sprach sich dafür aus, mit den Kindern beim Lesen zur Ruhe zu kommen und sich Zeit zu nehmen. Das funktioniere bereits bei den Allerkleinsten im Pappbilderbuch. Lesen lernen bedeute dabei aber auch Arbeit: "Üben kann mühselig sein, ist aber notwendig …". Üben mit Spaß natürlich, wie Birgit Hock abschließend erinnerte.